Eine Frau schlägt einem Asylbewerber aus Afghanistan in der S-Bahn eine Bierflasche über den Kopf. Verletzt taumelt er zu Boden. Kein Fahrgast hilft.
Ludwigsburg - Es ist Samstagabend 18 Uhr. Die S-Bahn der Linie S 5 ist gut gefüllt. Viele sind unterwegs, um den Abend in Stuttgart zu verbringen. Ganz vorne, gleich hinter dem Bahnführerbereich, steht der Asylbewerber Farid Nasiry aus Afghanistan mit einigen Freunden. Sie sind in Ludwigsburg eingestiegen, so wie auch ein kräftiger 40 Jahre alter Mann und eine 28 Jahre alte Frau von normaler Statur. Beide scheinen betrunken. Sie streiten sich. Nasiry hört sie sagen: „Wo sind meine Zigaretten?“, „Wo ist mein Geld?“. Plötzlich gehen der Mann und die Frau auf ihn und seine Kumpels zu. „Du hast mein Geld geklaut, du bist ein Ausländer“, sagten sie, so Nasiry.
Der Mann greift in die Taschen des Rucksacks, der einem von Nasirys Freunden gehört. Der Afghane, der bereits gut Deutsch spricht, sagt: „Du darfst nicht in die Taschen greifen.“ Daraufhin, erzählt er, habe ihn die Frau zunächst mit der flachen Hand ins Gesicht und dann mit einer Bierflasche so stark auf den Kopf geschlagen, dass er ins Wanken gekommen sei und mit einer stark blutenden, drei Zentimeter langen Risswunde an der Stirn am Boden liegen bleibt. „Ich habe mit so etwas nicht gerechnet“, sagt er.
Kein Fahrgast hilft dem jungen Mann, der stark blutend am Boden liegt
Sein Glück ist, dass er so weit vorne in die Bahn eingestiegen ist. Der Lokführer hält kurz darauf im Kornwestheimer Bahnhof an, kümmert sich um den Verletzten und ruft die Polizei. „Es sind viele Leute im Zug gewesen, der war voll, aber niemand sonst hat uns geholfen“, sagt Nasiry. Nicht nur er, sondern auch seine Freunde seien geschockt gewesen und hätten nicht gewusst, wie sie reagieren sollen. „Ich habe zu meinen Kumpels gesagt, sie sollen einfach warten, bis die Polizei kommt.“ Noch am Bahnsteig nahm die Polizei die 28-jährige Frau und ihren 40-jährigen Begleiter fest. Bei der Frau wurden 1,4 Promille und bei dem Mann 0,1 Promille gemessen. Die Beamten fotografierten Nasirys Verletzung und riefen einen Rettungswagen. Im Krankenhaus wurde der Riss auf seinen Wunsch hin nur geklebt. „Ich habe Angst vor dem Nähen“, sagt der 26-Jährige.
„Ich habe jetzt wirklich Angst wieder mit der Bahn zu fahren“
Farid Nasiry ist noch immer geschockt: „Ich habe jetzt wirklich Angst, wieder mit der Bahn zu fahren.“ Dort könne man nämlich schlecht weglaufen. In Afghanistan hat er den Krieg miterlebt. „Aber selbst dort hat mich niemand so angefasst.“ Er komme sich seit dem Vorfall in der S-Bahn minderwertig vor, sagt er. „Ich bin nicht nur ein Ausländer, ich bin auch ein Mensch.“ Nasiry lebt seit fast zwei Jahren in Deutschland, er wohnt in Bietigheim.
Dass das aggressive Verhalten Asylbewerbern gegenüber angestiegen ist, legen die Zahlen aus der Polizeistatistik allerdings nahe. Im Jahr 2014 hat die Polizei lediglich zehn Straftaten im Kreis Ludwigsburg gegen Asylbewerber registriert. Im Jahr 2016 waren es 215. „Man muss aber genau hinschauen“, sagt Polizeisprecher Peter Widenhorn. „Meistens handelt es sich um Körperverletzungen in Asylunterkünften.“ Etwa 80 Prozent dieser Straftaten spielten sich dort ab. Im Vergleich zeigt sich aber dennoch ein deutlicher Anstieg der Straftaten, bei denen Asylbewerber zum Opfer wurden – auch außerhalb dieser ersten, oft überfüllten Aufnahmestellen.
„Ich möchte, dass die Menschen bei so etwas nicht wegschauen, sondern helfen“
Jetzt ist Nasiry eigentlich sieben Tage krankgeschrieben. Kopfschmerzen hat er noch immer. Zu Hause sitzen bleiben will er aber dennoch nicht. Er geht trotzdem sofort wieder zur Arbeit. Seit 13 Monaten arbeitet er in einer Elektrofirma in der Produktion. „Ich habe eigentlich einen Bachelor und bin Chemie-Ingenieur.“ Auch seine Chefin und seine ehrenamtliche Betreuerin sind entsetzt und fühlen mit ihrem Schützling mit. Beide bestätigen, dass Nasiry sich sehr gut integriert hat.
Es war sein Wunsch mit dieser Erfahrung an die Presse zu gehen, um Aufmerksamkeit zu erzeugen. „Ich möchte, dass die Menschen bei so etwas nicht wegschauen, sondern helfen“, sagt er. Inzwischen ist eine Anwältin eingeschaltet und der Afghane hat seinerseits Anzeige erstattet. Ermittelt wird wegen des Verdachts der gefährlichen Körperverletzung, das Strafmaß liegt zwischen sechs Monaten und zehn Jahren Haft.
Ergänzung: Die Bundespolizei hat das Geschehen etwas anders in den Protokollen. Wie Sprecher Daniel Kroh am Mittwoch auf Anfrage mitteilte, habe nach den bisherigen Erkenntnissen nicht die Frau, sondern der Mann zugeschlagen. Es sei auch keine Flasche, sondern eine Getränkedose eingesetzt worden. Allerdings habe weder das eine noch das andere sichergestellt werden können. Die Vernehmungen und Zeugenanhörungen seien noch nicht abgeschlossen. Auch die Videoauswertung der Überwachungskameras in der S-Bahn, die über den Ablauf der Ereignisse Aufschlüsse geben könnte, steht noch aus.
Der Mann greift in die Taschen des Rucksacks, der einem von Nasirys Freunden gehört. Der Afghane, der bereits gut Deutsch spricht, sagt: „Du darfst nicht in die Taschen greifen.“ Daraufhin, erzählt er, habe ihn die Frau zunächst mit der flachen Hand ins Gesicht und dann mit einer Bierflasche so stark auf den Kopf geschlagen, dass er ins Wanken gekommen sei und mit einer stark blutenden, drei Zentimeter langen Risswunde an der Stirn am Boden liegen bleibt. „Ich habe mit so etwas nicht gerechnet“, sagt er.
Kein Fahrgast hilft dem jungen Mann, der stark blutend am Boden liegt
Sein Glück ist, dass er so weit vorne in die Bahn eingestiegen ist. Der Lokführer hält kurz darauf im Kornwestheimer Bahnhof an, kümmert sich um den Verletzten und ruft die Polizei. „Es sind viele Leute im Zug gewesen, der war voll, aber niemand sonst hat uns geholfen“, sagt Nasiry. Nicht nur er, sondern auch seine Freunde seien geschockt gewesen und hätten nicht gewusst, wie sie reagieren sollen. „Ich habe zu meinen Kumpels gesagt, sie sollen einfach warten, bis die Polizei kommt.“ Noch am Bahnsteig nahm die Polizei die 28-jährige Frau und ihren 40-jährigen Begleiter fest. Bei der Frau wurden 1,4 Promille und bei dem Mann 0,1 Promille gemessen. Die Beamten fotografierten Nasirys Verletzung und riefen einen Rettungswagen. Im Krankenhaus wurde der Riss auf seinen Wunsch hin nur geklebt. „Ich habe Angst vor dem Nähen“, sagt der 26-Jährige.
„Ich habe jetzt wirklich Angst wieder mit der Bahn zu fahren“
Farid Nasiry ist noch immer geschockt: „Ich habe jetzt wirklich Angst, wieder mit der Bahn zu fahren.“ Dort könne man nämlich schlecht weglaufen. In Afghanistan hat er den Krieg miterlebt. „Aber selbst dort hat mich niemand so angefasst.“ Er komme sich seit dem Vorfall in der S-Bahn minderwertig vor, sagt er. „Ich bin nicht nur ein Ausländer, ich bin auch ein Mensch.“ Nasiry lebt seit fast zwei Jahren in Deutschland, er wohnt in Bietigheim.
Dass das aggressive Verhalten Asylbewerbern gegenüber angestiegen ist, legen die Zahlen aus der Polizeistatistik allerdings nahe. Im Jahr 2014 hat die Polizei lediglich zehn Straftaten im Kreis Ludwigsburg gegen Asylbewerber registriert. Im Jahr 2016 waren es 215. „Man muss aber genau hinschauen“, sagt Polizeisprecher Peter Widenhorn. „Meistens handelt es sich um Körperverletzungen in Asylunterkünften.“ Etwa 80 Prozent dieser Straftaten spielten sich dort ab. Im Vergleich zeigt sich aber dennoch ein deutlicher Anstieg der Straftaten, bei denen Asylbewerber zum Opfer wurden – auch außerhalb dieser ersten, oft überfüllten Aufnahmestellen.
„Ich möchte, dass die Menschen bei so etwas nicht wegschauen, sondern helfen“
Jetzt ist Nasiry eigentlich sieben Tage krankgeschrieben. Kopfschmerzen hat er noch immer. Zu Hause sitzen bleiben will er aber dennoch nicht. Er geht trotzdem sofort wieder zur Arbeit. Seit 13 Monaten arbeitet er in einer Elektrofirma in der Produktion. „Ich habe eigentlich einen Bachelor und bin Chemie-Ingenieur.“ Auch seine Chefin und seine ehrenamtliche Betreuerin sind entsetzt und fühlen mit ihrem Schützling mit. Beide bestätigen, dass Nasiry sich sehr gut integriert hat.
Es war sein Wunsch mit dieser Erfahrung an die Presse zu gehen, um Aufmerksamkeit zu erzeugen. „Ich möchte, dass die Menschen bei so etwas nicht wegschauen, sondern helfen“, sagt er. Inzwischen ist eine Anwältin eingeschaltet und der Afghane hat seinerseits Anzeige erstattet. Ermittelt wird wegen des Verdachts der gefährlichen Körperverletzung, das Strafmaß liegt zwischen sechs Monaten und zehn Jahren Haft.
Ergänzung: Die Bundespolizei hat das Geschehen etwas anders in den Protokollen. Wie Sprecher Daniel Kroh am Mittwoch auf Anfrage mitteilte, habe nach den bisherigen Erkenntnissen nicht die Frau, sondern der Mann zugeschlagen. Es sei auch keine Flasche, sondern eine Getränkedose eingesetzt worden. Allerdings habe weder das eine noch das andere sichergestellt werden können. Die Vernehmungen und Zeugenanhörungen seien noch nicht abgeschlossen. Auch die Videoauswertung der Überwachungskameras in der S-Bahn, die über den Ablauf der Ereignisse Aufschlüsse geben könnte, steht noch aus.