Der Krankenhauskeim Pseudomonas aeruginosa verursacht lebensbedrohliche Lungenentzündungen. Schweizer Forscher haben nun herausgefunden, wie es dem Bakterium gelingt, die Lungenabwehr zu überlisten.
Pseudomonas aeruginosa zählt zu den weltweit gefährlichsten Krankenhauskeimen. Der Erreger befällt Atemwege und Lunge, was für immungeschwächte Menschen lebensbedrohlich sein kann. Eine Schweizer Forschergruppe hat nun herausgefunden, wie das Bakterium in die Lunge gelangt.
Das Team züchtete Lungenorganoide (3D-Kulturen aus Stammzellen, welche die zellukläre Komplexität und Funktionalität menschlicher Organe nachahmen) und beobachtete dann, mit welch ausgeklügelter Strategie der Erreger die Verteidigungslinie der Lunge durchbricht. Die Ergebnisse wurden im Fachmagazin „Nature Microbiology“ veröffentlicht.
Barriere aus Schleim gegen Erreger
Unser gesamter Atemtrakt ist mit einer spezialisierten Schleimhaut ausgekleidet, welche die tieferen Schichten des Lungengewebes schützt. Die Schleimhaut besteht aus Millionen von Zellen mit beweglichen Härchen, den Flimmerhärchen, zwischen denen schleimbildende Becherzellen sitzen.
Deren Schleim verhindert, dass Mikroorganismen und damit auch Krankheitserreger tief in die Lunge eindringen. Dafür bildet er eine fast undurchdringliche Barriere. Ausgerechnet Pseudomonas aeruginosa ist allerdings in der Lage, diese Barriere zu durchbrechen.
Infektion eine der häufigsten Ursachen von Lungenentzündungen
Diese Bakterien gehören zu den Krankenhauskeimen und laut Robert Koch-Institut (RKI) in Berlin zu den häufigsten Ursachen von Lungenentzündungen, die in Zusammenhang mit Klinik-Aufenthalten auftreten und vor allem für immungeschwächte und beatmete Patienten lebensgefährlich sind.
Die Weltgesundheitsorganisation WHO zählt Pseudomonas aeruginosa zu den zwölf weltweit gefährlichsten bakteriellen Pathogenen, die gegen mehrere Antibiotika resistent sind.
Wie die Erreger die Schleim-Barriere überwinden
Doch wie schafft es der Erreger, die Schleim-Barriere zu durchdringen? Hinweise liefern die Lungenorganoide einer Schweizer Forscher, die aus menschlichen Stammzellen gewonnen und mit dem Erreger infiziert wurden.
„Wir haben menschliches Lungenmikrogewebe gezüchtet, das den Infektionsprozess im Körper eines Patienten realistisch nachahmt“, erklärt Urs Jenal vom Biozentrum der Universität Basel. „Diese Lungenmodelle ermöglichten es uns, die Infektionsstrategie des Erregers aufzudecken.“
Ausgeklügelte Infektionsstrategie
Tatsächlich wendeten die Bakterien eine ausgeklügelte Strategie an, um in das Barrieregewebe einzudringen. So heißt es in der Studie:
- Erste Infektionsphase: „In der ersten Phase der Infektion breitet sich Pseudomonas aeruginosa rasch aus, indem es die in der Schleimschicht verfügbaren Nährstoffe nutzt.“ In dieser Anfangsphase kommen nur wenige Bakterien mit der Gewebeoberfläche in Kontakt und das Gewebe bleibt intakt.
- Zweite Infektionsphase: „In der nächsten Phase des Infektionsprozesses beginnt Pseudomonas aeruginosa, sich an das darunter liegende Epithelgewebe zu heften und es anzugreifen, möglicherweise weil der Schleim erschöpft ist, was sich in einem Stillstand des Erregerwachstums zeigt.“
- Dritte Infektionsphase: Dann nutzen die Bakterien die schleimproduzierenden Becherzellen als trojanische Pferde. „Indem sie die Becherzellen angreifen, die nur einen kleinen Teil der Lungenschleimhaut ausmachen, können die Bakterien die Verteidigungslinie durchbrechen und das Tor öffnen“, so Jenal.
Erreger siedeln sich an Schwachstellen des Immunsystems an
Die Erreger griffen die Becherzellen mit geballter Wucht an, drängen in sie ein, vermehrten sich und brächten die Zellen schließlich dazu, zu platzen und damit abzusterben, erläutern die Wissenschaftler.
Das Platzen der toten Zellen führe wiederum zu Rissen in der Barriere und damit zu undichten Stellen, welche von den Bakterien umgehend ausgenutzt würden: Schnell siedelten sich diese an den Schwachstellen an, von wo aus sie sich in tiefere Geweberegionen ausbreiteten.
Wirksamere Strategien im Kampf gegen die Erreger
„Dank der Entwicklung menschlicher Lungenorganoide verstehen wir jetzt viel besser, wie sich die Erreger in menschlichem Gewebe und vermutlich auch in Patienten verhalten“, fasst Jenal die Forschungsergebnisse zusammen.
Organoide der menschlichen Lunge und anderer Organe wie der Blase erlaubten es den Forschern, die Wirkung von Antibiotika im Gewebe zu untersuchen und beispielsweise festzustellen, wo und wie Bakterien während der Behandlung überleben. Sie seien damit in Zukunft für die Entwicklung neuer und wirksamer Strategien zur Bekämpfung von Krankheitserregern unverzichtbar.