Als Busfahrer im Linienverkehr in und um Stuttgart lebt es sich nicht ungefährlich: Statt Fahrkarten gibt es böse Worte, fliegende Fäuste oder Attacken mit Reizgas.
Stuttgart - Man kann nicht gerade behaupten, dass die beschauliche Bushaltestelle in Büsnau von Fahrgästen überrannt würde. Vor allem nicht abends gegen halb acht – da kann ein Busfahrer auch schon mal genauer aufs Ticket schauen. Nächster Halt für Buslinie 81: Ob dem Steinbach. Eine Frau, ein Teenager und ein Mann mit schwarzem Oberlippenbart und schwarzer Bomberjacke steigen ein – doch die Fahrkarte ist nicht mehr gültig. Der 48-jährige Busfahrer stellt klar: Bitte ein neues Ticket kaufen oder wieder aussteigen. Dann eskaliert die Situation im beschaulichen Büsnau.
Die Frau schimpft wie ein Rohrspatz, der 48-Jährige lässt sich aber nicht erweichen. Die drei wollen nicht zahlen, sie müssen wieder aussteigen. Der Busfahrer schließt die Türen, denn auch die Linie 81 zwischen Büsnau und Dürrlewang sollte pünktlich sein. Plötzlich schiebt der Mann von draußen seine Hand durch die Gummilippen der Tür – und besprüht den Fahrer mit Reizgas. Außerdem spuckt der Täter noch mal kräftig auf die Scheibe, dann eilt das Trio davon. Der Busfahrer muss vom Rettungsdienst ambulant behandelt werden. Ob die Polizei den Täter erwischen wird?
„Übergriffe nehmen dramatisch zu“
Übergriffe gegen Menschen im öffentlichen Dienst gehören inzwischen zum Alltag. Was die Polizei schon seit Längerem beklagt, trifft jetzt auch verstärkt eine spezielle Berufsgruppe: Busfahrer. Auf den Linien des Verkehrsverbunds in und um Stuttgart häufen sich die Fälle. Bei Betroffenen im Fahrdienst der Stuttgarter Straßenbahnen (SSB) ist die Lage eindeutig: „Die Übergriffe nehmen dramatisch zu“, sagt Thomas Asmus, erfahrener Busfahrer und bis vor Kurzem noch Sprecher des Fahrdienstausschusses. Die Dunkelziffer der Pöbeleien und Beleidigungen sei hoch, weil viele Fahrer aus Resignation die Sache auf sich beruhen ließen.
Nicht nur in Stuttgart, im ganzen Gebiet des Verkehrsverbunds: Vor einer Woche hat es einen 32-jährigen Busfahrer der Linie 460 in Steinheim (Kreis Ludwigsburg) getroffen. Als er die Haltestelle am Bahnweg anfährt, tritt eine Gruppe junger Männer grundlos gegen den Bus. Er will die Burschen zur Rede stellen, öffnet die Tür – und bekommt sofort mehrere Schläge ins Gesicht verpasst.
Im Gegensatz zu Büsnau wird der Steinheimer Täter bei der Fahndung schnell erwischt. „Ein alkoholisierter 20-Jähriger“, sagt Polizeisprecherin Tatjana Wimmer, „er war der Polizei auch schon zuvor wegen Ruhestörung gemeldet worden“. Überhaupt Steinheim: Im März stieg ein betrunkener Fahrgast vorzeitig aus, indem er sich mit einem Nothammer durch eine Seitenscheibe schlug. In Ludwigsburg gibt es ebenfalls Zwischenfälle: In einem Linienbus in der Hindenburgstraße randalierte Mitte Januar ein 29-Jähriger gegen zwei Kontrolleure. Er zerstörte ein Kontrollgerät im Wert von 2000 Euro. Warum, ist unklar. Der 29-Jährige hatte einen Fahrschein.
Vorne einsteigen – ein brisanter Streitpunkt
Dabei müssen es nicht immer Prügel sein. „Es gibt häufig verbale Bedrohungen“, sagt ein SSB-Busfahrer, „fehlender Respekt ist aber ein gesellschaftliches Problem“. Der Mann ist 60, fährt seit 26 Jahren im Linienverkehr. Und sieht zunehmende Probleme seit der Pflicht zum Vordereinstieg. „Wenn man drauf besteht, gibt es oft Ärger“, sagt er. Viele sehen es auch nicht ein, ihre Karte zu zeigen. Bei der Stadtbahn müsse man das doch auch nicht, heißt es dann, da könne man auch alle Türen benutzen. Viele Kollegen hätten resigniert, sagt der Fahrer.
Die Handlungsanweisung ist klar: Macht ein Fahrgast wegen des Tickets Ärger, dann geht Eigensicherung vor. „Die Leitstelle informieren, die übernimmt dann“, heißt es bei den SSB. Die Busfahrer aber wissen: Meist wird eben nichts unternommen, weil sich auf die Schnelle keine Polizeistreife finden lässt. „Im Grundsatz geht es immer darum, die Lage zu deeskalieren“, sagt SSB-Sprecherin Birte Schaper.
Wie häufig Pöbeleien, Beleidigungen und Übergriffe vorkommen, wird bei den SSB nicht dokumentiert. Wie es intern heißt, gebe es aber etwa zehn bis 20 Meldungen an die Berufsgenossenschaft, die bei vorübergehender Dienstunfähigkeit erforderlich seien. Diese Zahl sei aber „nur die Spitze des Eisbergs“, heißt es.
Und dann greift der Fahrer zur Selbsthilfe...
Immerhin verzeichnet die Polizei auch Ermittlungserfolge: Der Reizgas-Sprayer von Büsnau wurde doch noch erwischt. „Die Videoaufnahmen haben weitergeholfen“, sagt Polizeisprecher Tobias Tomaszewski. Denn der Mann mit Schnauzer ist beim Polizeiposten Vaihingen kein Unbekannter: „Ein 37-Jähriger, ohne offiziell festen Wohnsitz, wegen mehrerer Straftaten anhängig“, sagt Tomaszewski. Gegen ihn wird wegen gefährlicher Körperverletzung ermittelt.
Manchmal bekommt die Polizei solche Rabauken auch auf dem Silbertablett. Die Buslinie 74, die Stuttgart-Degerloch mit Nürtingen (Kreis Esslingen) verbindet, hat einen Vorteil: Sie führt in Nürtingen in der Europastraße direkt am Polizeirevier vorbei. „Wenn einer Ärger macht und sich nicht überzeugen lässt, halte ich vor dem Revier, Warnblinker an, und klingle“, sagt der 60-jährige Busfahrer. Das habe er bereits viermal erfolgreich praktiziert. Die Beamten bekämen den Rabauken frei Haus.
Die Frau schimpft wie ein Rohrspatz, der 48-Jährige lässt sich aber nicht erweichen. Die drei wollen nicht zahlen, sie müssen wieder aussteigen. Der Busfahrer schließt die Türen, denn auch die Linie 81 zwischen Büsnau und Dürrlewang sollte pünktlich sein. Plötzlich schiebt der Mann von draußen seine Hand durch die Gummilippen der Tür – und besprüht den Fahrer mit Reizgas. Außerdem spuckt der Täter noch mal kräftig auf die Scheibe, dann eilt das Trio davon. Der Busfahrer muss vom Rettungsdienst ambulant behandelt werden. Ob die Polizei den Täter erwischen wird?
„Übergriffe nehmen dramatisch zu“
Übergriffe gegen Menschen im öffentlichen Dienst gehören inzwischen zum Alltag. Was die Polizei schon seit Längerem beklagt, trifft jetzt auch verstärkt eine spezielle Berufsgruppe: Busfahrer. Auf den Linien des Verkehrsverbunds in und um Stuttgart häufen sich die Fälle. Bei Betroffenen im Fahrdienst der Stuttgarter Straßenbahnen (SSB) ist die Lage eindeutig: „Die Übergriffe nehmen dramatisch zu“, sagt Thomas Asmus, erfahrener Busfahrer und bis vor Kurzem noch Sprecher des Fahrdienstausschusses. Die Dunkelziffer der Pöbeleien und Beleidigungen sei hoch, weil viele Fahrer aus Resignation die Sache auf sich beruhen ließen.
Nicht nur in Stuttgart, im ganzen Gebiet des Verkehrsverbunds: Vor einer Woche hat es einen 32-jährigen Busfahrer der Linie 460 in Steinheim (Kreis Ludwigsburg) getroffen. Als er die Haltestelle am Bahnweg anfährt, tritt eine Gruppe junger Männer grundlos gegen den Bus. Er will die Burschen zur Rede stellen, öffnet die Tür – und bekommt sofort mehrere Schläge ins Gesicht verpasst.
Im Gegensatz zu Büsnau wird der Steinheimer Täter bei der Fahndung schnell erwischt. „Ein alkoholisierter 20-Jähriger“, sagt Polizeisprecherin Tatjana Wimmer, „er war der Polizei auch schon zuvor wegen Ruhestörung gemeldet worden“. Überhaupt Steinheim: Im März stieg ein betrunkener Fahrgast vorzeitig aus, indem er sich mit einem Nothammer durch eine Seitenscheibe schlug. In Ludwigsburg gibt es ebenfalls Zwischenfälle: In einem Linienbus in der Hindenburgstraße randalierte Mitte Januar ein 29-Jähriger gegen zwei Kontrolleure. Er zerstörte ein Kontrollgerät im Wert von 2000 Euro. Warum, ist unklar. Der 29-Jährige hatte einen Fahrschein.
Vorne einsteigen – ein brisanter Streitpunkt
Dabei müssen es nicht immer Prügel sein. „Es gibt häufig verbale Bedrohungen“, sagt ein SSB-Busfahrer, „fehlender Respekt ist aber ein gesellschaftliches Problem“. Der Mann ist 60, fährt seit 26 Jahren im Linienverkehr. Und sieht zunehmende Probleme seit der Pflicht zum Vordereinstieg. „Wenn man drauf besteht, gibt es oft Ärger“, sagt er. Viele sehen es auch nicht ein, ihre Karte zu zeigen. Bei der Stadtbahn müsse man das doch auch nicht, heißt es dann, da könne man auch alle Türen benutzen. Viele Kollegen hätten resigniert, sagt der Fahrer.
Die Handlungsanweisung ist klar: Macht ein Fahrgast wegen des Tickets Ärger, dann geht Eigensicherung vor. „Die Leitstelle informieren, die übernimmt dann“, heißt es bei den SSB. Die Busfahrer aber wissen: Meist wird eben nichts unternommen, weil sich auf die Schnelle keine Polizeistreife finden lässt. „Im Grundsatz geht es immer darum, die Lage zu deeskalieren“, sagt SSB-Sprecherin Birte Schaper.
Wie häufig Pöbeleien, Beleidigungen und Übergriffe vorkommen, wird bei den SSB nicht dokumentiert. Wie es intern heißt, gebe es aber etwa zehn bis 20 Meldungen an die Berufsgenossenschaft, die bei vorübergehender Dienstunfähigkeit erforderlich seien. Diese Zahl sei aber „nur die Spitze des Eisbergs“, heißt es.
Und dann greift der Fahrer zur Selbsthilfe...
Immerhin verzeichnet die Polizei auch Ermittlungserfolge: Der Reizgas-Sprayer von Büsnau wurde doch noch erwischt. „Die Videoaufnahmen haben weitergeholfen“, sagt Polizeisprecher Tobias Tomaszewski. Denn der Mann mit Schnauzer ist beim Polizeiposten Vaihingen kein Unbekannter: „Ein 37-Jähriger, ohne offiziell festen Wohnsitz, wegen mehrerer Straftaten anhängig“, sagt Tomaszewski. Gegen ihn wird wegen gefährlicher Körperverletzung ermittelt.
Manchmal bekommt die Polizei solche Rabauken auch auf dem Silbertablett. Die Buslinie 74, die Stuttgart-Degerloch mit Nürtingen (Kreis Esslingen) verbindet, hat einen Vorteil: Sie führt in Nürtingen in der Europastraße direkt am Polizeirevier vorbei. „Wenn einer Ärger macht und sich nicht überzeugen lässt, halte ich vor dem Revier, Warnblinker an, und klingle“, sagt der 60-jährige Busfahrer. Das habe er bereits viermal erfolgreich praktiziert. Die Beamten bekämen den Rabauken frei Haus.