Stürmisch unterwegs: Serge Gnabry hat in 19 Länderspielen bereits 15 Treffer erzielt. Serge Gnabry erzielte 15 Tore in 19 Länderspielen. Foto: AFP/Ina Fassbender

Serge Gnabry spielt nicht nur wegen seiner Tore eine wichtige Rolle in der deutschen Nationalmannschaft, aber vor dem Spiel gegen Nordmazedonien gibt es im Angriff auch Probleme.

Düsseldorf/Stuttgart - Wenn Fußballer aus verschiedenen Generationen zusammentreffen, dann gibt es eine beliebte Frage, die diskutiert wird: Würden die Helden von einst auch in der Moderne noch ihren Mann stehen, da sich das Spiel extrem beschleunigt hat? Konkret lässt sich dieses verbale Hin und Her an einer Person festmachen: Gerd Müller. Würden dem einstigen Mittelstürmer der deutschen Nationalelf also noch genauso viele Tore gelingen wie in den 1970er Jahren?

Die Alten sagen Ja, die Jungen Nein – und das Gute an der jeweiligen Antwort ist, dass sich das Gegenteil nie belegen lassen wird. Fakt bleibt jedoch: Müller, mittlerweile 75 Jahre alt und krank, erzielte in 62 Länderspielen 68 Tore. Das entspricht einer Torquote von 1,10 pro Spiel – einmalig. Auf Platz zwei in dieser Rangliste liegt Serge Gnabry. Der Angreifer des FC Bayern weist nach seinem 1:0-Siegtreffer in Rumänien 0,79 aus. Oder anders ausgedrückt: Nach erst 19 Länderspielen kommt er schon auf 15 Tore.

Für Gerd Müller gab es nur eine Währung

Dabei ist Gnabry gar kein Mittelstürmer, jedenfalls kein klassischer. In München greift er über die Außenbahnen an, da dort ja ein gewisser Robert Lewandowski im Zentrum des Sturms steht. Bei Joachim Löw nimmt Gnabry eine andere Rolle ein, denn der Bundestrainer schätzt dessen Flexibilität. „Er ist extrem wichtig, als Ballverteiler und an vorderster Stelle“, sagt Löw.

Der 25-Jährige ist also ein ganz anderer Spielertyp als Müller. Der legendäre Torjäger des FC Bayern hatte sein Revier genau abgesteckt: den Strafraum. Dort war er so handlungsschnell und instinktsicher wie kein anderer – und damals gab es nur eine Währung für Stürmer: Tore.

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Heute werden auch Laufgeschwindigkeiten gemessen und Laufwege vermessen. Gnabry ist da gut unterwegs, und mit Leroy Sané und Kai Havertz hat er in den WM-Qualifikationspartien in Bukarest und zuvor gegen Island (3:0) die erste Sturmreihe gebildet. Sie bringen Schwung, aber gibt es nicht einen Mangel an Möglichkeiten in der Angriffsmitte? „Alle drei Spieler stellen immer wieder verschiedene Ebenen her: Die einen kommen, die anderen gehen tief. Das müssen wir noch optimieren“, sagt Löw, der Havertz einen neuen Part zugedacht hat.

Der Edeltechniker vom FC Chelsea spielte nominell auf der rechten Seite, wechselte mit Gnabry immer wieder die Positionen. Diese Freiräume, die ihm auch sein neuer Clubtrainer Thomas Tuchel gewährt, tun Havertz gut. Denn nach seinem Wechsel von Bayer Leverkusen in die Premier League hatte der 21-Jährige Anpassungsschwierigkeiten (Verletzung, Corona-Erkrankung, Formschwäche).

Timo Werner muss kämpfen

Jetzt schwächelt sein Londoner Teamkollege Timo Werner. Vor wenigen Monaten noch im Angriff gesetzt, muss er sich einen Platz in der Nationalmannschaft zurückerobern. „Seine Chance wird kommen, vielleicht schon am Mittwoch“, sagt Löw. Da geht es in Duisburg gegen Nordmazedonien, um die nächsten Zähler für die WM-Qualifikation und die nächsten Fleißpunkte für die EM-Nominierung.

Angreifer hat Löw (Thomas Müller ist auch noch da) ausreichend zur Auswahl – nur eben keinen Mittelstürmer, der so komplett wie Lewandowski (Polen), so wuchtig wie Erling Haaland (Norwegen) oder so groß und ballfertig wie Sasa Kalajdzic (Österreich) ist. Doch braucht es den, um einen Titel zu gewinnen? Die Alten würden wohl Ja sagen, die Jungen Nein.