Unmut gegen Flüchtlinge: 19 Angriffe auf Asylunterkünfte gab es 2014 in Baden-Württemberg. Foto: dpa

19 rechtsextrem motivierte Angriffe auf Flüchtlingsunterkünfte gab es nach Angaben des Innenministeriums 2014 in Baden-Württemberg. Wissenschaftler Kurt Möller spricht von latentem Unmut gegen Flüchtlinge in der Bevölkerung.

Stuttgart - „Tröglitz ist überall“, hatte Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff nach dem Brandanschlag auf eine geplante Flüchtlingsunterkunft gesagt: Solche Attacken seien „ein bundesweites Problem“. Tatsächlich ist die Zahl der Übergriffe auf Asylbewerberunterkünfte oder Flüchtlingswohnheime in Deutschland in den vergangenen Jahren erheblich gestiegen: 162 rechtsextrem motivierte Straftaten registrierte die Polizei 2014 bundesweit. Das sind mehr als siebenmal so viele Übergriffe auf Unterkünfte für Asylbewerber wie noch im Jahr 2012 und dreimal so viele wie 2013.

Auch Baden-Württemberg ist da nicht außen vor: 19 Angriffe auf Flüchtlingsunterkünfte gab es nach Angaben des Innenministeriums 2014 landesweit. Erst am Wochenende hatten Unbekannte eine Plastikflasche mit Fäkalien auf eine Flüchtlingsunterkunft in Sindelfingen geworfen.

Der Rechtsextremismus im Land ist in den vergangenen Jahren zwar zahlenmäßig zurückgegangen – vor allem im Hinblick auf organisierte Rechte. „Gleichzeitig allerdings steigt die Qualität der Gefährdung dadurch, dass bis zu 50 Prozent dieser Personen inzwischen gewaltbereit sind“, sagt Kurt Möller, der an der Hochschule Esslingen zu Rechtsextremismus und Menschenfeindlichkeit forscht.

„Latente Haltungen“ in der Mitte der Bevölkerung

„Wir haben sozusagen einen quantitativen Rückgang bei einer qualitativen Verschärfung. Man kann davon ausgehen, dass die eher wenigen dann auch entsprechend ideologisch gefestigt sind“, so Möller. Das Problem seien folglich weniger rechtsextreme Organisationen oder Zusammenschlüsse, sondern vielmehr die „latenten Haltungen“ in der Mitte der Bevölkerung, meint der Extremismusforscher.

Deutschlandweit gibt es offenbar ein hohes Maß an Ressentiments und gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit: Fast die Hälfte der Deutschen sieht asylsuchende Menschen abwertend. Das geht aus einer Studie der Friedrich-Ebert Stiftung und des Instituts für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung an der Universität Bielefeld aus dem Jahr 2014 hervor.

In den westlichen Bundesländern liegt die Zustimmung zu ausländerfeindlichen Aussagen demnach bei durchschnittlich 20 Prozent. In Baden-Württemberg ist der Wert für Fremdenfeindlichkeit unter dem Bundesdurchschnitt. Die Einstellung zu ethnischem Rassismus, der auch Bürger mit Migrationshintergrund trifft, sowie die Zustimmung zu antisemitischen Aussagen sind in Baden-Württemberg im Bundesvergleich allerdings relativ hoch. Zu solchen Einstellungen gehöre beispielsweise ein gewisser Unmut über die Unterbringung von Flüchtlingen oder die Angst, dass „unsere Töchter“ nicht mehr sicher sind, sagte Möller.

Für problematisch hält es der Wissenschaftler, dass es kaum Untersuchungen zu rechtsextremen Entwicklungen im Südwesten gibt: „Wenn man die Situation nicht genau beobachtet oder die Qualität der Gefährdung nicht kennt, kann man auch keine adäquaten Gegenstrategien entwickeln.“