Sozialministerin Andrea Nahles (SPD) will bis 2020 ein gleiches Rentenrecht in Ost und West. Foto: dpa

Die Sozialministerin Andrea Nahles will 30 Jahre nach der Wiedervereinigung die Renten in Ost und West angleichen. Dagegen gibt es aber gerade bei den ostdeutschen CDU-Abgeordneten heftigen Widerstand. Sie befürchten Nachteile für die Beschäftigten.

Berlin - Es ist kein Zufall, dass Sozialministerin Andrea Nahles (SPD) ihre Pläne während eines Wahlkampfauftritts in Schwerin bekannt gibt. In Mecklenburg-Vorpommern wird im September gewählt. Nahles, die früher SPD-Generalsekretärin war, ist an die Küste gereist, um den Ministerpräsidenten von Mecklenburg-Vorpommern, Erwin Sellering (SPD), zu unterstützen. Die Rentenpläne sollen als Wahlkampfhilfe dienen. Nahles will 30 Jahre nach der Wiedervereinigung die Ost-Renten an das Westniveau anpassen. Bis 2020 soll es kein unterschiedliches Rentenrecht in Deutschland mehr geben. Das soll in zwei Schritten erreicht werden. Im Bundestagswahlkampf 2017 will die große Koalition die frohe Kunde unter die Wähler bringen, dass 2018 die Renten im Osten kräftig zulegen. Mit einem weiteren Aufschlag im Jahr 2020 soll dann die Angleichung vollendet sein. Falls das Vorhaben umgesetzt wird, bedeutet es, dass die Rentensteigerungen im Osten 2018 und 2020 um jeweils drei Prozentpunkte über der Anpassung in den alten Bundesländern liegen. Bisher beträgt der Rentenwert Ost 94,1 Prozent des Westwerts.

Nahles hat sich mit Schäuble nicht abgestimmt

Das Sozialministerium hat den Entwurf für ein „Rentenüberleitungs-Abschlussgesetz“ fertiggestellt. Doch das geplante Gesetz ist mit anderen Ministerien noch nicht abgestimmt. Auffällig ist, dass Nahles in einem frühen Stadium vorprescht. Ihren Entwurf hat Nahles bisher dem Kanzleramt zur Koordination übermittelt. Doch Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) ist nach Informationen dieser Zeitung nicht eingeweiht. Schäuble soll nach Nahles’ Plan die Zeche zahlen. Die Ministerin will vermeiden, dass zusätzliche Milliardenkosten erneut den Beitragszahlern aufgebürdet werden. Schon für das teure Rentenpaket der großen Koalition, zu dem die Rente mit 63 und die Mütterrente gehören, müssen Arbeitnehmer und Arbeitgeber mit ihren Beiträgen aufkommen. Die Rentenversicherung muss in den nächsten Jahren gewaltige Ausgaben verkraften. Ein Sprecher der Deutschen Rentenversicherung Bund stellte klar, dass die Angleichung der Ost-Renten nicht von Beitragsgeldern bezahlt werden soll. Bei den Plänen der Sozialministerin handele es sich um eine außerplanmäßige Angleichung, für die der Steuerzahler aufkommen müsse. Weil absehbar ist, dass die Rücklagen der Rentenversicherung zum Ende des Jahrzehnts ohnehin abschmelzen, will die Ministerin die Rechnung an Finanzminister Wolfgang Schäuble weiterreichen. Nahles will das Geld aus dem Haushalt nehmen. Das ist keine Kleinigkeit: Die Kosten belaufen sich von 2018 bis 2020 auf 7,5 Milliarden Euro.

Widerstand kommt von ostdeutschen Abgeordneten

Mit Widerstand muss Nahles nicht nur wegen der Kosten rechnen. Gegenwind kommt vor allem aus Ostdeutschland, weil Nahles mit der Angleichung auch Vorzüge für ostdeutsche Beschäftigte streichen will. Die Tücke liegt in den Einzelheiten. Der Rentenwert ist im Osten zwar geringer. Um einen Ausgleich für die niedrigeren Löhne in Ostdeutschland zu schaffen, werden die Beitragszahler im Osten aber begünstigt. Jeder Euro, der in den neuen Ländern in die gesetzliche Rente eingezahlt wird, führt zu einem höheren Rentenanspruch als im Westen. Grund dafür ist eine Höherbewertung. Der Vorteil beträgt 8,5 Prozent. Wie viel das ausmacht, zeigt ein Beispiel: Ein Beschäftigter aus Stuttgart verdient im Jahr 2016 mit 36 267 Euro brutto genauso viel wie ein Arbeitnehmer aus Dresden. Der Angestellte aus Stuttgart hat mit seinem Verdienst einen Entgeltpunkt in der Rentenversicherung erworben. Nach den Entgeltpunkten richtet sich die spätere Rentenhöhe. Das Jahreseinkommen des Beitragszahlers in Dresden wird rechnerisch auf 41 631 Euro Jahresverdienst aufgewertet. Der Beschäftigte aus Sachsen erhält dafür 1,1479 Entgeltpunkte gutgeschrieben. Der Ostdeutsche hat trotz niedrigeren Rentenwerts eine höhere Anwartschaft.

Nahles will die Höherbewertung abschaffen. Der CDU-Rentenexperte Peter Weiß, der die Angleichung der Rentenwerte unterstützt, hält das für folgerichtig. „Die Trennung des Rentenrechts ist nicht mehr einzusehen“, sagte Weiß. Widerstand kommt aber von den ostdeutschen Bundestagsabgeordneten. Die ostdeutsche CDU-Sozialpolitikerin Jana Schimke sagte, die Unterschiede in der wirtschaftlichen Entwicklung spiegelten sich in verschiedenen Rentenwerten wider. Nahles’ Pläne sieht die CDU-Frau kritisch, da das Rentenkonzept die ostdeutschen Arbeitnehmer benachteilige. „Das wird die Union so nicht unterstützen“, sagte Schimke dieser Zeitung. Ein Parlamentarier bringt das auf den Nenner: „Die jetzigen Rentner im Osten profitieren, die Beschäftigten sind die Verlierer.“