Martin Georg Cohns Buch „Vetternwirtschaft“ ruft heftige Reaktionen in Leonberg hervor. Foto: Simon Granville

Von „Egotrip“ bis „Verunglimpfung“: CDU-Chef Oliver Zander und SPD-Fraktionschef Ottmar Pfitzenmaier werfen dem schreibenden Leonberger Oberbürgermeister „nicht belegbare“ Pauschalangriffe vor.

Ist der Schwabe als solcher eher missgünstig und neidisch? Kann man mit ihm nur zusammenarbeiten, wenn die gegenseitige Chemie stimmt? Werden politische Entscheidungen lieber im Hinterzimmer statt auf offener Ratsbühne getroffen? Und ist der Gemeinderat für so manchen ein ideales Gremium, um geschäftliche Vorteile in Form von Informationsvorsprüngen und Kontakten zu bekommen?

All diese Fragen beantwortet der Leonberger Oberbürgermeister durchaus mit Ja. Zumindest schildert Martin Georg Cohn (SPD) in seinem BuchVetternwirtschaft“ Szenen und Situationen, in denen Menschen aus dem Südwesten im Allgemeinen und aus Leonberg im Besonderen solcherlei Eigenschaften an den Tag legen.

Eigenschaften, die dem gebürtigen Sauerländer, der sich selbst als „geradeheraus“ bezeichnet, überhaupt nicht gefallen. In den von ihm verfassten Szenarien des vermeintlichen Klüngels auf schwäbische Art nennt er zwar keine Namen, doch am Engelberg dürften die meisten wissen, um welche Akteure aus dem kommunalpolitischen Umfeld es sich jeweils handelt.

Erinnerung an Bundestagsbewerbung

Einer von ihnen ist Oliver Zander. Der Stadtverbandsvorsitzende der CDU gehört dem Leonberger Gemeinderat und dem Bundesvorstand der christdemokratischen Mittelstandsvereinigung MIT an und hat mit dem sozialdemokratischen Oberbürgermeister schon so manche Meinungsverschiedenheit ausgetragen.

Dafür, so empfindet es Zander, bekommt er im Buch nun die Quittung. Der schreibende Oberbürgermeister geißelt, dass der CDU-Chef ihn, Cohn, auf einem Neujahrsempfang gleich viermal attackiert habe: „Dass der Oppositionsführer so verbissen an meinen Waden hängt, hat wohl irgendwie nicht zuletzt mit einer Art Neid zu tun, schließlich wollte man doch selbst einmal hoch hinaus“, spielt Cohn auf Zanders vergeblichen Versuch an, als Abgeordneter in den Bundestag zu kommen.

„Der Spaß hört auf“

Ihm Neid zu unterstellen, hält Oliver Zander für unfair. „Ich fühle mich schon getroffen“, sagt der Leonberger CDU-Chef. Zumal er seine Kritik „immer sachlich“ vorgetragen habe. „Und dass man den OB nicht mehr kritisieren darf, ist mir neu.“

All das sei indes nicht nur eine persönliche Angelegenheit: „Herr Cohn diskreditiert pauschal das komplette ehrenamtliche Engagement des Gemeinderats. Wenn er einzelnen Stadträten unterstellt, sie wären nur um des persönlichen Vorteils willen im Gremium, hört der Spaß auf.“

„Er kann ja den Lebensmittelpunkt verlegen“

Auch Cohns Ausführungen über die schwäbische Mentalität hält Zander für eine „Verunglimpfung unserer Kultur“. Schließlich spreche der wirtschaftliche Erfolg für die hiesige Praxis: „Mit unserer Art sind wir nie schlecht gefahren. Baden-Württemberg ist der zweitgrößte Nettozahler im bundesweiten Finanzausgleich. Das vom Oberbürgermeister gepriesene Niedersachsen ist der viertgrößte Empfänger.“ Zanders Empfehlung an Cohn: „Wenn es ihm hier nicht gefällt, steht es ihm ja frei, seinen Arbeits- und Lebensmittelpunkt aus Leonberg weg zu verlegen.“

Dass das Buch just in einer Phase erscheine, in der „die Atmosphäre an der Verwaltungsspitze vergiftet ist“, bedeute einen „nachhaltigen Schaden für Leonberg und die Arbeitssituation in der Stadtverwaltung“, sagt der CDU-Chef mit Blick auf das zerrüttete Verhältnis zwischen dem Oberbürgermeister und seiner Stellvertreterin, Josefa Schmid (FDP). Die Erste Bürgermeisterin hatte ihren Chef angezeigt, weil dieser nach einer mutmaßlichen Geschwindigkeitsübertretung versucht habe, das Verfahren zu beeinflussen.

„Wer was zu verantworten hat, das müssen Staatsanwaltschaft und das Regierungspräsidium klären“, sagt Zander. Im Rathaus jedenfalls sei die Stimmung am Boden: „Immer mehr Führungskräfte sind „wechselbereit“. Zander will nun auch das Gespräch mit den anderen Fraktionen suchen, um zu klären, „wie wir mit dieser besonderen Situation im Sinne Leonbergs umgehen können“.

„Ziemlich sauer“ ist Ottmar Pfitzenmaier. „Das ist ein Buch voller pauschaler subjektiver Behauptungen und Anschuldigungen zum maximal unpassenden Zeitpunkt“, sagt der Chef der SPD-Fraktion. Wobei er betont, dass „für die schlechte Stimmung im Rathaus zuvorderst zwei Personen verantwortlich sind“, nämlich Cohn und Schmid.

„Mehr Selbstreflektion“

Die Leonberger Kapitel in Cohns Buch, auch einen Abschnitt in dem er schreibt, dass die Lokalpolitiker aus Eltingen ihre Vorstellungen am liebsten auf die gesamte Stadt übertragen würden, hält Pfitzenmaier für „nicht belegbare Behauptungen“ und attestiert seinem Parteifreund einen „unsäglichen Egotrip“. Cohns Behauptung, einige Stadträte seien Narzissten und er selbst sei objektiv und sachlich, so sagt der SPD-Fraktionschef, „trieft vor Ironie. Das ist völlig absurd. Etwas mehr Selbstreflexion hätte ich ihm schon zugetraut“. Das Hauptproblem aber, betont Pfitzenmaier, sei das Zerwürfnis zwischen OB und Stellvertreterin: „Beide sollen sich auf ihre eigentlichen Aufgaben konzentrieren.“

Erst gar nicht gelesen haben drei andere Spitzenvertreter des Gemeinderats die oberbürgermeisterlichen Ausführungen. „Warum soll ich mir das reinziehen?“, fragt Bernd Murschel. „Jeder war verwundert, dass der OB so ein Buch schreibt.“ Doch das Interesse des Fraktionschefs der Grünen daran „hält sich in Grenzen“.

„Warum macht er das?“

Dies ist auch bei Axel Röckle so. „Ich habe nicht vor, mir das Buch zu kaufen“, sagt der Fraktionsvorsitzende der Freien Wähler. „Und deshalb wird es meine politische Sacharbeit nicht beeinträchtigen.“

Ebenfalls keine Kaufabsichten hat Dieter Maurmaier, der indes einige Passagen kennt. „Über die bin ich alles andere als amüsiert“, sagt der Chef der FDP-Fraktion. „So geht man nicht mit dem Gemeinderat um. Man kann sich nur fragen: Warum macht er das?“