Kanzlerin Angela Merkel (CDU) verabschiedet sich in den Sommerurlaub Foto: dpa

Die Welt ist in Unordnung. Und auch die mächtigste Frau kann es nicht richten. Die Beziehungen zu den USA und Russland sind gleichzeitig gestört. Merkel ist im Zenit ihrer Karriere. Wie lange noch?

Die Welt ist in Unordnung. Und auch die mächtigste Frau kann es nicht richten. Die Beziehungen zu den USA und Russland sind gleichzeitig gestört. Merkel ist im Zenit ihrer Karriere. Wie lange noch?

Berlin - Pep Guardiola wird damit leben müssen: Angela Merkel lässt den Katalanen und Trainer des deutschen Fußball-Rekordmeisters FC Bayern München nicht ins Kanzleramt. Denn gleich geht’s für die Bundeskanzlerin in die Berge von Südtirol in den Urlaub, was in ihrem Fall als Regierungschefin ein sehr relativer Begriff ist. „Als Bundeskanzlerin bin ich immer im Dienst, ob ich Urlaub habe oder nicht. Darauf können sich die Menschen verlassen. Das ist ganz wichtig.“

Vorher aber muss sich Merkel bei ihrem alljährlichen Sommerauftritt noch in der Bundespressekonferenz durch ein Fragedickicht kämpfen. Die ganze Weltkarte – relevante Krisenherde, die Innenpolitik und regionale Querelen – werden vor ihr ausgebreitet: zum Beispiel Katalonien, autonome Provinz in Spanien, wo die Bürger im Herbst in einem Referendum über die Unabhängigkeit abstimmen. Sinnigerweise am 9. November, dem Tag des Mauerfalls. Guardiola unterstützt diese Unabhängigkeitsbestrebung. Und Merkel? Die Bundesregierung stehe zur territorialen Unabhängigkeit aller Staaten. „Das beinhaltet auch, dass ich keine Empfänge vorbereite“, sagt sie trocken. Guardiola muss draußen bleiben.

Dafür hält die Kanzlerin an diesem Tag warme Worte für Philipp Lahm bereit. Der Kapitän der Fußball-Nationalmannschaft hatte Stunden zuvor öffentlich erklären lassen, dass er mit dem Gewinn des WM-Titels seine Laufbahn in der Nationalmannschaft beendet. Er sieht den Zenit seiner Karriere erreicht. Merkel, die in ihrem Kabinett sehr auf das Mannschaftsspiel achtet, sagt: „Weltmeister zu werden im Fußball ist sicherlich eine Mannschaftsleistung, aber der Kapitän hat damit auch etwas zu tun.“

Und Merkel? Sie ist als Kanzlerin gewissermaßen die Spielführerin ihrer Kabinettsmannschaft. In den zurückliegenden Tagen hatten Medien erneut verbreitet, Merkel wolle noch während der laufenden Legislaturperiode freiwillig aus dem Amt der Bundeskanzlerin scheiden. Alles angeblich und nichts davon bestätigt. Wann also sieht Kapitän Merkel ihren Zenit erreicht? Wann ist der richtige Zeitpunkt für ihren Rücktritt?

Die CDU-Vorsitzende, die am Abend zuvor mit 650 Gästen ihren 60. Geburtstag gefeiert hat, ist auch da ganz Pflichtmensch. Sie sei bei der Wahl 2013 „für die ganze Legislaturperiode“ angetreten, sagt sie mit Blick auf Rücktrittsspekulationen. „Die Menschen in Deutschland können sich erst einmal darauf verlassen, dass ich das, was ich ihnen gesagt habe, auch tue.“ Nach einer Kunstpause sie schiebt einen sehr interessanten Satz nach: „Alles Weitere später.“ Nur wann ist „später“ – 2016, 2017 oder erst 2018? Merkel antwortet unprätentiös, wie es ihre Art ist. „Später“ bedeute „zum richtigen Zeitpunkt. Mit Sicherheit nicht heute.“

Russland und die höchst explosive Lage in der Ostukraine ist ein Dauerbrenner für Merkels Diplomatie. Sie spricht den Hinterbliebenen der Opfer des Flugzeugabsturzes, darunter vier Deutsche, ihr Beileid aus. Es gebe „sehr viele Indizien“, dass es sich um einen Abschuss handle, betont Merkel.

Weniges ist einfach in diesen Tagen, in denen die EU weiter ihr Personal für Spitzenposten zusammensucht. Und auch die USA bereiten der Bundeskanzlerin Probleme – vor allem wegen der Spionageaffäre mit Verdachtsfällen auch in deutschen Diensten und Ministerien. Ob die deutsche Regierungschefin über die anhaltende Weigerung der USA, ihre Spionage in Deutschland zu beenden, frustriert ist, wird gefragt. Merkel antwortet trocken: „Frustriert ist kein Zustand, in dem man als Bundeskanzlerin sein sollte.“ Sie folge deutschen Interessen. Und sie wisse nun mal, dass deutsche Sicherheitsinteressen ohne die Kooperation mit anderen Nachrichtendiensten nicht gewahrt werden könnten.

Schließlich landet die Fragerunde wieder im Inland. Große Koalition, große Themen, große Projekte: gesetzlicher Mindestlohn, Rentenpaket oder die jüngste Reform des EEG-Gesetzes, wohl nicht die letzte. „Nach der Reform ist vor der Reform“, sagt Merkel.

Das ist nicht wenig für die ersten acht Monate. Ob ein Vorhaben vornehmlich von der CDU, der CSU oder von der SPD angetrieben werde, darüber denke sie als Bundeskanzlerin nicht permanent nach. Es gebe ein Arbeitsprogramm, das Koalitionsvertrag heißt. Und dafür habe man sich bis 2017 verabredet. Man erinnere sich: 2017 soll ja „später“ sein. Dann will sich Merkel entscheiden. Jetzt aber geht sie erst einmal in den Urlaub. Krisentelefonate garantiert.

P. S.: Laut ZDF-„Politbarometer“ wollen knapp zwei Drittel der Deutschen derzeit, dass Merkel bei der Wahl 2017 erneut antritt.