Webber Foto: dpa

Andrew Lloyd Webber wird siebzig – mit seinen Musicals hat er Musikgeschichte geschrieben.

London - Wie wird eine Melodie zum Ohrwurm? Kaum ein anderer hat diese Frage so überzeugend beantwortet wie der am 22. März 1948 in London geborene Andrew Lloyd Webber – vor allem mit seinen unvergesslichen Songs „Don’t cry for me, Argentina“, „Memory“ oder auch mit dem „Pie Jesu“ aus dem Requiem, das der schon mit sechs Jahren komponierende König des Musicals nach dem Tod seines Vaters schrieb. Dabei – und das gehört mit zur Magie des klingenden Webber-Universums – fußt deren Erfolg eigentlich nur auf drei einfachen Eigenschaften: Schlichtheit, Eingängigkeit, Wiederholung. Wer jemals eines der großen Musicals Andrew Lloyd Webbers besuchte, weiß um den Sog, der von seinen immer zwischen tief Berührendem und Kitsch verankerten Melodien ausgeht. Man mag sich dagegen wehren, dass sich das Gesungene im Hirn festsetzt, aber das nützt rein gar nichts. Sogar jenes „Pie Jesu“, das man zur Feier von von Webbers’ siebzigstem Geburtstag auf YouTube wieder einmal anklicken sollte – am besten gesungen von der zweiten seiner drei Ehefrauen, der Sopranistin Sarah Brightman, lässt einen nicht wieder los. Und alle guten Songs dieses Komponisten sind gleichermaßen Musik für einen guten Zweck: den Transport von großen Gefühlen. Für „You must love me“ aus dem Musical „Evita“ erhielt Webber den Oscar, darüber hinaus gewann er drei Grammys, einen Golden Globe und sieben Tony Awards.

Untrüglicher Sinn für die Wirkung des Wohllauts

Auf etliche der Ohrwürmer Andrew Lloyd Webbers wäre mancher große Opernkomponist des 19. Jahrhunderts stolz gewesen. Gleich, ob es nun die auf Texte von Tim Rice komponierten Erfolgsmusicals „Jesus Christ Superstar“ und „Evita“ sind oder spätere Stücke wie „Cats“, „Sunset Boulevard“ oder „Starlight Express“: Dieser Komponist, der eigentlich dem prägenden musikalischen Klima seiner Herkunftsfamilie (Vater: Komponist, Mutter: Pianistin) entkommen und Historiker werden wollte, bewies immer einen untrüglichen Sinn für die Wirkung des Wohllauts. Auch deshalb (also nicht nur wegen des wirkungsvoll von der Theaterdecke über die Köpfe der Zuschauer hinweg auf die Bühne sausenden, 450 Kilogramm schweren Kronleuchters) war sein „Phantom der Oper“ eine der langlebigsten Produktionen im Stuttgarter Palladium-Theater.

Nach „Sunset Boulevard“ (1993) begann die schöpferische Kraft Andrew Lloyd Webbers nachzulassen – was den im Jahr zuvor von der Queen zum Ritter geschlagenen Komponisten, dessen Vermögen heute auf 800 Millionen Dollar geschätzt wird, allerdings nicht weiter anfocht. Heute kann er, sicherlich mit einer Flasche Rotwein vor sich, zufrieden zurückblicken. Fünf Kinder hat er gezeugt, seine Werke sind mindestens ebenso quicklebendig, und noch in Jahrhunderten werden seine Melodien als ewige Untote der Musikgeschichte in die Gehörgänge lauschender Nachfahren hineinfahren, bis aus deren Augen ein heimliches Tränchen quillt.