Foto: PPFotodesign.com

OB-Bewerber Andreas Renner setzt sich von den Konkurrenten Sebastian Turner und Fritz Kuhn ab.

Stuttgart - Mit seiner Verwaltungserfahrung aus dem Amt des Oberbürgermeisters in Singen will Andreas Renner sich für den OB-Sessel in Stuttgart empfehlen. Sie unterscheide ihn von den Konkurrenten, sagt er im Interview.

Herr Renner, Sie haben betont, wie schwer es wird, die Nominierung als OB-Kandidat der CDU zu erreichen. Und dass man danach auf eine "Hausnummer" wie den Grünen Fritz Kuhn trifft. Haben Sie schlaflose Nächte?

Ich habe schon ruhiger geschlafen als zurzeit. Aber es ist nicht überdurchschnittlich. Und mein Hinweis, dass man für den Wahlkampf neun Monate Lebenszeit investieren muss, bedeutet ja auch nicht, dass es keinen Spaß machen würde.

Was reizt Sie zu dieser Bewerbung?

Ich würde einfach gern in dieser faszinierenden Stadt als Oberbürgermeister arbeiten, wenn mir die Menschen hier die Verantwortung übertragen. Dafür nehme ich auch in Kauf, dass ich wieder voll im Blickpunkt der Öffentlichkeit stehe, was ich in den letzten fünfeinhalb Jahren meiner Berufstätigkeit bei der EnBW nicht vermisst habe.

Welche Rolle spielt die Bezahlung? Führungskräfte in der freien Wirtschaft lächeln über das OB-Einkommen hier, und auch so mancher Chef einer städtischen Firma.

Das ist schon richtig. Für jemanden, der das Gefühl der Wertschätzung aus einem möglichst hohen Gehalt bezieht, wäre das der falsche Job. Dabei ist der OB von Stuttgart wirklich auch Chef eines Großkonzerns. Eine gewisse Neidfreiheit muss man also haben, wenn man das machen will. Aber so sind die Gehälter im öffentlichen Dienst eben angelegt.

Was bringen Sie noch mit für diesen Job außer der Neidfreiheit?

Ich bringe die Leidenschaft dafür mit und auch mein hohes Verantwortungsgefühl, das manchmal fast zu ausgeprägt ist. Außerdem glaube ich auch das Augenmaß zu haben, das für diese Arbeit notwendig ist.

Haben Sie sich vielleicht als altgedienter Parteisoldat in die Pflicht nehmen lassen, wenngleich der Kreisvorsitzende Sie ja nicht rief?

Nein, das war eine ganz persönliche Entscheidung. So muss es auch sein. Denn am Tag der Wahl steht nicht die Partei auf dem Wahlzettel, sondern die Person Andreas Renner.

Sie lösten 2005 viel Wirbel aus, weil Sie mit dem katholischen Bischof stritten und sich abfällig über den US-Präsidenten äußerten. Ihr Rücktritt als Sozialminister war die Folge. Werden die Wähler Sie nicht noch mal abstrafen?

Der Streit mit dem Bischof wurde ausgeräumt. Trotzdem habe ich die Konsequenzen gezogen. Inzwischen bin ich älter und etwas ruhiger geworden. Nach meiner Erfahrung sagen die Menschen überwiegend: "Jetzt ist es gut. Das Thema ist rum." Der Zuspruch von denen, die sagen, dass ich OB von Stuttgart sein könne und die Führungserfahrung habe, ist für mich erfreulich groß.

"Es schadet nicht, wenn man weiß, wie ein Rathaus funktioniert"

Sie sagten, eine Partei mit Anspruch müsse sich um so ein Amt bemühen. Ist das auch eine Forderung an die CDU, Bewerber mit Parteibuch aufzustellen? Kann es sich die CDU leisten, einen Parteilosen aufzustellen, wie es der Kreis-Chef mit Sebastian Turner vorhat?

Deshalb trete ich ja an. Die CDU ist eine starke Mitgliederpartei, bei der es geeignetes Personal geben sollte und deren Mitglieder sich natürlich fragen, warum sie in der Partei sind. Ich denke, es wäre schon gut, bei der Nominierung für so ein wichtiges Amt auf das Parteibuch zu schauen. Ein absolutes Muss ist es nicht. Ich muss meiner Partei an dieser Stelle keine Ratschläge geben.

Womit wollen Sie bei der parteiinternen Auswahl gegen Sebastian Turner punkten, der den Kreisvorsitzenden hinter sich hat?

Ich versuche einfach davon zu überzeugen, dass ich der richtige Kandidat für den OB-Sessel bin. Ich habe breitangelegte Erfahrung. Führungsaufgaben habe ich wahrgenommen, seit ich 20 Jahre alt war. Sicher, in meiner Vita gibt es gewisse Brüche, aber ich habe gezeigt, dass ich beides kann: Verwaltung und Wirtschaft. Einen gewissen Charme besitze ich hoffentlich auch. Außerdem: Der Kreisvorsitzende hat bei der Entscheidung auch nur eine Stimme. Am Ende entscheidet das Gesamtbild, das der Bewerber den Mitgliedern vermittelt.

Wie wird sich das Bild, das Sie vermitteln, von dem Turners unterscheiden?

Ich bin einfach anders als er. Ich habe mich in der Wirtschaft und in der Verwaltung bewährt.

Wie wichtig Verwaltungserfahrung ist, ist umstritten.

Ich möchte das nicht zu heftig in die Waagschale werfen, aber ich glaube, es schadet nicht, wenn man weiß, wie so ein Rathausapparat funktioniert.

Herr Turner könnte sagen, dass die von ihm aufgebaute Werbeagentur mehr Mitarbeiter hatte als die Stadtverwaltung in Singen am Hohentwiel, die Sie geleitet haben.

Ich hatte dort auch mehr als 1000 Mitarbeiter und habe die Verwaltung ohne Beigeordneten geführt. Natürlich, in Stuttgart ist die Verwaltung größer. Ich habe aber die Fähigkeit erworben, trotz schwieriger Mehrheitsverhältnisse verschiedene Meinungen zusammenzuführen. Da bringe ich mehr in die Waagschale als Herr Turner.

Was hätten Sie Ihrer Meinung nach dem Grünen-Kandidaten Fritz Kuhn voraus, wenn es bei der OB-Wahl am 7. Oktober zum Duell mit ihm kommen würde?

Auch von ihm unterscheidet mich, dass ich weiß, wie man in einem Rathaus führt, er nicht. Außerdem biete ich den Stuttgartern die längere Perspektive. Ich könnte fast zwei volle Amtsperioden OB sein.

Herr Turner sagt, man braucht Führungserfahrung, keine Verwaltungserfahrung.

Es gibt schon einige Unterschiede zwischen Wirtschaftsunternehmen und Verwaltungen. Ein OB hat nicht so gute Durchgriffsmöglichkeiten wie ein Firmenchef. Eine Firma hat ein Unternehmensziel. Eine Stadtverwaltung ist ein Bauchladen mit einem Riesenwust an Zuständigkeiten und vielen Bereichen, in denen an Detaillösungen gearbeitet wird. Da darf sich ein OB nicht verzetteln. Glücklicherweise arbeiten im Stuttgarter Rathaus sieben Beigeordnete weitgehend individuell und eigendynamisch.

"Stuttgart 21 ist Chefasache"

Wenn das so ist, worauf würden Sie sich konzentrieren? Nennen Sie drei Schwerpunkte.

Natürlich ist es wichtig, dass die enge Begleitung des Projekts Stuttgart 21 Chefsache ist. Das Projekt hat die Stadt stark durcheinandergebracht. Da ist viel zu tun, um Emotionen rauszunehmen. Zweitens muss die Wirtschaft gestärkt werden. Deshalb gehört die Wirtschaftsförderung beim OB angesiedelt. Drittens würde ich mir genau die dezentralen Strukturen Stuttgarts anschauen und dort eine Qualitätsoffensive starten. Die soziale Infrastruktur und die Integration von Migranten müssen stimmen. Familien müssen zu vernünftigen Bedingungen hier Wohnraum bekommen. Wenn es etwas teurer ist als im Umland, sollen sie dafür einen besseren öffentlichen Nahverkehr haben und sich z.B. ein zweites Auto sparen können. Die Zeit der ganz großen Infrastrukturprojekte in Stuttgart ist vorbei. Jetzt geht es darum, mit vielen kleinen Projekten die Lebensqualität in den Stadtbezirken zu steigern.

Das hört sich an, als ob sich die gut situierte Landeshauptstadt mit dem Mittelmaß abfinden soll, kaum dass sie die schwäbische Bescheidenheit ein bisschen abgelegt hat.

Mit Mittelmaß hat das nichts zu tun. Mit dem Bahnhof, der neuen Messe und dem Kunstmuseum ist man durch. Die kann man nicht noch mal bauen. Stuttgart ist Spitzenklasse, aber das, was hier Spitze ist, muss jetzt in der Breite bei den Bürgerinnen und Bürgern ankommen.

Visionen hören sich anders an.

Die Positionierung Stuttgarts in Deutschland und der Welt ist nicht eine Frage von Großprojekten. Es gibt nicht mehr viel, was man bauen könnte. Sollte man nur wegen eines falsch verstandenen Begriffs von Spitzenklasse einfach irgendein neues Großprojekt starten? Wohl nicht. Aber Stuttgart hat durchaus die Chance, auf freiwerdenden Flächen durch moderne Architektur ein neues, erkennbares Profil zu bekommen. Ansonsten bitte ich um Nachsicht wie bei den anderen Kandidaten: Die Arbeit an meinem Programm beginnt gerade erst.

Bevor Ihr Programm fertig wird, werden Sie erst die CDU-Mitglieder von sich überzeugen müssen. Wird die Partei nach dieser Zerreißprobe zerstritten in den Wahlkampf gehen?

Nicht nur der Kreisvorsitzende, auch ich habe keine Lust, in diesem Auswahlverfahren beschädigt zu werden. Wer für die CDU in den Wahlkampf zieht, braucht die ganze Stärke der Stuttgarter CDU für einen kraftvollen Wahlkampf. Wenn es haufenweise Verunglimpfungen gäbe und jede Menge Scherben übrig blieben, wäre das ganz schlecht. Deshalb werde ich darauf achten, dass alle meine Unterstützer das Augenmaß walten lassen. Einen Negativwahlkampf gegen andere gibt es mit mir nicht.

Sie möchten eine Lagerbildung in der Partei verhindern. Konservative Stammwähler rufen bei uns aber an und sagen, den Renner können wir nicht wählen. Der half in der CDU, Ministerpräsident Erwin Teufel zu stürzen.

Diese Erwin-Teufel-Dolchstoßlegende trifft nicht zu. Erwin Teufel ist nicht gestürzt worden, er hat freiwillig gesagt, dass er aufhört. Natürlich waren in der Partei zuvor unterschiedliche Meinungen aufeinandergetroffen über die Frage, wie lange er weitermachen soll. Ich war in die Vorgänge damals nicht involviert und habe zu der Emotionalität nichts beigetragen, wenngleich ich Mitglied des Landesvorstands war. Ich denke bis heute, dass Erwin Teufel ein ehrenwerter und erfolgreicher Ministerpräsident war.

Trotzdem fragt man sich, wie Sie es schaffen wollen, bei der OB-Wahl "bis auf wenige Ausnahmen die Stammwähler der CDU" zu mobilisieren und darüber hinaus zahlreiche Wähler aus dem Grünen- und dem SPD-Lager.

Ich bin durch konservative Werte geprägt und zähle mich zum Heiner-Geißler-Flügel, der den Gedanken der sozialen Verantwortung betonte. Ich habe bei allen Wahlen, bei denen ich antrat, konservative Wähler erreicht. In Singen bin ich mit 61,5 Prozent gewählt worden. Ich kann auch Wähler der FDP, der Freien Wähler, der SPD und der Grünen erreichen. Das ist nötig. Wer die OB-Wahl gewinnen will, muss das bürgerliche Wählerlager erreichen und 20 Prozent zusätzlich in den Randgruppen der bürgerlichen Mitte erreichen. Ich will erreichen, dass die Leute sagen, die Person, die beruflichen Fähigkeiten und die persönlichen Orientierungen sprechen dafür, dass Renner der richtige Repräsentant für die Landeshauptstadt ist.

Glauben Sie, dass Sie auch der frühere OB-Kandidat der Grünen, Rezzo Schlauch, wählt? Er machte schon mal Wahlkampf für Sie. Haben Sie noch Kontakt zu ihm?

Ich habe regelmäßig Kontakt zu ihm. Aber Rezzo wird am Ende wohl doch grüne Loyalität üben und Fritz Kuhn wählen.