Wie authentisch kann es sein, wenn eine steinreiche 52-Jährige im Schmetterlingskostüm davon singt, „im Autokino Liebe zu machen“? Egal, was zählt, ist die Illusion. Und die beherrscht die Schlagersängerin Andrea Berg sehr gut.
Großaspach - Der Countdown über der Bühne zeigt noch gut drei Minuten an – und die Fans sind kaum noch zu halten. „Wir woll’n Andrea seh’n, wir woll’n Andrea seh’n“, skandiert eine Gruppe junger Männer, die sich in der ersten Reihe an die Absperrung klammert. Dann endlich betritt die Schlagerkönigin die Bühne, in einem Regen aus schmetterlingsförmigem Konfetti. Und 15 000 Menschen in der Mechatronik-Arena flippen aus.
„Jeder ist fröhlich und hat Spaß – und genau so wünsche ich mir das. Einfach Musikmachen mit Freunden, das ist es, was ich will“, flötet Andrea Berg. Das ist natürlich eine Untertreibung, denn ihr Heimspiel in Großaspach ist jedes Jahr ein Riesenevent. Die Bühne, auf der Berg steht, wurde in wochenlanger Arbeit aufgebaut und wiegt 300 Tonnen.
Andrea Berg singt vom „Liebe machen im Autokino“
Rund um das Stadion reihen sich Merchandise-Stände an Wurstbuden, Getränkestände und Biertische. Auf dem Fußballplatz hinter der Bühne startet ein Heißluftballon, und kurz vor dem Konzert hatte der Landrat Richard Sigel zusammen mit der „Schwäbischen Waldfee“ Mariel Knödler ein bisschen Werbung für den Schwäbischen Wald gemacht. Die Parkplätze sind selbst in anderthalb Kilometern Entfernung noch belegt, Menschenmassen strömen in die Arena.
Wie authentisch kann es sein, wenn eine steinreiche 52-Jährige im Schmetterlingskostüm, die sich gern mit dem Hubschrauber in Aspach einfliegen lässt, davon singt, sie wolle „im Autokino Liebe machen“? Egal, was zählt, ist die Illusion. Ein bisschen heile Welt, ein bisschen Herzschmerz, eine große Show und Refrains, die jeder schon beim ersten Hören des Lieds mitsingen kann. Und all das beherrscht die Schlagerkönigin sehr gut. „Meine Freunde“, begrüßt sie die 15 000 Menschen in der Arena – und die fühlen sich angesprochen, als stünden sie der Schlagerqueen gerade direkt gegenüber.
Der Erfolg gibt Andrea Berg Recht. Seit dem Jahr 2003 ist jedes der Studioalben, das die Sängerin veröffentlich hat, auf Platz eins der deutschen Albumcharts gelandet. Nun könnte man argwöhnen, das läge daran, dass die Generation, aus der ihre Fans stammen, mit Raubkopien und Streamingdiensten nicht viel anfangen kann und sich die CDs der Berg deswegen verkaufen wie geschnitten Brot.
Doch das stimmt nicht, wie ein Blick ins Publikum beweist. Da sieht man Rollstühle und muskulöse Waden, Leopardenleggins und Camouflage-Shorts, Dutt und Irokesenschnitt, Dirndl und Muskelshirt. Die Mischung könnte kaum breiter gefächert sein.
Was macht ein Metal-Fan beim Andrea-Berg-Konzert?
Das Heimspiel lockt Fans selbst aus weiter Ferne an: „Andrea zuhause zu erleben ist doch etwas ganz Anderes“, ist eine 48-Jährige überzeugt, die extra aus Berlin hergereist ist. Auf einer Treppe seitlich der Bühne sitzt ein Mann mit Megadeth-Shirt. Gregory, 42, aus Brackenheim, ist musikalisch ziemlich anders gepolt als die meisten hier.
Was der Thrashmetal-Fan hier macht? „Für mich sind das richtig körperliche Schmerzen“, sagt er, deutet mit dem Kopf in Richtung Schmetterlingsbühne – und lacht. Die Tickets für Andrea Berg waren ein Geburtstagsgeschenk für einen von ihnen – und da kommt eben die ganze Clique mit. „Aber es ist Freitag und Sommer – da gibt’s doch Schlimmeres“, meint Gregory.