Janina Schrader liebt Lamas. Hier ist sie mit Nuzco zu sehen. Foto: Julian Rettig/Julian Rettig

Janina Schraders Lamas sind kooperativ und gelassen: sie fahren sogar Bahn oder Aufzug. Die Sulzbacherin bietet Wanderungen an und besucht mit ihrer Herde auch Altenheime.

Wer sich mit einem Lama befreunden will, sollte tunlichst etwas Abstand halten. In etwa so, als besäße das Tier statt seines flauschigen Fells die spitzen Stacheln eines Igels. „Lamas sind Distanztiere“, sagt Janina Schrader: „Wenn ich ein Lama loben will, fasse ich es nicht an. Körperkontakt wird vom Lama nur geduldet, nicht genossen.“ Respektiert ein Zweibeiner die Wohlfühldistanz des Vierbeiners, dann steht einer Freundschaft eigentlich nichts im Wege.

Lamas seien wunderbare Begleiter, schwärmt Janina Schrader. Die 29-jährige Sulzbacherin muss es wissen, denn sie besitzt mittlerweile nicht nur ein Lama, sondern gleich elf Lamas. In der Herde der Murrtaler Andenkamele hat zudem das Alpaka Charlie von Freundin Nathalie Woyan eine Ersatzfamilie gefunden. Optimal sei das nicht, räumt Janina Schrader ein, denn Lamas und Alpakas gehörten zwar beide zu den Neuweltkamelen, seien aber vom Charakter durchaus unterschiedlich. Aber besser als eine Einzelhaltung, die sonst umständehalber der Fall gewesen wäre, sei die gemischte Truppe allemal, gilt doch für Lamas wie Alpakas: „Sie brauchen ihre Herde, die Wohlfühlatmosphäre beginnt bei fünf Tieren.“

Selbst eine Motorsäge kann Lamas nicht schrecken

An diesem sonnigen Vormittag weiden die Lamas und das Alpaka friedlich auf einer Wiese bei Sulzbach. Ein sanfter Wind weht. Vogelgezwitscher, ansonsten Stille. Plötzlich ertönt Hufgeklapper – und alle Köpfe gehen hoch. Wer kommt und wohin des Weges? Herden-Chef Canas marschiert zum Zaun und checkt die Lage. Der Rest der Gang folgt. Kurt, Fafnir, Antares, Kiwayu, Nuzco, der freche Karl-Henning Beelzebub, der seinen Namen nicht von ungefähr trägt, – alle eilen hinter dem Boss her. Bloß nichts verpassen!

„Lamas sind extrem neugierig und überhaupt nicht ängstlich“, sagt Janina Schrader: „Sie sind zwar Fluchttiere, aber alles, was laut ist, interessiert sie.“

Wenn Janina Schrader mit der Motorsäge auf der Weide zugange ist, schart sich die Männer-Clique begeistert um sie. Und während so manches Haustier die Tage um Silvester in Panik verbringt, sind die Andenkamele echte Silvesterfans. „Wenn sie sich mal erschrecken, machen sie einen Satz – und dann schauen sie sich die Sache an“, ist Janina Schraders Erfahrung.

Mit dem Lama in die Bahn und den Aufzug

Die 29-Jährige ist schon in Begleitung von Lamas durch den Baumarkt geschlendert und sogar mit ihnen Zug gefahren – von Murrhardt nach Sulzbach. „Für die Fahrt habe ich ein Hundeticket gelöst“, erzählt sie, lacht und sagt: „Ich bereite meine Tiere gerne auf alles vor. Sie machen eigentlich alles mit, das ist nur eine Frage der Übung.“ Zum Beispiel auch das Aufzugfahren, das die junge Frau ebenfalls schon getestet hat. Nicht, weil Lamas keine Treppen laufen können, sondern weil sie selbst es nicht besonders gerne tut. Da Janina Schrader aber nicht nur Events wie Lama-Wanderungen im Schwäbisch-Fränkischen Wald anbietet, sondern mit ihren Tieren auch Altenheime oder Hospize besucht, muss sie mit ihren Lamas gelegentlich ins zweite oder dritte Stockwerk hinauf.

Wie bereichernd Mensch-Tier-Begegnungen sind, erlebte Janina Schrader schon in ihrer Kindheit. Aufgewachsen ist sie in Althütte und hat als kleines Mädchen unzählige Stunden im dortigen Fun Tiergarten verbracht. Damals schloss sie ganz besonders die Lamas ins Herz. „Das Lama ist mit dem Hund das älteste domestizierte Haustier“, sagt die 29-Jährige. Seit sechs- bis siebentausend Jahren begleitet es den Menschen, der es als Lastentier zu schätzen weiß. Die Jahrtausende lange Zusammenarbeit hat die Lamas geprägt: Sie sind kooperativ, offen und lassen sich nicht so schnell stressen.

Tiere mit Fehlprägung können gefährlich werden

Auf ihr erstes eigenes Lama musste Janina Schrader aber warten, bis sie 21 Jahre alt war. Es stammte von einem Züchter im Allgäu. Von Secondhand-Tieren rät die Sulzbacherin im Falle von Lamas ab. Tiere mit Fehlprägung, sogenannte Berserker, können Menschen schwer verletzen. Damit junge Lamas artgerecht groß werden, dürfen sie in den ersten Lebensmonaten möglichst wenig Kontakt zu Menschen haben. Seien die Tiere falsch geprägt, könne es mit dem Eintritt der Pubertät sehr gefährlich für den Menschen werden.

Kaum war Janina Schrader stolze Lama-Besitzerin, folgte auch schon Nummer 2, nach weiteren zwei Jahren zogen das dritte und das vierte Lama ein. Mit dem Umzug von Althütte nach Sulzbach sei es dann „eskaliert“, sagt Janina Schrader. Ruckzuck wuchs die Herde, die sie liebevoll „meine Familie“ nennt, auf elf Mitglieder an. Lamas bräuchten bei ihrer Erziehung liebevolle Konsequenz, meint Janina Schrader im Blick auf den tierpädagogischen Ansatz: „Sonst verarschen sie dich“, sagt sie.

Spucken ist ein Kommunikationsmittel

Ist ein Lama verunsichert, gibt es ein summendes Geräusch von sich. „Der Alarmruf klingt dagegen wie eine extra laute Quietscheente“, sagt Janina Schrader. Und herrscht Kampfstimmung in der Herde, dann ertönt Gebrüll und Keifen: „Das klingt dann wie in Jurassic Park.“

Das berühmte Spucken ist ein Kommunikationsmittel der Tiere untereinander, zum Beispiel wenn es Streit um die Rangfolge oder ums Essen gibt. „ Ein normal geprägtes Tier bespuckt keine Menschen“, sagt Schrader. Wobei Alpakas generell spuckfreudiger als Lamas seien. Das von den wild lebenden Vikunjas abstammende, wegen seiner Wolle beliebte Alpaka bleibt mit 60 bis 80 Kilo kleiner als das bis zu 180 Kilo schwere Lama, das aus den wilden Guanakos gezüchtet wurde. Nicht nur an ihrer Größe, sondern auch an ihren oben leicht gebogenen „Bananenohren“ kann man Lamas gut von Alpakas unterscheiden. Deren Ohren stehen wie die Spitzen eines Speers seitlich vom Kopf ab.

Lamas sind Vegetarier, dürfen aber weder Obst noch Gemüse oder Getreide fressen. „Ähnlich wie Diabetiker können sie Zucker nicht verarbeiten“, erklärt Janina Schrader, „fressen sie regelmäßig falsche Nahrung, übersäuert ihr Magen und sie bekommen Magengeschwüre.“ Gras, Blätter und auch Dornen sind die richtige Kost. Da Futter hierzulande, anders als in den Anden, üppig vorhanden ist, werden Lamas in Europa oft pummelig.

Lamas stehen vor dem Klo Schlange

Lamas seien die perfekten Landschaftspfleger, sagt Janina Schrader: nicht zu schwer und mit zwei Zehen statt Hufen ausgestattet, verursachen sie kaum Trittschäden. Obendrein fressen sie das Gras nicht so kurz ab wie andere Weidetiere. Und weil sie feste Kotplätze haben, für deren Nutzung sie regelrecht Schlange stehen, werden ihre Hinterlassenschaften und die Nährstoffe darin nicht auf der ganzen Weide verteilt.

Bei Janina Schraders Wanderungen dürfen die Lamas generell nur in den Pausen gestreichelt werden. „Obwohl sie niedlich aussehen sind sie keine Kuscheltiere. Sie wollen geistig gefordert werden. Und wenn man ihr Naturell respektiert, kann man eine wunderschöne Zeit mit ihnen haben.“

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