Posthum erscheint Amy Winehouse’ Album "Lioness: Hidden Treasures" - und überrascht positiv.

London - Fast wäre Amy Winehouse einmal nach Stuttgart gekommen. Das war im Sommer 2007. Sie sollte das Festival Jazz Open eröffnen. Daraus wurde nichts. Ihr Zustand war - wie so oft - nicht einzuschätzen. "Aus gesundheitlichen Gründen" wurde der Auftritt abgesagt. Und wer sie einmal live gesehen hat, wusste nicht so recht, was damit anzufangen. Berufsunfähigkeit konnte man ihr da bisweilen attestieren, als sie auf weißen High Heels auf die Bühne stolperte, die zu ihrem Markenzeichen gewordene Beehive-Frisur wackelte. Als sie lallte, nuschelte und nicht wirklich sang. Dennoch hat Winehouse jüngste Popmusik-Geschichte geschrieben.

Winehouse besang ihr selbstzerstörerisches Dilemma

Am 23. Juli 2011 starb Amy Winehouse im Alter von 27 Jahren in ihrer Wohnung im Londoner Stadtteil Camden. Gute vier Monate später erscheint nun, kurz vor Weihnachten, ein Album mit bisher unveröffentlichten Liedern. Nur Geldmacherei? Auf "Lioness: Hidden Treasures" gibt es zwölf Titel zu hören, zwei davon sind Neukompositionen. Bei "Like Smoke" wird Winehouse von dem Rapper Nas begleitet. Und es gibt diesen Beat, den der Produzent Mark Ronson berühmt gemacht hat. Dazu ein paar Streicher. Eine schöne Nummer, wenn auch keine sehr überraschende. "Between The Cheats" ist ein Lied, das mal wieder zurück in die 1960er Jahre blickt. Nicht nur diese beiden Lieder, die für das nie vollendete dritte Album bestimmt waren, zeigen einmal mehr, welch' musikalisches Talent Amy Winehouse war. Sie hat mit "Back To Black" eines der wichtigsten Alben des vergangenen Jahrzehnts veröffentlicht und den viel zitierten Retro-Sound populär gemacht hat. Ironischerweise besang Miss Winehouse in ihrem großen Hit ihr selbstzerstörerisches Dilemma: "They tried to make me go to rehab, but I said no, no, no".

Eine Sängerin, die noch viel vorgehabt hätte

Ihr Debüt "Frank", das dem Titel nach Frank Sinatra gewidmet war, erschien 2003. Der kommerzielle Durchbruch kam mit dem zweiten Album "Back to Black" - produziert von Mark Ronson. Sie erhielt fünf Grammys, die Platte verkaufte sich mehr als zehn Millionen Mal. Dieses schmale Persönchen mit den dünnen Beinchen, der monströsen Bienenstock-Frisur und den fetten Kajalstrichen auf den Augenlidern hatte eine außergewöhnliche Stimme, die man nun wiederhören kann. Auf "Lioness: Hidden Treasures" sind nicht nur "verborgene Schätze" der Löwin, wie der Titel verspricht. Es gibt etwa eine entschlackte Version von dem Zutons-Cover "Valerie", dem Winehouse zu neuem Glanz verhalf. Sie darf eine süffisante Version von "Girl from Ipanema" darbieten. Produziert ist das alles einwandfrei, so standen einmal mehr Mark Ronson und auch Salaam Remi hinter den Reglern. In dem Stück "Will You Still Love Me Tomorrow" hat sie diesen verkannten Schmelz in der Stimme, präsentiert sie ihr unglaubliches Volumen und das Talent, richtig viel Gefühl in den Gesang zu legen. Auch "Wake Up Alone" ist ein berührendes Beispiel dafür. Die unvollendeten Lieder auf "Lioness: Hidden Treasures" zeigen aber vor allem eines: Da ist eine Sängerin, die noch viel vor gehabt hätte.