Noch nie in der US-Geschichte wurde so kurz vor einer Präsidentenwahl über eine Richterberufung an das Oberste Gericht entschieden. Foto: AFP/OLIVIER DOULIERY

Die konservative Bundesrichterin soll nach dem Willen des Präsidenten die vakante Stelle am Obersten Gerichtshof noch vor den Wahlen im November besetzen. Die Republikaner im Senat signalisieren Unterstützung.

Washington - US-Präsident Donald Trump hat die konservative Bundesrichterin Amy Coney Barrett für die die Nachfolge der verstorbenen liberalen Verfassungsrichterin Ruth Bader Ginsburg nominiert. Republikaner im Senat, die vor vier Jahren Trumps Vorgänger Barack Obama eine Nachfolgeregelung am Obersten Gerichtshof im Wahljahr verwehrten, signalisierten Zustimmung. Mehrheitsführer Mitch McConnell sagte eine Abstimmung über Barrett „in den kommenden Wochen“ zu.

Mit Barretts Berufung an den Obersten Gerichtshof auf Lebenszeit würde Trump eines seiner zentralen Vorhaben seiner Amtszeit gelingen: Eine konservative Ausrichtung des höchsten Gerichts auf Jahrzehnte. Die 48-jährige Barrett, einst Mitarbeiterin des 2016 verstorbenen Verfassungsrichters Antonin Scalia, wäre die dritte Richterin, die von Trump an das höchste Gericht berufen wird. Sie sagte, sie sei von der Nominierung zutiefst geehrt und Scalias juristische Philosophie sei auch die ihre.

Gläubige Katholikin und Mutter von sieben Kindern

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Trump lobte die gläubige Katholikin und Mutter von sieben Kindern als „eine Frau von bemerkenswertem Intellekt und Charakter“ mit „unvergleichlichen Errungenschaften“. Er habe ihre Bilanz als Juristin eingehend geprüft und dabei festgestellt, „dass Sie in sehr hohem Maße qualifiziert sind“, sagte er bei der Vorstellung im Rosengarten des Weißen Hauses.

Noch nie in der US-Geschichte wurde so kurz vor einer Präsidentenwahl über eine Richterberufung an das Oberste Gericht entschieden. 2016 blockierten die Republikaner, die auch damals im Senat die Mehrheit hatten, die Berufung des von Obama nach dem Tod Scalias am 13. Februar vorgeschlagenen Merrick Garland. Ihr Argument damals: Die Wählerinnen und Wähler sollten bei einer Entscheidung auf Lebenszeit mitbestimmen.

Bereits am kommenden Dienstag wird Barrett sich erstmals im Kapitol vorstellen. Sie wird McConnell und den republikanischen Vorsitzenden des Justizkomitees, Lindsey Graham, treffen. Anhörungen sollen am 12. Oktober beginnen. Graham sagte, er hoffe, Barretts Anhörung im Justizkomitee bis zum 26. Oktober abschließen zu können.

Scharfe Kritik von den Demokraten

Die Demokraten haben bereits scharf kritisiert, dass Trump und die Republikaner die Nachbesetzung der Richterstelle noch vor der Wahl durchboxen wollen. Dies sollte dem Wahlsieger vorbehalten sein, forderten sie. Die Vorsitzende des Repräsentantenhauses und der Minderheitsführer im Senat, Nancy Pelosi und Chuck Schumer, sagten, ein konservative ausgerichtetes Gericht könnte Grundsatzentscheidungen etwa für Obamas Gesundheitsreform revidieren. Sie hoffen zugleich, dass diese Aussicht zusätzliche Wählerinnen und Wähler für eine Stimmabgabe für den demokratischen Präsidentschaftskandidaten Joe Biden motivieren könnten.

Trump hat in seiner Amtszeit mit Neil Gorsuch und Brett Kavanaugh bereits zwei konservative Richter an den Obersten Gerichtshof berufen. Gemeinsam mit Barrett hätten die Konservativen im neunköpfigen Richtergremium eine Mehrheit von sechs zu drei Sitzen.

„Die größte Sache, die man tun kann, ist die Berufung von Richtern, aber vor allem die Berufung von Supreme-Court-Richtern“, sagte Trump erst am Freitag bei einem Wahlkampfauftritt in Virginia. „Das gibt dem Land für 40 Jahre, 50 Jahre, die Richtung vor.“ Und am Mittwoch erklärte er, darüber, wer am 20. Januar 2021 als nächster Präsident der USA vereidigt wird, werde wohl auch der Oberste Gerichtshof mit entscheiden. „Ich denke, das wird im Supreme Court enden“, sagte er. „Und ich denke, es ist wichtig, dass wir neun Richter haben werden.“

Bundesrichterin ist Barrett seit 2017. Damals wurde sie von Trump für das in Chicago ansässige 7. Bundesberufungsgericht nominiert. Ein kontroverses Thema bei ihren Senatsanhörungen dürfte ihre Haltung zu Abtreibung sein. Die Aussicht auf eine mögliche Aushöhlung oder Abkehr vom historischen Grundsatzurteil des Supreme Court von 1973, das Schwangerschaftsabbrüche legalisierte, bringt Aktivisten der jeweils anderen Seite seit Jahrzehnten in Wallung. Nun erhoffen sich die Demokraten, dass ihre Anhänger in Scharen bei der Präsidentschaftswahl ein Zeichen gegen die Auswahl Barretts setzen. Zugleich hofft Trump, mit der Nominierung der konservativen Juristin seine Unterstützer zu mobilisieren.