AbIm März 2012 wurde Birgit Hannemann als Bürgermeisterin gewählt. Foto: dpa/Marijan Murat

Die Amtszeit der Bürgermeisterin Birgit Hannemann endet Ende Mai. Die 40-Jährige hatte nicht erneut für das Amt kandidiert – der Familie wegen. „Vieles von dem, was ich mir vorgenommen habe, ist vollendet oder in der Pipeline“, sagt sie.

Erdmannhausen - Damit hatte Anfang Oktober 2019 wohl keiner gerechnet. In einer Ausschusssitzung – just an ihrem 40. Geburtstag – teilte die Erdmannhäuser Bürgermeisterin Birgit Hannemann mit, dass sie für eine zweite Amtszeit nicht mehr zur Verfügung steht. Inzwischen ist mit Marcus Kohler ein Nachfolger gefunden. Am 15. Mai ist Birgit Hannemanns letzter Arbeitstag, danach hat sie noch etwas Resturlaub, ehe ihr neuer Job als Geschäftsführerin des Vereins Zukunft Familie beginnt. Im Interview blickt sie auf die vergangenen acht Jahre zurück.

Ihre Zeit als Erdmannhäuser Bürgermeisterin neigt sich dem Ende entgegen. Wie fühlt sich das an?

Ich gehe tatsächlich mit dem sprichwörtlichen lachenden und weinenden Auge. Es war eine schöne Zeit, acht gute Jahre – sowohl für mich als auch für Erdmannhausen. Ich blicke auf viele schöne Begegnungen zurück und all die Projekte, die angestoßen und gemacht wurden. Vieles von dem, was ich mir vorgenommen habe, ist vollendet oder in der Pipeline. Ich gehe zufrieden.

Und das weinende Auge?

Eine Gemeinde ist nie fertig. Es gibt Projekte, etwa das Feuerwehrgerätehaus, die man angedacht hat. Ich kann es aber in der verbleibenden Zeit nicht mehr fertig machen. Oder die Schulturnhalle oder das Kinderhaus Zwergenland, deren Planung und Bau ich begleitet und vorangetrieben habe. Einweihen werde ich diese nicht mehr.

Ist diese Wehmut nur projektbezogen?

Nein! Es sind auch die Kollegen, die Gemeinderäte, Vertreter von Vereinen und Institutionen, mit denen ich gerne und gut zusammengearbeitet habe. Der Kontakt wird nicht völlig abbrechen, aber es ist eben doch noch einmal etwas anderes. Man lässt ja auch Begegnungen hinter sich.

Wie geht es genau für Sie nun weiter?

Erst mal ist Urlaub angesagt – Corona-bedingt leider ohne Reise. Am 1. Juni fange ich bei meinem neuen Arbeitgeber, dem Verein Zukunft Familie, als Geschäftsführerin an. Dort hatte ich mich beworben, nachdem ich mich entschieden habe, nicht für eine zweite Amtszeit als Bürgermeisterin zu kandidieren, und im Januar die Zusage bekommen. Ich bin gespannt auf die neue Herausforderung und freue mich drauf.

Noch mal zurück zu Ihrem Entschluss, nicht mehr für eine zweite Amtszeit zu kandidieren – haben Sie nie daran gezweifelt?

Natürlich habe ich im Vorfeld viel überlegt. Bürgermeister ist ein toller Job mit vielen spannenden Aufgaben. Aber die Frage ist: Ist es das wert, dass die Familie immer hinten anstehen muss? Das war für mich der zentrale Punkt. Klar werde ich vieles vermissen. Aber unterm Strich passt die Bilanz. Ich habe den Entschluss bislang nicht bereut.

Gab es einen Auslöser für Ihre Entscheidung? Damit hatte ja wirklich keiner gerechnet . . .

Es kam immer mehr, als ich merkte, wie sehr die Kinder im Fokus stehen. Wenn man sieht, dass man keine Privatheit hat. Ich selbst für mich kann damit umgehen und damit leben. Wenn man aber merkt, dass das auch in die Familie reingeht und die Kinder für irgendetwas angeguckt werden, für das sie nichts können – da kam für mich der Punkt, darüber nachzudenken, ob das noch der richtige Weg für uns als Familie ist. Und mein Fazit war: Das möchte ich meinen Kindern nicht zumuten.

Wie würden Sie Ihre letzten Wochen im Rathaus beschreiben?

Ich hätte nicht gedacht, dass meine Amtszeit so endet. Die Zeit war durchweg durch Corona geprägt. Da kommt auch noch einmal das weinende Auge. Meine letzten Veranstaltungen standen an – Sportlerehrung, Seniorennachmittag – alles war geplant, ist aber Corona zum Opfer gefallen. Mein Nachfolger Marcus Kohler wird die Veranstaltungen sicher noch machen, wenn es denn irgendwann wieder geht. So eine Krisenzeit ist wahnsinnig intensiv. Die Bürgermeisterwahl zum Beispiel läuft eigentlich nach Schema F, aber da war nicht ans Aufhören zu denken. Ich war voll drin und ich hatte nicht das Gefühl, dass ich bald aufhöre. Es war immer die Frage: Gibt es neue Erkenntnisse und Verordnungen? Wie reagieren wir als Gemeinde drauf – sowohl als Arbeitgeber als auch den Bürgern gegenüber?

Waren Sie erleichtert, als nach dem zweiten Wahlgang Ihr Nachfolger feststand?

Ja, am Wahlabend habe ich gemerkt, dass ich jetzt langsam loslassen kann. Bei einigen Themen darf ich jetzt sagen, das ist nicht mehr mein Business. Aufgrund der Corona-Pandemie war bis kurz vor der Neuwahl nicht klar, wie beziehungsweise ob wir diese durchführen können. Können wir die Neuwahl überhaupt machen? Wie sichern wir den Infektionsschutz vor Ort im Wahllokal, wenn wir keine reine Briefwahl machen können?

Ist mit Marcus Kohler ein guter Nachfolger gefunden?

Ja, ich bin davon überzeugt, dass er eine gute Arbeit machen wird. Er bringt jahrelange Führungserfahrung mit. Wir haben bereits die ersten Übergabegespräche geführt und ich wünsche ihm alles Gute und viel Freude in diesem Amt.

Was steht für ihn in den nächsten Wochen und Monaten an?

Es ist viel getan und noch viel zu tun. Die letzten Züge bei Kinderhaus, Schulturnhalle, Kunstrasen stehen an, da wird er dann die Einweihungen machen können. Und natürlich seine Einsetzung in Corona-Zeiten, die sicherlich auch etwas spärlicher ausfällt als normal. Die Planung des Feuerwehrgerätehauses muss vorangetrieben werden . . . Aber das ist alles dann seine Sache. (lacht)

Blicken wir zurück auf die vergangenen acht Jahre . . .

Chronologisch ging es mit der Einweihung der S-Bahn 2012 los, im Jahr darauf dann der Baggerbiss für den Anbau ans Kinderhaus Kunterbunt. Und auch ziemlich am Anfang kam der Schock mit der Schlecker-Pleite. Da war schnell klar, dass ich mich um mein Wahlversprechen, die Ortsmitte zu erhalten, kümmern muss. Ich bin froh, dass wir mit dem Drehpunkt zum einen den ersten Deutschlands hatten und zum anderen einen der letzten drei verbliebenen. Und es läuft gut. Gut, dass wir solch engagierte Schlecker-Frauen hatten und dass auch die Bevölkerung so mitgezogen hat und eine große Solidaritätswelle da war.

Was kam noch?

Im Neubaugebiet Ellenberg III konnten wir mit der Erschließung starten, und wir haben eine große innerörtliche Nachverdichtung mit über 100 Wohneinheiten geschafft. Und dann liefen schon unsere Großprojekte Schulturnhalle und Kunstrasenplatz. Diese haben sich ja auch wegen Grundstücksverhandlungen verzögert, sind jetzt aber so gut wie fertig. Die Astrid-Lindgren-Schule wird gerade saniert.

Und das neue Kinderhaus . . .

Dass wir noch einmal in einem solchen Maße Kinderbetreuungsplätze brauchen werden, war ja tatsächlich bei meinem Amtsantritt im Jahr 2012 noch gar nicht absehbar. Das waren Zeiten, als man noch überlegt hat, welchen Kindergarten man als erstes schließen muss. Insofern ist das Kinderhaus Zwergenland am Herdweg ein Projekt, das in dem Sinne nicht geplant war. Aber wir haben das Thema Kinderfreundlichkeit auch insofern intensiviert, als dass es jetzt drei und nicht mehr nur eine Ganztagsgruppe gibt. Da haben wir unabhängig von der wachsenden Kinderzahl das Angebot zusätzlich verbessern können.

Was bleibt?

Ich hoffe, dass das gute Miteinander von Haupt- und Ehrenamtlichen bleibt. Das hat sich so richtig groß 2016 in unserem Jubiläumsjahr gezeigt. Bei der 1200-Jahr-Feier und dem Großevent Festmeile wurde deutlich, dass man hier gemeinsam im Ort viel bewegen kann. Die Themen Ehrenamt und Vereinsförderung waren mir immer wichtig. Wir haben in vielfältiger Weise das Ehrenamt fördern können: Die Demenzbetreuung Vergissmeinnicht ist gestartet, der Freizeitpark entstand . . . Das sind Projekte, die ohne den finanziellen Beitrag der Gemeinde nicht in dem Maße gestemmt hätten werden können.

Was stach hervor?

Auf alle Fälle das Jubiläum, und was hier ehrenamtlich alles auf die Beine gestellt wurde und nach wie vor noch auf die Beine gestellt wird.

Was hat Sie bewegt in den vergangenen acht Jahren?

Das sind immer wieder Ereignisse, bei denen eine große Welle der Solidarität spürbar war – die Flüchtlingskrise zum Beispiel. Auch diese Krise war bei meinem Amtsantritt nicht absehbar. Mich hat immer wieder bewegt und stolz gemacht, wie gut der Zusammenhalt auch und gerade in Krisensituationen in Erdmannhausen ist – angefangen bei der Schlecker-Pleite über die Flüchtlingswelle bis hin zur Coronakrise. Quasi über Nacht entstand so erst kürzlich das Netzwerk „Erdmannhausen hilft“.