Die Polizei begleitet eine rechte Kundgebung und eine Gegendemonstration in der Fellbacher Innenstadt. Foto: Nicklas Santelli

Ein 29-Jähriger muss sich zwei Jahre nach einer Kundgebung gegen die Demo „Fellbach wehrt sich“ vor dem Amtsgericht verantworten. Ein Treffer mit der Fahnenstange bringt ihm eine Bewährungsstrafe und Arbeitsstunden ein.

Waiblingen - Fahnenschwingen ist normalerweise ein durchaus angesehenes Hobby. Wenn die Stange mit dem Banner jedoch den Oberkörper einer Polizistin trifft, wird aus einem 1,24 Meter langen massiven Holzstück ein gefährliches Werkzeug – und aus einer ehrenwerten Beschäftigung eine Straftat. Wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte im besonders schweren Fall sowie versuchter schwerer Körperverletzung musste sich ein Angeklagter jetzt im Amtsgericht Waiblingen verantworten. Er hatte im Oktober 2016 bei einer Kundgebung in der Fellbacher Stadtmitte teilgenommen. Ein massives Polizeiaufgebot begleitete seinerzeit eine Kundgebung einer rechtsgerichteten Internet-Plattform und eine Gegendemonstration linker Kreise rund ums Rathaus. Die Einsatzkräfte waren im Vergleich zu einer ähnlich gelagerten Doppel-Demonstration Anfang September deutlich aufgestockt worden, hieß es damals. Genaue Zahlen wollte die Polizei aus taktischen Gründen nicht nennen.

Dass der Prozess vor dem Amtsgericht erst gut zwei Jahre nach dem Vorfall stattfand, hatte einen einfachen Grund

Und: Es war eher Glück, dass es bei den Auseinandersetzungen im Umfeld der Kundgebung keine Verletzten gab. Einzelne gewaltbereite Teilnehmer aus den Reihen der nach Polizeiangaben etwa 250 bis 300 Gegendemonstranten schreckten nicht davor zurück, Steine, Raketen und Böller zu werfen. Obwohl nur etwa 30 rechtsgerichtete Demonstranten vor Ort waren, wurde bei dem Aufmarsch nach Aussagen des Aalener Polizeisprechers Ronald Krötz ein neuer Tiefpunkt erreicht worden. „Es gab sechs Festnahmen und neun Strafanzeigen wegen Körperverletzung, außerdem wurden neun Personen in Gewahrsam genommen“, hieß es in der behördlichen Bilanz. Außerdem wurden 19 Platzverweise ausgesprochen und diverse Schäden an polizeilichen Dienstfahrzeugen registriert – vom zerkratzten Lack bis zu zerstochenen Reifen. Dass der Prozess vor dem Amtsgericht erst gut zwei Jahre nach dem Vorfall stattfand, hatte einen einfachen Grund: Der späte Verhandlungstermin lag daran, dass der Angeklagte zu den vorher anberaumten Sitzungen schlicht nicht erschienen war. Deshalb kam er nun, um seine Anwesenheit sicherzustellen, vorübergehend in Haft und wurde in Handschellen vorgeführt.

Da der 29-Jährige weder zur Person noch zur Sache etwas sagen wollte, war Amtsrichter Dautel auf drei Polizisten als Zeugen angewiesen. Die Beamtin, die den Schlag abbekommen hatte, konnte den Angeklagten aber nicht identifizieren. Sie war von hinten mit der schwarz-rot-weißen Flagge attackiert hatte. Einen Helm trug sie nicht, dafür eine Sicherheitsweste. Die „Körperschutzausstattung“ hatte den Schlag so gedämpft, dass keine Schmerzen spürbar waren, sagte das Opfer aus.

Den Angriff ausgelöst hatte laut Zeugenaussagen ein Schubser

Zwei Kollegen der Polizistin konnten den Täter jedoch identifizieren. Sie hielten ihm im Gerichtssaal zugute, dass er nicht mit voller Wucht ausgeholt, sondern nur aus dem Handgelenk zugeschlagen habe. Den Angriff ausgelöst hatte laut Zeugenaussagen ein Schubser: Eine Demonstrantin hatte in dem Gedränge am Rucksack einer Polizistin gezogen und war durch das spätere Opfer energisch beiseite geschoben worden. Das hatte den Angeklagten offenbar spontan zu der Attacke animiert.

Auch die Staatsanwältin ging davon aus, dass es sich um eine „Affekthandlung“ des 29-Jährigen gehandelt habe. Sie bezeichnete den Angriff aber als „ziemlich rücksichtslos“, weil er von hinten erfolgte und forderte eine achtmonatige Bewährungsstrafe sowie eine Geldbuße. Der Waiblinger Amtsrichter verurteilte den Angeklagten schließlich zu fünf Monaten und zwei Wochen Haft auf Bewährung. Außerdem muss der Mann 80 Stunden gemeinnützige Arbeit absolvieren. Die Fahne kann er übrigens nicht mehr schwingen – sie wurde von der Polizei eingezogen.