Das Amtsgericht Ludwigsburg musste sich in dieser Woche mit einem kuriosen Fall befassen. Foto: dpa

Zwei Männer sitzen wegen versuchter räuberischer Erpressung auf der Anklagebank. Am Ende stellt die Richterin das Verfahren ein. Wie kam es dazu?

Freiberg am Neckar - „Das kommt auch nicht alle Tage vor“, resümiert Richterin Koblinger am AmtsgerichtLudwigsburg, „dass ein Strafrahmen von fünf Jahren angeklagt wird, und das Verfahren am Ende doch eingestellt wird.“ Mit dieser Einschätzung setzte sie am Donnerstag einen Schlusspunkt hinter ein Strafverfahren, das sich zum Verhandlungsauftakt am Dienstag noch als chaotische Verstrickung von widersprüchlichen Aussagen, fragwürdigen Vernehmungsprotokollen und Gedächtnislücken präsentiert hat.

Auf der Anklagebank sitzen zwei Männer, Salvatore D. und Gianluca B. Ihnen wird vorgeworfen, einen dritten Mann, Kevin A. (alle Namen von der Redaktion geändert), mit einer Schreckschusspistole bedroht und 500 Euro von ihm verlangt zu haben. Am fraglichen Tag vor drei Jahren sei zunächst B. zu Kevin A. gefahren und habe ihm mit den Worten „Ich knalle dich ab!“, gedroht. Später am Abend seien er und Salvatore D. gemeinsam zu Kevin A. nach Hause gefahren und hätten vor der Wohnung in Freiberg am Neckar mit der Pistole in die Luft geschossen, bis Anwohner die Polizei alarmierten.

Aussagen der Angeklagten unterscheiden sich von der Version der Staatsanwaltschaft

Soweit die Anklage, die auf versuchte räuberische Erpressung lautet. Als Salvatore D. und Gianluca B. allerdings vernommen werden, stellen sie den Vorfall anders dar. Ja, er habe Mist gebaut und herumgeschrien, räumt D. ein. Er wollte sein Geld zurück, das er Kevin A. Monate zuvor geliehen hatte: besagte 500 Euro. Daran, dass er mit seiner Schreckschusspistole in die Luft geschossen habe, könne er sich nicht mehr erinnern. Er leidet unter dem Tourette-Syndrom und stand an dem Abend unter dem Einfluss von Beruhigungsmitteln. „Ich brauchte das Geld dringend für meine Medikamente“, sagt D., „ohne die kann ich mein Leben nicht führen“. Da er wegen seiner Krankheit im Berufsleben nur schwer Fuß fassen kann, bezieht er Grundsicherung.

Auch Gianluca B.’s Version der Ereignisse weicht von der Anklage ab. Er ist mit der Familie befreundet und war ein Arbeitskollege von A. Deswegen wollte er zwischen den beiden Männern vermitteln. „Ich habe ihm gesagt: Gib doch dem Jungen sein Geld zurück, der braucht das“, berichtet B. Daraufhin habe ihn A. zusammengeschlagen. Später am Abend habe er Salvatore D. lediglich zu der Wohnung gefahren. Er habe im Auto gewartet und nichts von der Pistole gewusst. Oft kann er sich während des Verfahrens aber auch nicht mehr an den genauen Ablauf erinnern.

Zeugenaussage des Opfers soll Licht ins Dunkel bringen

Kevin A. ist als Zeuge geladen, seine Aussage soll Klarheit schaffen. Ja, er habe Geld von Salvatore D. geliehen, sagt er und weicht damit von seiner polizeilich protokollierten Aussage von 2016 ab. „Ich habe keine Schulden bei ihm“, soll er damals gesagt haben. Und ja, er habe sich von Gianluca B. bedroht gefühlt und ihn daher zusammengeschlagen. „Meine Frau und mein Kind waren in der Wohnung, die wollte ich beschützen.“ Die Schulden zwischen ihm und Salvatore D. seien mittlerweile beglichen, bestätigt dieser. Am Ende wird das Verfahren eingestellt. Außerdem bestehen Zweifel an den Protokollen der Polizei. „Die Vernehmung ist bestenfalls suboptimal protokolliert worden“, urteilt der Staatsanwalt mit Blick auf die Akten.

„Das ist das berühmte blaue Auge, mit dem Sie jetzt davonkommen“, mahnt die Richterin Koblinger zum Abschied. „Alles Gute für die Zukunft. Und machen Sie keine Dummheiten mehr.“