Der Angeklagte fuhr so schnell, dass die Polizei nicht hinterher kam. Foto: dpa/Patrick Seeger

Endstation Amtsgericht: Ein 23-Jähriger raste in Ludwigsburg der Polizei davon. Dafür bekam er eine empfindliche Strafe – und er muss auch noch seinen BMW verkaufen.

Ludwigsburg - Der Mann auf der Anklagebank des Ludwigsburger Amtsgerichts mit seinem taillierten schwarzen Hemd will erkennbar einen guten Eindruck machen. Und das ist auch dringend nötig: Denn der Tatvorwurf, den der Staatsanwalt in der Anklage verliest, zeugt von hohem Unverstand, und nur durch Glück sind keine Menschen zu Schaden gekommen.

Mit mehr als 100 Stundenkilometern durch die Stadt

Der 23-jährige Ludwigsburger sei an einem Sonntagabend im April dieses Jahres vom Arsenalplatz mit quietschenden Reifen und ausbrechendem Heck losgefahren, um seinen Kumpels zu imponieren. Als eine Polizeistreife vorbeigekommen sei, habe er Gas gegeben und sei mit mehr als 100 Stundenkilometern durch die Innenstadt gerast, um die Polizisten abzuhängen. Auf dem Weg über die Wilhelm-, Uhland- und Abel- bis zur Marienstraße habe er rote Ampeln missachtet, sei über einen Gehweg gefahren, um wartenden Autos auszuweichen und habe einen anderen Autofahrer zu einem Ausweichmanöver gezwungen.

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Die Polizei verlor ihn am Ende aus den Augen, dennoch wurde er kurz darauf vorläufig festgenommen: Der 23-Jährige hatte seinen 326 PS starken BMW 440i auf den Hof der Feuerwache abgestellt. Ein Feuerwehrmann, dem das hohe Tempo und das vorbeifahrende Polizeifahrzeug mit Blaulicht aufgefallen war, meldete dies bei der Leitstelle.

Im Wesentlichen räumte der Angeklagte den Tatvorwurf ein, er bestritt lediglich, über rote Ampeln gefahren und einen Autofahrer zum Ausweichen gezwungen zu haben. „Ich hatte Angst gekriegt, als ich die Polizei gesehen habe und hatte einen Blackout“, erläuterte er sein Verhalten. Als er sein Auto in der Marienstraße abgestellt habe, sei sein Adrenalinspiegel runter, dafür sein Angstlevel hoch gegangen: „Ich hatte meinen Geldbeutel schon gezückt, als die Polizisten meinen Führerschein wollten.“

Angeklagter gibt den Corona-Einschränkungen die Schuld

Als Grund für die Raserei gab der Karosseriebauer an, extrem unter den Einschränkungen der Corona-Pandemie gelitten zu haben. Er habe neben seiner Arbeit bei einem großen Automobilunternehmen noch einen eigenen Fahrzeughandel betrieben und bis zu 16 Stunden pro Tag gearbeitet, ehe sein Berufs- und Privatleben durch die Pandemie ausgebremst worden sei.

Polizei bricht Verfolgung aus Sicherheitsgründen ab

Der Polizist, der den Ludwigsburger verfolgt hatte, erhärtete die Anklagevorwürfe nochmals: „Ich habe das Maximum aus unserem Dienstfahrzeug mit seinen 192 PS rausgeholt und konnte ihm nicht folgen. In der Marienstraße habe ich aufgegeben, weil ich die 120 Stundenkilometer dort nicht mehr verantworten konnte.“

Die Amtsrichterin Anne Bollacher verurteilte den 23-Jährigen wegen eines verbotenen Kraftfahrzeugrennens zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 80 Euro. Zudem bekommt er seinen Führerschein erst nach sechs Monaten zurück, sodass er insgesamt ein Jahr auf diesen verzichten muss. Darüber hinaus sprach die Richterin wegen seines BMW 440i eine sogenannte Einziehung unter Vorbehalt aus. Drei Monate lang hat der 23-Jährige Zeit, sein Auto bestmöglich zu verkaufen. Aus dem Erlös gehen 7000 Euro an die Staatskasse. Gelingt das nicht, wird das Auto eingezogen.

Richterin ermahnt der Raser: „Ein Auto wird zur Waffe“

„Es sprach für Sie, dass Sie einsichtig waren und kleinlaut aufgetreten sind“, sagte Bollacher. Sie rechnete ihm zudem positiv an, dass er seit Juni auf Anraten seines Anwalts bei einer Verkehrspsychologin in Behandlung ist, was angesichts zweier Bußgelder wegen überhöhter Geschwindigkeit innerorts von 30 und 50 Kilometern angezeigt sei. „Ein schnelles Auto ist kein Spielzeug, sondern wird zur Waffe“, sagte Bollacher. Der junge Mann hätte bei seiner Flucht eine Mutter mit Kinderwagen oder einen Fußgänger schwer verletzen können.