Der Mann musste sich vor dem Böblinger Amtsgericht verantworten. Foto: Symbolbild/dpa

Ein 30-jähriger Sindelfinger muss ins Gefängnis, weil er sich 20 Mal an seiner zehnjährigen Stieftochter vergangen hat.

Böblingen - Es war harter Tobak, was der Vorsitzende Richter Ralf Rose am Dienstag im Böblinger Amtsgericht zu hören bekam. Ein 30-jähriger Angeklagter hatte seine damals erst zehn Jahre alte Stieftochter sexuell missbraucht – und zwar nicht nur einmal, sondern der Anklageschrift zufolge von Herbst 2017 an 20 Mal in einem Zeitraum von rund einem halben Jahr. Zwei Jahre und drei Monate muss der Sindelfinger dafür ins Gefängnis.

Mit im Schoß verborgenen Händen, zusammengesackten Schultern und einem nach unten gerichteten Blick verfolgte der 30-Jährige den Prozess. Um seiner Stieftochter die Aussage vor Gericht zu ersparen, hat er die Vorwürfe vollumfänglich eingeräumt. Er könne sich nicht erklären, wie es dazu gekommen sei, sagte der Mann, der immer wieder um Worte rang und mit den Tränen kämpfte. „Eigentlich wollte ich wohl nur Nähe und Zuneigung.“ In einer Therapie versuche er zurzeit, das Geschehene aufzuarbeiten und die Hintergründe zu verstehen. Die Diagnose Persönlichkeitsstörung stehe im Raum.

Bekannte der Mutter erstatteten Anzeige

Zu den Taten sei es immer dann gekommen, wenn er und das Kind, zu dem er eigentlich ein liebevolles Verhältnis gehabt habe, abends allein im Zimmer gewesen seien, berichtete der 30-Jährige. Mal sei die Mutter währenddessen nicht zuhause gewesen, mal habe sie schon geschlafen. Mehrfach hat sich der Mann dann zu seiner Stieftochter ins Bett gelegt, wenn sie nicht schlafen konnte. Dabei hat er sie im Intimbereich berührt und sie später dazu animiert, dies auch bei ihm zu tun.

Im April 2018 erstatteten Bekannte der Mutter schließlich Anzeige bei der Polizei. Die Mutter, die ebenso wie ihr Mann unter Depressionen leidet, hatte sich trotz eines entsprechenden Verdachts nicht an die Beamten gewandt. Wie sich bei den Ermittlungen der Polizei herausstellte, hatte sich die Zehnjährige zuvor auch schon Erwachsenen aus ihrer Schule anvertraut. In der Umkleide nach dem Schwimmunterricht beispielsweise habe sie gegenüber einer Praktikantin gesagt, dass sie von ihrem Vater im Intimbereich berührt worden sei, berichtete die Beamtin der Böblinger Kriminalpolizei, die die Ermittlungen übernommen hatte. Allerdings sei man in der Schule davon ausgegangen, dass die Anschuldigungen falsch seien, da das Mädchen öfter die Unwahrheit gesagt habe. „Es hat ihr wehgetan, dass ihr niemand geglaubt hat“, sagte die Polizistin.

Pornografische Videos und Fotos auf dem Rechner

Bei der Vernehmung durch die Polizei sei der Angeklagte zwar emotional stark belastet, aber auch sehr kooperativ gewesen und habe alles zugegeben. „Ich hatte den Eindruck, er war erlöst, dass die Polizei jetzt kam.“Auf seinem Rechner fanden die Beamten später noch 40 pornografische Fotos und zwölf Videos von jugendlichen Mädchen, die sich der Angeklagte angesehen hatte, wie er ebenfalls zugab.

Schließlich verurteilte Rose den 30-Jährigen wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen zu der genannten Haftstrafe ohne Bewährung. „Das ist ein besonderer Fall, wir sehen die Dramatik“, sagte Rose zu dem Angeklagten, der sich nach der Urteilsverkündung die Hände vor das Gesicht geschlagen hatte. Zwar habe er ihm seine Therapiewilligkeit, sein Geständnis und seine offenkundige Reue zu Gute gehalten, da er seiner Stieftochter damit auch einen Auftritt vor Gericht erspart habe. Außerdem sehe er ein, dass auch der 30-Jährige ein Leidtragender seiner Taten sei, da er dadurch seine Familie zerstört habe – der Kontakt sei seit den Ermittlungen weitgehend abgebrochen. „Das würdigen wir in ganz erheblichem Maße.“

Warnendes Exempel

Trotzdem sei der Mann in die Intimsphäre des Mädchens eingedrungen – und das in Situationen, in denen es ihn um Hilfe gebeten hatte, nämlich beim Einschlafen. „Sie haben das Vertrauen des Kindes ausgenutzt.“ Ob das Mädchen bleibende Schäden davontrage, könne im Moment aber noch nicht sicher gesagt werden.

Das Urteil will Ralf Rose außerdem als eine Art warnendes Exempel verstanden wissen. „Es kann nicht sein, dass in der Bevölkerung der Eindruck entsteht, man könne mit Kindern machen, was man will, und wenn man sich dann vor Gericht geständig zeigt, kommt man mit einer Bewährungsstrafe davon.“ Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.