Die stellvertretende Amtsgerichtsdirektorin und Strafrichterin Iris Käppler-Krüger hat in den vergangenen Jahrzehnten auch kuriose Fälle erlebt. Foto: Janey Schumacher

Im letzten Teil unserer Serie zum Amtsgericht berichtet heute die stellvertretende Amtsgerichtsdirektorin Iris Käppler-Krüger über zwei der kuriosesten Geschichten, die sie während der vergangenen 30 Jahre als Strafrichterin erlebt hat.

Bad Cannstatt - Im Rahmen einer sechsteiligen Serie werfen wir einen Blick hinter die Kulissen des Amtsgerichts Bad Cannstatt, das für den Stadtbezirk sowie für Untertürkheim, Obertürkheim, Feuerbach, Münster, Mühlhausen, Stammheim, Weilimdorf und Zuffenhausen zuständig ist.

Im letzten Teil berichtet heute die stellvertretende Amtsgerichtsdirektorin Iris Käppler-Krüger über zwei der kuriosesten Geschichten, die sie während der vergangenen 30 Jahre als Strafrichterin erlebt hat.

Weil er immer „feurige Liebesbriefe“ an seine Freundin schrieb, ist ein junger Mann, dem vor einigen Jahren der Prozess gemacht wurde, besonders aufgefallen. Die Richterin wurde auf den Inhalt seiner Briefe aufmerksam, weil er in Untersuchungshaft saß und seine Post daher kontrolliert wurde. „Als es dann zur Hauptverhandlung kam, saß seine Freundin im Zuschauerraum“, sagt Käppler-Krüger. Der junge Mann wurde zu einer Bewährungsstrafe verurteilt und bekräftigte nach dem Prozess, dass er mit seiner Freundin zusammen bleiben wolle. Die Richterin hat das junge Paar nach der Verhandlung turtelnd im Foyer angetroffen und angesprochen. „Sinngemäß habe ich den beiden gesagt, dass ich gespannt bin, wie es weiter geht, jetzt aber noch nicht die Zeit für Nachwuchs sein sollte.“

Anruf vom Liebesbriefschreiber

Es vergingen etliche Monate und Richterin Käppler-Krüger hörte von dem jungen Mann nichts mehr, „außer, dass er sich an seine Bewährungsauflagen hielt“. Doch eines Tages klingelte ihr Telefon. Am anderen Ende der Leitung meldete sich der Liebesbriefschreiber. „Ich muss Ihnen etwas sagen“, begann er das Gespräch. Käppler-Krüger bereitete sich innerlich schon einmal auf das Schlimmste vor und sammelte sich. Was war der Grund für den Anruf? Wurde er erneut straffällig? Hat er gegen seine Bewährungsauflagen verstoßen? „Meine Freundin ist schwanger“, so die Nachricht des jungen Mannes, der sich die Frage anschloss, ob er nun ins Gefängnis müsse. Er hatte die Bemerkung der Richterin, dass jetzt nicht die richtige Zeit für Nachwuchs sei offenbar so verstanden, dass eine Vaterschaft gegen seine Bewährungsauflagen verstoße. Hierauf antwortete die Richterin weder „Ja“ noch „Nein“, sondern stellte stattdessen die Frage, wie er sich sein weiteres Leben vorstelle und, dass es wichtig sei, dass seine Zukunft in geregelten Bahnen verlaufe. Rechtlich hatte die Schwangerschaft der Freundin selbstredend keinen Einfluss auf die Bewährungsauflagen, aber praktisch habe sie ihn einfach etwas „anschubsen“ wollen.

Ob das funktioniert und das Schicksal des jungen Mannes eine positive Wendung vernommen hat, weiß Käppler-Krüger zwar nicht, aber die Zeichen stehen nicht schlecht: Seit Ablauf der Bewährungsstrafe hat sie nichts mehr von ihm gehört, bei einer Strafrichterin ein gutes Zeichen.

Merkwürdiger Zettel

Eine andere Nachricht, die sie in der Form nur ein einziges Mal erhalten hat, steht auch im Zusammenhang mit einer Untersuchungshaft: Ein anderer junger Mann, der immer wieder wegen Diebstählen aufgefallen ist, saß vor dem Prozess in einer der Zellen im Untergeschoss des Amtsgerichts. „Er wurde zu einer hohen Jugendstrafe verurteilt und wieder in eine Justizvollzugsanstalt gebracht.“

Nachdem der junge Mann die Zelle des Amtsgerichts verlassen hatte, überprüfte ein Wachtmeister, ob Gegenstände vergessen wurden. Dabei entdeckte er einen kleinen Zettel, auf dem der Inhaftierte eine Nachricht hinterlassen hatte. „Tut mir leid, dass ich Ihnen so viele Umstände gemacht habe. Es ist nicht gegen Sie, aber ich musste die Gelegenheit zur Flucht nutzen“, stand da. Der Schreck war groß. „Wir haben dann sofort in Stammheim angerufen und uns erkundigt“, sagt Käppler-Krüger. Da Ergebnis: Der Transport verlief problemlos, der Angeklagte war nicht geflohen und hatte auch keinen Versuch dahingehend unternommen. Erleichterung machte sich bei den Beteiligten im Amtsgericht breit.

Was es mit dem Zettel auf sich hatte, ist für Richterin Käppler-Krüger auch heute noch ein Rätsel. „Ich weiß nicht, was in seinem Kopf vorgegangen ist“, sagt sie. „Mit der Entschuldigung hat er eine Seite gezeigt, die wir bis dato nicht an ihm kennengelernt haben.“ Einzuschätzen, was in den Köpfen der Beteiligten vorgeht, ist auch im Gerichtssaal nicht immer einfach, ob etwa ein Zeuge die Wahrheit sagt oder lügt. Oft gibt es jedoch objektive Fakten, die eine Bewertung zulassen.