Im November 2023 besetzten Aktivisten das Dach des Kühnle-Schlachthofs in Backnang. Jetzt steht die erste Beteiligte von Animal Rebellion vor Gericht – und spricht über ihre Motive.
Die Bilder gingen viral: Transparente, Rauchfackeln, Aktivisten im Morgengrauen auf dem Dach eines Backnanger Schlachthofs. Am 3. November 2023 hatte eine Gruppe von Tierschützern der Organisation Animal Rebellion den Betrieb besetzt – mit Leitern, Parolen und einem klaren Ziel: Aufmerksamkeit für Tierleid und Klimakrise.
Zwei Jahre später zieht das Amtsgericht Backnang eine erste juristische Linie unter die spektakuläre Aktion. Eine 37-jährige Aktivistin wurde nun wegen Hausfriedensbruchs verurteilt.
Schlachthof-Skandal: Heimliche Aufnahmen
Schon 2022 war der Schlachthof der Metzgerei Kühnle ins Visier von Tierrechtsorganisationen geraten. Der Verein Soko Tierschutz veröffentlichte heimlich gedrehte Aufnahmen aus dem Betrieb – laut eigener Einschätzung zeigten sie massive Verstöße gegen das Tierschutzgesetz. Die Reaktion: Der Schlachthof wurde vorübergehend geschlossen. Doch im Herbst 2024 nahm das Unternehmen den Schlachtbetrieb wieder auf – trotz zuvor anhaltender Kritik aus der Tierrechtsszene.
Bereits im August 2023 hatte die Metzgerei die Wiedereröffnung angekündigt. Laut eigener Aussage seien keine Verstöße festgestellt worden. Auch das unabhängige Tierschutzinstitut bsi Schwarzenbek bestätigte die Rechtmäßigkeit der Abläufe. Gleichwohl betonte das Unternehmen, das rund 140 Mitarbeitende beschäftigt und 16 Filialen in der Region betreibt, den Betrieb „nach neuesten Tierwohlkriterien“ umgebaut zu haben.
Dachbesetzung mit Risiko – Polizei greift durch
Am Morgen des 3. November 2023 versammelten sich rund 50 Demonstrierende am Schlachthof in der Sulzbacher Straße. Einige besetzten das Dach, andere blockierten den Eingang. Auf Bannern stand: „Kein Tier will hier sterben“ und „Pflanzenprotein statt Tierleid“. Die Polizei reagierte mit einem Großeinsatz, unter anderem wegen der Sorge, das Dach könne unter der Last der Personen einstürzen. Mit Hilfe der Feuerwehr wurden die Aktivisten heruntergeholt. Die letzten von ihnen verließen das Dach gegen 13.15 Uhr.
Eine heute 37-jährige Aktivistin hatte wegen der Aktion im Januar 2025 einen Strafbefehl erhalten. Wie das Amtsgericht Backnang auf Nachfrage mitteilt, sah dieser eine Geldstrafe von 20 Tagessätzen à 30 Euro vor. Die Angeklagte legte Einspruch ein, weshalb es zu einer Verhandlung kam. Im Prozess wurde der Tagessatz auf 20 Euro reduziert. Die wirtschaftliche Situation der Frau sei dabei berücksichtigt worden.
Trotz des Verständnisses für die Beweggründe der Angeklagten betonte die zuständige Richterin, dass ein Freispruch rechtlich nicht möglich sei. Zum Zeitpunkt der Besetzung habe es keine gesicherten Hinweise auf Verstöße gegen das Tierschutzgesetz gegeben.
Aktivistin: „Ich kann nicht länger zusehen, wie Tiere leiden“
Die Aktivistin ließ im Verfahren keinen Zweifel an ihrer Haltung. „Ich habe an der Demonstration teilgenommen, weil ich nicht länger zusehen kann, wie Tiere leiden und unsere Lebensgrundlagen zerstört werden“, erklärte sie vor Gericht. Ihr Ziel sei es gewesen, auf systematische Missstände hinzuweisen, nicht zu provozieren.
Deutliche Worte fand sie auch für den Betreiber des Betriebs: „Er wird zum Millionär auf dem Rücken unzähliger Tiere – und letztlich des ganzen Planeten.“ Ihre Botschaft: Der Protest richte sich gegen ein gewinnorientiertes System, nicht gegen Einzelfälle.
Ermittlungen laufen weiter – Urteil noch nicht rechtskräftig
Laut dem Backnanger Amtsgerichtsdirektor Florian Bollacher ist das Urteil gegen die 37-Jährige noch nicht rechtskräftig. Rechtsmittel können bis zum 13. Oktober eingelegt werden. Ob weitere Beteiligte ebenfalls vor Gericht gestellt werden, sei derzeit noch offen.
Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft dauern an. Für die Tierschutzbewegung ist der Fall jedoch längst mehr als eine juristische Episode – er ist ein Symbol für den wachsenden Widerstand gegen die Tötung von Tieren zu menschlichen Ernährungszwecken.