Für rund 650.000 Euro wird derzeit in Schorndorf ein neues Amphibienschutzsystem mit sechs Tunneln gebaut. Etliche Kritiker sagen: Das sind zu viele Kröten für die Kröten!
Für rund 650.000 Euro wird derzeit in Schorndorf ein neues Amphibienschutzsystem mit sechs Tunneln gebaut. Etliche Kritiker sagen: Das sind zu viele Kröten für die Kröten!
Schorndorf - Noch in diesem Januar sollen die Bauarbeiten an der Landesstraße zwischen Schorndorf und dem südlichen Stadtteil Oberberken abgeschlossen werden. Die dortigen sechs Krötentunnel wurden bereits bei der Sanierung im Sommer 2012 auf einer Länge von 450 Metern unterhalb der Straße eingebaut. Jetzt folgen noch die Krötenleitungseinrichtungen – diese sind 40 Zentimeter Meter hoch und oben mit Wülsten ausgestattet, damit die Amphibien nicht drüber klettern, sondern auch wie vorgesehen durch die Röhren zu ihrem Laichgewässer, einen im Wald versteckten Tümpel, gelangen.
Bisher wurden jährlich an die 2000 Erdkröten, Molche und Frösche dadurch gerettet, dass ein Team um den Winterbacher Hans-Jörg Kaifel am Straßenrand mobile Zäune errichtete, sich im März nächtlich per Taschenlampe auf die Suche nach Amphibien machte und in Eimern hinübertransportierte. Doch die Arbeit ist anstrengend, und es gibt Nachwuchsprobleme.
Deshalb können Krötentunnel helfen. Derartige Einrichtungen wurden in den vergangenen Jahren öfter im Großraum Stuttgart errichtet. Am Hanweiler Sattel bei Korb (Rems-Murr-Kreis) wurden bereits 2009 für 270.000 Euro sechs Durchgänge gebaut. Friedrich Grießhaber vom der Ortsgruppe Korb des Bunds für Umwelt und Naturschutz ist zufrieden: Die meisten der 2300 Amphibien seien auf diese Weise am Leben geblieben, und man benötige trotz der großen Erdkrötenpopulation deutlich weniger Helfer. Auch bei Waldburg im Kreis Ravensburg werden mit Geldern des Landes Amphibientunnel gebaut, damit 3000 Kröten, Frösche und Molche problemlos in Sicherheit gelangen. Kosten: rund 600 000 Euro.
„Da möchte man gern mal Frosch sein und durchrutschen"
In Schorndorf liegen die Kosten gar bei rund 650.000 Euro. „Nächste Woche werden die Leiteinrichtungen fertig“, berichtet Roland Groke, Fachbereichsleiter des Regierungspräsidiums mit Büro in Göppingen. An jener bekannten Haarnadelkurve seien zahlreiche Erdbewegungen nötig gewesen, ein Entwässerungskanal musste tiefer gelegt werden, begründet Groke, warum es in Schorndorf etwas teurer wird als andernorts. „In einer Dammlage statt wie hier mit dieser unsymmetrischen Situation wäre es günstiger.“
Mehr als 600.000 Kröten für ein paar Kröten? In der Lokalpresse hagelte es zahlreiche kritische Stimmen. Welch „grandioses Bauwerks, lästerte Jürgen Richter aus Oberberken: „Da möchte man gern mal Frosch sein und durchrutschen.“ Mit großem Geräte, so Dieter Albrecht aus Urbach, „wurde die gesamte Strecke großzügig ausgekoffert. Anstelle des kleinen Plastikzaunes wird jetzt für 600.000 Euro ein massives Kröten-Beton-Bollwerk für die nächsten Jahrhunderte erstellt.“ Sein ironischer Vorschlag: einem der bisher dort aktiven Naturfreunde 2000 Euro zahlen. Bei 21 Tagen Krötensammelei könne der Mann umgerechnet für 47,62 Euro Stundenlohn „die nächsten 300 Jahre den Dienst an der Umwelt vollbringen“.
Radikal sind Karl-Heinz und Monika Wahl aus Oberberken: Juchtenkäfer, Fledermaus oder Rotmilan könne man ja schon schützen, doch angesichts leerer Kassen sollte man auch beim Naturschutz überlegen, was wichtig und richtig sei. „Wir wollen diese erzwungenen Maßnahmen nicht weiter unterstützen und kündigen noch heute unsere Mitgliedschaft beim Nabu.“
Ganz anders der Schorndorfer Wolfgang Schnabel: Als vor Jahren in jedem Frühjahr Tausende von Kröten überfahren wurden, habe dies kaum einen interessiert. Jetzt endlich passiere etwas derart Vernünftiges „und löst trotzdem blankes Entsetzen im Land aus – oder ist es vielmehr so, dass manche Leute einfach nur mal rummotzen wollen?“
Roland Groke jedoch ist überzeugt, „dass hier etwas Sinnvolles gemacht wurde“. Sicher sei es viel Geld, „aber in zwei Jahrzehnten wird dies Anlage immer noch Bestand haben, und von den Kosten spricht keiner mehr“.