SPD und Grüne haben bei der Europawahl extrem ernüchternde Ergebnisse erzielt. Die FDP fühlt sich mit etwas mehr als fünf Prozent als kleiner Ampelsieger. Die Verhandlungen über den Haushalt dürften noch einmal härter werden.
Die Spitzenkandidatin der SPD zur Europawahl, Katarina Barley, lächelt noch zu dem Applaus, den sie von Mitarbeitern im Willy-Brandt-Haus, der Parteizentrale in Berlin, bekommt. Kevin Kühnerts Gesicht bleibt ernst. Das Wahlergebnis von 13,9 Prozent – Platz drei hinter der AfD – ist blamabel für eine Kanzlerpartei. Genau daran lässt der SPD-Generalsekretär auch keinen Zweifel. Er spricht von einem sehr schwierigen Tag und davon, dass es „überhaupt gar nichts schönzureden“ gebe. „Wir haben gestern ein Wahlergebnis erlebt, was für den Stolz der Sozialdemokratischen Partei wirklich eine Kränkung bedeutet hat“, erklärt Kühnert.
Es ist eine Niederlage, die Bundeskanzler Olaf Scholz unter Druck bringt. Vertrauensfrage? Neuwahlen? Nein, heißt es seitens des Regierungssprechers. Kühnert räumt offen ein, die Ampel habe momentan anscheinend den Anschluss an Teile der Gesellschaft verloren – auch bei Menschen mit kleinen Einkommen. Das schmerzt die SPD. Gerade für diese Menschen habe man in der Regierung doch viel getan: vom höheren Mindestlohn bis zum Wohngeld. Wer ist schuld daran, dass die SPD so schlecht dasteht? Zusammen gewinnen, zusammen verlieren, so formuliert es der Generalsekretär. Bloß keine Kanzlerdebatte, heißt das übersetzt.
Den Anschluss verloren
Aufhorchen lässt Kühnerts Antwort auf die Frage, was das Wahlergebnis für die Ampel bedeute. Die Menschen, die bei der Bundestagswahl im Jahr 2021 SPD gewählt hätten, „die wollen uns kämpfen sehen“, sagte er. Einen Sparhaushalt auf Kosten des Sozialen könne und werde es mit seiner Partei nicht geben, betont er. Das wirft die Frage auf, wie viel Flexibilität die Sozialdemokraten im Haushaltsstreit Kanzler Scholz für eine Einigung mit FDP-Chef und Finanzminister Christian Lindner lassen werden.
Auch bei den Grünen ist die Stimmung am Tag nach der Wahl gedrückt – man könnte auch sagen: traurig bis wütend. In der Parteizentrale stellen sich die Bundesvorsitzenden Omid Nouripour und Ricarda Lang sowie Spitzenkandidatin Terry Reintke den Fragen der Presse. Reintke, die im Wahlkampf meist in knalligen Farben auftrat, trägt nun Schwarz. „Das Ergebnis kann uns nicht zufriedenstellen“, sagt Nouripour. Man brauche nun Zeit für eine Analyse, die man aber „zügig“ vorlegen wolle. Lang betont: „Es kann kein Weiter-So“ geben.“
Warum konnten die Grünen nicht mal ihr Kernklientel mobilisieren? Hat die Partei nun zu viel oder zu wenig Klimaschutz gemacht, nach links oder in die Mitte verloren? In der Fraktion gibt es unterschiedliche Ansichten. Mancher mutmaßt, man habe sich in der Europawahlkampagne zu einseitig als Partei gegen den Rechtsruck und nicht genug mit eigenen Inhalten präsentiert. Andere halten entgegen, dass der Fokus auf die Demokratie vielversprechend gewesen sei – er habe nur nicht funktioniert.
Es gibt viel Unmut über die Parteioberen. Aber liegt das Problem nun bei den Vorsitzenden, dem Vizekanzler oder der politischen Geschäftsführerin? Zu Antworten oder gar Rücktrittsforderungen lässt sich vorerst niemand hinreißen.
Harsche Worte, turbulente Zeiten
Und was ist mit der FDP? Sie fühlt sich mit ihren 5,2 Prozent ausnahmsweise mal als kleiner Sieger unter den Ampelparteien. Finanzminister Christian Lindner macht noch einmal klar, mit der FDP werde es keine Ausnahme von der Schuldenbremse und auch keine Steuererhöhungen geben.
„Selbstverständlich müssen sich unsere Koalitionspartner bei ihren dramatisch schlechten Ergebnissen auf die Freien Demokraten zubewegen“, sagt FDP-Vize Wolfgang Kubicki unserer Redaktion. Der – laut Kubicki vor allem von den Grünen verfolgte politische Ansatz – den Menschen zu erklären, wie sie sich zu verhalten hätten, sei an ein Ende gekommen: „Die arrogante Bevormundungspolitik mit dem Staat als Geldverteilungsmaschine im Hintergrund lockt niemanden mehr hinter dem Ofen vor.“
Das klingt nach turbulenten Zeiten in der Ampel.