Aktenordner stehen beim Prozessauftakt gegen den Vater des Amokläufers von Winnenden im Gerichtsaal des Landgerichts Stuttgart. Foto: dpa

Die Staatsanwaltschaft hat vor dem Landgericht Bewährung für den Vater von Tim K. beantragt.

Stuttgart - Die Staatsanwaltschaft hat im Prozess um den Amoklauf von Winnenden und Wendlingen am Dienstag vor dem Landgericht Stuttgart beantragt, den Vater des Amokläufers Tim K. wegen 15-facher fahrlässiger Tötung, wegen fahrlässiger Körperverletzung in 13 Fällen sowie wegen eines Verstoßes gegen das Waffengesetz zu zwei Jahren Gefängnis auf Bewährung zu verurteilen. Die Angehörigen der Opfer hätten vielleicht eine ganz andere Vorstellung davon, wie hart der Angeklagte zu bestrafen sei, sagte Oberstaatsanwalt Hans-Otto Rieleder, aber: "Wir dürfen nicht den Fehler machen, den Angeklagten für die Taten seines Sohnes zur Rechenschaft ziehen zu wollen", ergänzte Staatsanwältin Eva Hanss.

Kurz zuvor hatte Reiner Skujat, Vorsitzender Richter der 18. Strafkammer, die Beweisaufnahme geschlossen. Das Mammutverfahren gegen Jörg K., den 52 Jahre alten Vater des Amokschützen, an dem 43 Nebenkläger und deren 19 Anwälte teilnehmen, neigt sich dem Ende zu. Seit Mitte September vorigen Jahres wird verhandelt, Jörg K. ist seit Ende Oktober 2010 mit Billigung des Gerichts nicht mehr anwesend.

Vater  von Tim K. nahm Sohn nach Therapie mit in Schützenverein

Tim K. habe am 11. März 2009 15 Menschen in der Albertville-Realschule in Winnenden, auf seiner Flucht und schließlich in einem Autohaus in Wendlingen getötet sowie 15 Menschen schwer verletzt, ehe er sich selbst erschossen habe, so Anklägerin Hanss. "Die Frage nach dem Warum bewegt die Angehörigen der Opfer, die Familie des Täters und die Öffentlichkeit. Aber auch wir von der als Staatsanwaltschaft müssen uns damit abfinden, dass wir die Tat nicht erklären können", sagte Hanss weiter. Klar sei jedoch, dass Jörg K. die Tatwaffe vorschriftswidrig im Kleiderschrank versteckt habe und er auch mit der Munition sehr nachlässig umgegangen sei. Als die Staatsanwältin den Ablauf des Amoklaufs skizzierte, flossen erneut Tränen bei den Angehörigen der Opfer.

Jörg K. habe gewusst, dass sein Sohn kein normaler Jugendlicher, sondern ein einsamer Sonderling gewesen sei. Nach der ersten Therapiestunde in der Jugendpsychiatrie in Weinsberg hätten die Eltern von Tims Hass auf die Welt und von seinen Tötungsfantasien erfahren.

Trotzdem habe der Vater den 17-Jährigen gleich nach der ersten Therapiestunde ausgerechnet mit zum Schützenverein genommen, damit Tim unter Menschen komme. "Jeder Durchschnittserwachsene hätte das erhöhte Gefahrenpotenzial erkennen können - so auch der Angeklagte", sagte Eva Hanss, die zusammen mit ihrem Kollegen Rieleder die Verteidigung scharf angriff. Die Verteidiger hätten mehrere Polizisten im Zeugenstand "rücksichtslos und unangemessen" behandelt. Rieleder sagte, das Verteidigungsverhalten sei "nicht immer anständig" gewesen. Er habe nicht mehr den Eindruck, dass Jörg K. - anders als noch kurz nach der Tat - Reue und Einsicht empfinde. Jörg K. hat im Prozess, der am 18.Januar fortgesetzt wird, geschwiegen.