Nach dem Amoklauf in Winnenden sind zahlreiche Waffen verschrottet worden. Von Donnerstag an steht der Vater von Tim K. vor Gericht - Wegen Verstoßes gegen das Waffengesetz. Foto: dpa

Von Donnerstag an steht Jörg K. vor dem Landgericht - Verstoß gegen das Waffengesetz.

Stuttgart - Wer für den Amoklauf am 11. März 2009 in Winnenden und Wendlingen verantwortlich ist, steht fest: Tim K., 17 Jahre alt, stiller Typ und kontaktarm, möglicherweise psychisch labil, Waffennarr. Er stürmte gegen 9.30 Uhr in die Albertville- Realschule und eröffnete mit einer Sportpistole das Feuer. Im Kugelhagel starben neun Schüler und drei Lehrer. Auf seiner Flucht tötete er drei weitere Menschen und erschoss sich selbst. Die Bluttat hatte bundesweit Entsetzen ausgelöst.

Hinterbliebene erleichtert über Prozess

Von diesem Donnerstag an steht Tims Vater, Jörg K., vor dem Landgericht Stuttgart - wegen Verstoßes gegen das Waffengesetz. Die Tatwaffe hatte der Vater rechtswidrig im Schlafzimmerschrank aufbewahrt. In Deutschland hat es noch nie einen Strafprozess gegeben, bei dem ein Unbeteiligter nach einem Amoklauf vor Gericht stand.

Die Hinterbliebenen sind erleichtert, dass es zu einem Prozess kommt. „Sie haben Angst, denn es wird alles wieder hochkommen. Das Verfahren kann aber auch ein wichtiger Beitrag für die Aufarbeitung des schrecklichen Geschehens sein“, betont ein Vertreter der Nebenklage, der Waiblinger Rechtsanwalt Jens Rabe. Nicht wenige jedoch sehen den Vater und die Familie des Täters bereits als genug gestraft an. „Ein junger Mensch hat 15 Mitmenschen und dann sich selbst getötet. (...) Er hat Familien in Trauer und Verzweiflung gestürzt - auch seine eigene. Auch sie hat ein Kind verloren. Auch für sie ist eine Welt zusammengebrochen“, hatte der damalige Bundespräsident Horst Köhler schon beim Staatsakt für die Opfer des Amoklaufs betont.

Staatsanwaltschaft  weist Anklage wegen fahrlässiger Tötung zurück

Ursprünglich wollte die Staatsanwaltschaft Stuttgart das Verfahren mit einem Strafbefehl gegen den Vater beenden. Generalstaatsanwalt Klaus Pflieger wies jedoch eine Anklage gegen den 51-jährigen Geschäftsmann wegen fahrlässiger Tötung, fahrlässiger Körperverletzung und Verstoßes gegen das Waffengesetz an.

Sein Argument: Die seit der Reform des Waffengesetzes möglichen unangekündigten Waffenkontrollen zeigten, dass das Ausmaß der Missstände erschreckend ist: Mehr als die Hälfte der Kontrollierten im Südwesten hatten sich nicht an die Vorschriften gehalten. Pflieger hofft, dass vom Prozess auch ein „generalpräventives“ Signal ausgeht - unabhängig von einer Bestrafung des Vaters: „Bei künftigen Fällen werden die Waffenbesitzer nicht mehr sagen: Wir hatten keine Ahnung. Jetzt weiß man, wozu ein laxer Umgang mit Waffen führen kann.“

Hätte Vater etwas ahnen müssen?

Besonders für die Nebenklage ist von Bedeutung, ob der Vater hätte ahnen müssen, dass sein Sohn die Waffe für eine solche Tat nutzen könnte. Hier kommt die Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie in Weinsberg ins Spiel. Tim K. war dort zu mehreren Gesprächen mit einer Psychologin. Dort berichtete er über Mord- und Tötungsfantasien, die ihn quälten. Die Eltern bestreiten, davon gewusst zu haben.

Für den Prozess sind zunächst 27 Verhandlungstage anberaumt. Neben den wichtigsten ermittelnden Polizeibeamten sind Rechtsmediziner, die Mutter des Täters und seine Schwester als Zeugen geladen.