Im Gerichtssaal: Der Waffenhändler Philipp K. zwischen seinen Verteidigern Foto: dpa

In München steht der Waffenhändler vor Gericht, der dem Amokläufer David S. die Pistole verkauft hat. „Habe diesen Scheiß auf die leichte Schulter genommen.“

München - Er sitzt auf der Anklagebank, groß und hager, raspelkurz das dunkle Haar, Hemd und Hose noch dunkler. Er sagt kein Wort, und das soll nach den Worten seiner Anwälte den ganzen Prozess über so bleiben. Der Waffenhändler Philipp K. aus Marburg, 32 Jahre alt, hat dem Münchner Amokläufer vom Juli 2016 die Pistole verkauft und die Munition dazu. Das räumt er an diesem Montag zu Prozessbeginn ein. Besser gesagt: Seine beiden Anwälte räumen das in einer fein abgewogenen „Verteidiger-Erklärung“ ein. Darin steht auch, dass ihr Mandant „in ehrlich gemeinter Art und Weise“ den Angehörigen der neun Getöteten und der fünf Verletzten „ein ernsthaftes Beileid und sein Bedauern“ ausspricht.

In Richtung der Zuschauerränge in genau demselben Gerichtssaal, in dem auch der NSU-Prozess tagt, schaut niemand. Dort säßen einige dieser Angehörigen. „Sämtliche Vorwürfe“ der Staatsanwaltschaft, so sagt ein Verteidiger, habe Philipp K. eingeräumt. Das ist – wie so vieles an diesem ersten von geplant zehn Verhandlungstagen – erst mal eine prozesstaktische Aussage. In jenem Punkt nämlich, der für die rechtliche Bewertung des Waffendeals und für das Strafmaß entscheidend ist, widerspricht K. der Anklage. Dort hieß es, für den Waffenhändler sei „vorhersehbar“ gewesen, was der damals 18-jährige David S. mit der Pistole vorhatte. Philipp K. hingegen lässt verlesen: Hätte er „Anzeichen“ dafür gehabt, dass sein Kunde psychisch krank war und einen so „grauenhaften Amoklauf“ plante, hätte er ihm „diese Waffe nie verkauft“.

In dunklen Netzen

Genau betrachtet hat ja auch schon die Anklage vorsichtig formuliert: Die „Vorhersehbarkeit“ einer Sache ist noch kein „Mitwissen“ – so wie es die etwa 15 Anwälte der Hinterbliebenen als Nebenkläger dem Waffenhändler gerne anlasten würden. Der Unterschied ist beträchtlich. Hat Philipp K. nichts von den Plänen von David S. „gewusst“, bleibt es beim Vorwurf der fahrlässigen Tötung und einer Haft von höchstens drei Jahren. Lässt sich Mitwissen nachweisen, dann werden daraus Beihilfe zur Tötung in neun Fällen und bis zu 15 Jahren Gefängnis.

Seit 2014, heißt es in der Anklage, habe sich der gelernte Kaufmann ohne festen Job ein Einkommen durch illegalen Waffenhandel gesichert. Als „rico“ trat er im Darknet auf, dem anonymen Teil des Internets. Zur Warenübergabe aber lud er die Kunden nach Marburg ein, um sich – das sagen er und seine Anwälte – ein Bild von der jeweiligen Persönlichkeit zu machen und „um bestmöglich auszuschließen, dass Waffen in falsche Hände gerieten“.

Waffen nur als Hobby?

Philipp K. stellt den Waffenhandel als sein Hobby dar: Er habe verkauft, um mit den Einnahmen seine Sammlung auszuweiten. Er gesteht 19 Käufe in elf Tranchen, alle über dunkle Internetkanäle in der Schweiz und in Tschechien. Er gesteht auch zwölf Verkäufe, den letzten an David S. im Mai und im Juli 2016. Elf weitere Objekte – Waffen und Zubehör – haben Ermittler in einer Kiste gefunden, die K. im Wald vergraben hatte.

Aus der Untersuchungshaft, in der er seit August 2016 sitzt, schrieb Philipp K. an seine Freundin, er sei „einfach ein totaler Vollidiot“ gewesen; er habe „diesen Waffenscheiß auf die leichte Schulter genommen“, es sei „ja auch nichts passiert“. So liest es der Richter aus dem Brief vor. Dann eben sei München gekommen, „da bin ich auf die Schnauze geflogen, so hart wie nie zuvor“.

Der Prozess wird am Mittwoch fortgesetzt.