Mit einer Gedenkminute haben Menschen in Münster den Opfern eines Amokfahrers und deren Angehörigen ihre Anteilnahme ausgedrückt. Foto: AFP

Was treibt Menschen dazu, wahllos möglichst viele andere in den Tod zu reißen? Die Antwort darauf hat allenfalls für Ermittler größere Bedeutung, meint StN-Chefredakteur Christoph Reisinger

Stuttgart. - Ziemlich egal, ob der Amokfahrer von Münster Gesandter irgendeines Pseudokalifats war. Oder einer nationalistischen Irrlehre. Oder irgendeines Rassenwahns. Oder einfach seiner selbst. Und wenn doch wieder irgendwer im Internet krakeelen sollte, er stehe hinter dessen abscheulicher Mordtat – was würde das bedeuten?

Wahlloses Töten

Es wäre wie stets bei all diesen wahllosen Amok- und Terrormorden seit 2001 das banalste Detail. Seine Bedeutung verschwindet quasi im Nichts angesichts der Niedertracht der Taten, angesichts des Leids das sie auslösen – in Münster nicht anders als zuvor in New York, Nizza, Berlin oder Kabul.

Was immer auch die Absicht hinter solchen Verbrechen sein mag – niemals rechtfertigt sie das Töten, Verkrüppeln und Quälen willkürlich ausgewählter Menschen. Niemals wiegt eine angeblich große Sache oder ein schlimmes persönliches Problem das Leid auf, das die Täter auf Hinterbliebene und Angehörige ihrer Opfer wälzen.

Gebete und Fortgang des Alltags

Die Reaktionen in Münster – ruhige Anteilnahme, gemeinsames Gebet, der Fortgang des Alltags – zeigen wie auch frühere in ähnlichen Fällen: Es gibt zwar ein großes öffentliches Interesse daran, wer die Urheber sind, vor allem daran, dass sie gefasst und hart bestraft werden, sofern sie ihre Taten überleben, mehr aber nicht. Das ist angemessen.

Dahinter scheint ein weit verbreitetes Bewusstsein auf: Die Sicherheitsbehörden in Deutschland wie in vielen anderen rechtsstaatlich verfassten Ländern geben sich alle Mühe, solche Taten zu verhindern. Vollkommen gelingen kann das nie. Umso wichtiger ist ehrliche Anteilnahme mit denen, die es tatsächlich trifft.

christoph.reisinger@stuttgarter-nachrichten.de