Der russische Präsident Putin sagte, er werde schon bald den ehemaligen Besitzer der Ölgesellschaft Yukos, Michail Chodorkowski, per Erlass begnadigen. Foto: dpa

Nach zehn Jahren Haft darf der Kremlkritiker Chodorkowski auf Amnestie hoffen. Der russische Präsident macht gut Wetter vor Olympia.

Nach zehn Jahren Haft darf der Kremlkritiker Chodorkowski auf Amnestie hoffen. Der russische Präsident macht vor Olympia gut Wetter.

Moskau - Die wichtigste Nachricht kam erst später. Nach dem Ende seiner Pressekonferenz blieb Russlands Präsident Wladimir Putin wie immer in der Journalistenmenge hängen, um deren letzte Fragen „informell“ zu beantworten. Und dann kam die Sensation: Unter anderem sagte Putin, er werde schon bald den ehemaligen Besitzer der Ölgesellschaft Yukos, Michail Chodorkowski, per Erlass begnadigen.

Der Unternehmer habe sich bisher geweigert, seine Schuld einzugestehen oder ein förmliches Gnadengesuch einzureichen. Jetzt habe er um Begnadigung gebeten. Seine Mutter sei sehr krank, heißt es. Sie sei erneut an Krebs erkrankt. Chodorkowski habe zehn Jahre Haft hinter sich, und dies sei eine „ernste Strafe“, so Putin.  

Der Anwalt des einst reichsten Russen, Wadim Kluwgant, sagte, er wisse nicht, wer das Gnadengesuch an den Kreml übermittelt habe. Chodorkowski habe nicht um Gnade gebeten, und ihm sei auch nicht bekannt, dass in letzter Zeit jemand es an seiner Stelle gemacht habe, so der Anwalt. Der offizielle Menschenrechtsbeauftragte des russischen Präsidenten, Wladimir Lukin, sagte: „Ich freue mich einfach sehr, dass diese Epoche, die so schmerzhaft und tragisch gewesen ist, zu Ende geht.“ Er sei all denjenigen dankbar, die dazu beigetragen hätten.  

Der frühere Rektor der russischen Wirtschaftsschule, Michail Gurijew, bezeichnete Putins Entscheidung, Chodorkowski zu begnadigen, als „eine sehr gute Nachricht“. Er war Zeuge im ersten Chodorkowski-Prozess und trat später als Sachverständiger des Menschenrechtsrats auf. Später musste er Russland verlassen, weil er sich bedroht fühlte. Putin habe seinen Gefangenen wegen des angeschlagenen Ansehens seines Landes, zumal im Vorfeld der Olympischen Winterspiele in Sotschi, freilassen müssen, meinte Gurijew. Zuletzt galt es als sicher, dass Chodorkowski im Rahmen der Amnestie zum 20. Jahrestag der russischen Verfassung nicht freikommen wird. Gerüchteweise hieß es sogar, dass ein drittes Verfahren gegen ihn vorbereitet werde. Umso überraschender kam die neueste Nachricht.

Chodorkowski hatte sich in den wilden 90er Jahren ein eigenes Wirtschaftsimperium aufgebaut. Dem Oligarchen gehörte der heute insolvente Ölkonzern Yukos. Vor seinem Sturz galt er als der reichste Mann Russlands. Er warf während der ersten Amtszeit Putins als Präsident der Regierung Korruption vor und mischte sich zunehmend in die Politik ein. 2003 schlug Putin zurück und ließ ihn wegen Unterschlagung und Steuerhinterziehung anklagen. 2010 wurde er nochmals wegen Unterschlagung und wegen Geldwäsche verurteilt.

Die Haft verbrachte Chodorkowski in sibirischen Lagern. Im August 2014 wäre seine Strafe abgelaufen. Namentlich die deutsche Regierung hatte sich hinter den Kulissen immer wieder für Chodorkowski eingesetzt.  

Nun fühlt sich Putin stark genug, seinem Intimfeind Amnestie zu gewähren. Chodorkowskis Freilassung reiht sich ein in die Amnestie für andere Gefangene, die aus politischen Gründen einsitzen. So kommen die Pussy-Riot-Sängerinnen Nadeschda Tolokonnikowa und Maria Aljochina frei. Auch die wegen Rowdytums angeklagten Aktivisten der „Arctic Sunrise“, die unter der Greenpeace-Flagge gegen die Ölförderung in der Arktis protestiert hatten, können wohl das Land bald wieder verlassen.

Selten haben Menschenrechtler, Wirtschaftsexperten und Politiker einen so gut aufgelegten Putin erlebt. Und sie loben ihn. Viele fragen sich aber auch, was in den Kremlchef gefahren ist. Befürchtet Putin, am 7. Februar beim Eröffnungsfeuerwerk für die mit 37,5 Milliarden Euro teuersten Olympischen Winterspiele der Geschichte ohne prominente Gäste in der Ehrenloge in Sotschi zu sitzen? Zahlreiche Politiker, darunter Bundespräsident Joachim Gauck, verzichten auf Reisen ans Schwarze Meer. Nun räumt der Zar seine Gefängnisse – und hofft auf Wohlwollen.