Ammoniakanlage bei BASF: Der Chemiekonzern aus Ludwigshafen arbeitet schon seit Langem mit dem Wasserstoff-Derivat. Foto: BASF/Kunz

Das Wasserstoff-Derivat Ammoniak könnte den Klimaschutz verbessern. Beim sicheren Weitertransport der Importe soll die Schiene eine wichtige Rolle spielen. Aber noch sind Fragen offen.

Es riecht unangenehm, sticht in der Nase und reizt zu Tränen – Ammoniak entsteht in der Natur als farbloses und giftiges Gas, wenn sich tierische Exkremente und abgestorbene Pflanzen zersetzen. Beispiel: der Gestank aus einer Güllegrube. Die Verbindung von Stickstoff und Wasserstoff mit der chemischen Formel NH3 hat jedoch sehr nützliche Seiten. Sie lässt sich relativ einfach in großen Mengen industriell herstellen und gehört daher zu den wichtigsten Grundstoffen für die Produktion von Düngemitteln und Kunststoffen. Allein 2020 wurden 180 Millionen Tonnen erzeugt, am meisten in China, Russland, den USA und Indien.

RWE will extra ein Terminal in Brunsbüttel errichten

Ammoniak gilt inzwischen auch als Hoffnungsträger beim Klimaschutz. Denn mit erneuerbaren Energien aus Solarzellen, Wind- oder Wasserkraft lässt sich die Chemikalie relativ umweltschonend per Elektrolyse erzeugen. Als grüner Treibstoff für spezielle Motoren und Brennstoffzellen könnte Ammoniak klimaschädlichere fossile Energieträger wie Diesel zumindest teilweise ersetzen und so den CO2-Ausstoß reduzieren. Das Derivat ist zudem bewährtes Speichermedium für verflüssigten Wasserstoff, dessen in Gasform sehr aufwendige Kühlung, Lagerung und Beförderung damit einfacher und kostengünstiger werden.

„Für die Energiewende ist grünes Ammoniak ein wichtiger Schlüssel, weil sich damit viele industrielle Prozesse dekarbonisieren lassen“, sagt Ulf Kerstin, Manager bei RWE Supply & Trading. Der Energiekonzern erwartet, dass Deutschland künftig große Mengen Ammoniak importieren wird. Bis 2026 will RWE daher ein eigenes Terminal in Brunsbüttel (Schleswig-Holstein) errichten. Von der Hafenstadt am Nord-Ostsee-Kanal soll die Chemikalie direkt an industrielle Abnehmer in Deutschland und Nachbarländern verteilt werden – auch mit Tankwaggons über die Schiene.

Die Logistik erfordert Kooperationen

Noch sind viele Fragen offen, wie Nachfragen unserer Redaktion bei den Beteiligten und den zuständigen Ministerien zeigen. RWE kooperiert für den Bahntransport mit dem Hamburger Logistiker und Waggonvermieter VTG. Die Unternehmen wollen zusammen ein Logistikkonzept zur Belieferung von Abnehmern sowie zu Umschlag- und Transportkapazitäten erarbeiten.

„Gemeinsam mit RWE wollen wir zeigen, dass bereits kurzfristig große Mengen Ammoniak emissionsarm und wettbewerbsfähig über die Schiene bereitgestellt werden können“, sagte VTG-Manager Sven Wellbrock zum Start der Kooperation. Immerhin geht es um 300 000 Tonnen grünes Ammoniak, die von 2026 an jährlich allein in Brunsbüttel mit Schiffen angelandet und weiterverteilt werden sollen. Die Schiene gilt dabei als beste Option, solange Pipelines und Binnenhäfen in den Zielregionen fehlen.

Die DB Cargo setzt auf ihre Kesselwagen

Auch Europas größte Güterbahn DB Cargo sieht enorme Potenziale für Wasserstoff und seine Derivate im angestrebten klimaneutralen Energiemix der Zukunft. „Entscheidend für den Erfolg dieser Technologie wird ein leistungsfähiges Logistiknetz sein“, sagte Vorstandschefin Sigrid Nikutta. Grüner Wasserstoff brauche grüne Logistik, und das könne die Gütersparte des DB-Konzerns mit 2100 Schnittstellen zu Unternehmen, Kraftwerken, Terminals und Häfen „heute schon bieten“.

Als bewährtes Konzept sieht man bei der bundeseigenen DB Cargo den Transport von Wasserstoff, der in Ammoniak gelöst ist. Dazu können die üblichen Kesselwagen genutzt werden. Über das 35 000 km lange Schienennetz erreiche man so alle Regionen Deutschlands. Besonders im Süden Deutschlands, wo mit den Autofabriken und Maschinenbauern die Werkbank der Republik angesiedelt sei, wachse das Interesse an Lieferungen aus den Importhäfen an der Nordsee.

Klar ist: Bei der grünen Transformation werden sich effiziente und kostengünstigste Ersatztechnologien durchsetzen. Weltweit wird an vielen Lösungen experimentiert. So will Saudi-Arabien in großem Stil grünen Ammoniak produzieren und exportieren. Maschinenbauer wie MAN entwickeln Schiffsmotoren, die mit Ammoniak angetrieben werden. Für Busse und Experimentalflugzeuge wie die North American X-15 wurde schon vor Jahrzehnten diese Antriebsform erprobt.

Die Logistik ist der entscheidende Faktor

Die Logistik wird maßgeblich mitentscheiden, welche neuen Energieträger zum Standard werden. Wie bisher bei Öl und Gas werden langfristig vor allem Pipelines die zuverlässige Versorgung mit den benötigten riesigen Mengen sicherstellen. Der Transport von Wasserstoff oder Ammoniak per Zug von den Häfen zu den Einsatzorten wird auf lange Sicht nur eine umweltschonende Ergänzung sein können, zumal es schon jetzt massive Engpässe und Überlastungen im deutschen Schienenverkehr gibt.

Man werde nun das Logistikkonzept erarbeiten, erklärt RWE-Sprecher Olaf Winter. Die Logistiker von VTG zeigen sich da etwas auskunftsfreudiger. „Ammoniak wird bereits heute in Deutschland und Europa per Kesselwagen transportiert“, sagt Sprecherin Anne Krege. Man betreibe die größte private Güterwagenflotte in Europa, habe über Jahrzehnte als führendes Unternehmen im Schienengüterverkehr viel Erfahrung gesammelt.

Die Hafenstandorte an Nord- und Ostsee kommen in Mode

Auch die DB Cargo mietet die nötigen Kesselwagen bei der VTG – der Staatskonzern hat die eigenen Spezialwaggons schon vor längerer Zeit abgeschafft. Insgesamt erwarte man, dass vor allem die Transporte zu und von den Hafenstandorten an Nord- und Ostsee in den kommenden Jahren „deutlich zunehmen“, so VTG-Sprecherin Krege.