Ein Rat wird ins Amt gezwungen und ein Paar muss seinen Pool abreißen. Das Vorgehen in Affalterbach ist unsensibel und verschreckt zudem junge, engagierte Menschen.
Die Gemeinde Affalterbach sorgt aktuell für Gesprächsstoff über die Ortsgrenzen hinaus – und das ist auch gut so. Denn die zwei vermeintlich kleinen, lokalen Geschichten aus der AMG-Gemeinde werfen große gesellschaftliche Fragen auf, die uns alle etwas angehen: Wie begeistern wir Menschen für das Ehrenamt? Und wie empathisch gehen staatliche Institutionen mit den Sorgen der Bürger um?
Das ist passiert: Vergangene Woche sollte Reiner Bendix als Nachrücker für die ausscheidende Gemeinderätin Claudia Koch ins Amt einziehen. Bei der letzten Wahl hatte er 255 Stimmen für die Unabhängige Liste Affalterbach (Ula) erhalten. Doch Bendix lehnt ab – aus gesundheitlichen Gründen und weil er sich um seine pflegebedürftige Mutter kümmern muss. Der Bürgermeister und die Mehrheit des Gemeinderat zeigten wenig Verständnis und entschieden: Bendix muss sein Amt antreten. Empört verließ er die Sitzung und kündigte juristische Schritte an
Recht vs. Richtig
Die Gemeinde beruft sich auf geltendes Recht. Die Hürden für eine Amtsverweigerung sind aus guten Gründen hoch, bei Zweifeln darf der Druck auf die Person erhöht werden. Niemand soll einfach so von der Amtspflicht abspringen dürfen.
Doch was bedeutet das Vorgehen in Affalterbach für die Zukunft? Fakt ist: Junge Menschen fehlen in den Gemeinderäten des Kreises. Sie zögern, sich langfristig zu verpflichten, nicht aus Faulheit, sondern aus einem Bedürfnis nach Flexibilität.
Das Vorgehen des Gemeinderats sendet dabei ein fatales Signal: Wer sich einmal zur Wahl stellt, darf sich nicht mehr umentscheiden – selbst bei erheblichen persönlichen Belastungen. Das erstickt die Bereitschaft junger Menschen, sich einzubringen, bevor sie überhaupt beginnen. Statt für das Ehrenamt zu begeistern, vergrault man potenzielle Kandidaten.
Es geht nicht nur um Paragrafen
Der Gemeinderat hat zudem beschlossen, dass ein Affalterbacher Paar ihren neuen Swimming-Pool und die Terrasse zurückbauen müssen. Die zwei Bürger hatten etwas unbedacht gehandelt, und das Baufenster und das sogenannte Pflanzgebot um einige Meter missachtet. Das Paar hofft zwar noch auf ein Happy-End, vermutlich muss es jedoch ihre Gartenanlage komplett abreißen und für rund 100 000 Euro neu aufbauen.
Der Bürgermeister und die Ratsmehrheit sind auch hier im Recht, sie wollen Bauvorschriften durchsetzen und keinen Präzedenzfall schaffen. Dennoch ist das Vorgehen hart und unsensibel – und stürzt zwei Bürger in erhebliche finanzielle Schwierigkeiten. Hier geht es nicht mehr nur um Paragrafen, sondern auch um das Verhältnis zwischen Verwaltung und Bürgern.
Keine Bürgernähe in AMG-Gemeinde Affalterbach
Gerade jetzt, wo das Vertrauen in staatliche Institutionen ohnehin schwindet, wäre Bürgernähe und Einfühlvermögen wichtiger denn je. Viele Gemeinden bemühen sich um Dialog, suchen gemeinsame Lösungen mit Bürgern und zeigen Fingerspitzengefühl – diese Bemühung war auch immer wieder in Affalterbach zu sehen. Umso unverständlicher ist nun das rigorose Vorgehen gegen einen bereits gebauten Pool.
Man hätte – trotz der Befürchtung, einen Präzedenzfall zu schaffen – eine pragmatische Lösung finden oder sogar einen positiven Impuls setzen können. Die Stadt hätte etwa ein Auge zudrücken oder stattdessen eine Geldstrafe verhängen können, während sie gleichzeitig die Öffentlichkeit für solche Bauvorschriften sensibilisiert. Doch diese Möglichkeit wurde nicht genutzt.