Der amerikanische Aussenminister John Kerry. Foto: AP

An diesem Donnerstag kommt der amerikanische Außenminister John Kerry nach Moskau. Nach dem Nato-Gipfel in Warschau sollen die Wogen geglättet werden.

Moskau - Laut offizieller Ankündigung geht es bei dem Moskau- Besuch von US-Außenminister John Kerry an diesem Donnerstag – bereits dem vierten seit Mai letzten Jahres – nur um das übliche globale Krisenmanagement: Um Syrien, die Ukraine und den Konflikt um Aserbaidschans abtrünnige Armenier-Region Berg-Karabach. Kerrys eigentliche Mission, so der Tenor von Leitartiklern, sei indes eine andere: Er wolle die Wogen der Entrüstung nach dem Nato-Gipfel in Warschau glätten und verhindern, dass der scheidende US-Präsident Barack Obama mit einer Neuauflage des Kalten Krieges in die Geschichtsbücher eingeht.

Verhütung und Kontrolle

Bei den Konsultationen werde es daher vor allem um Aspekte gehen, bei denen kurzfristig Bewegung möglich ist: Um Austausch geheimdienstlicher Informationen beim militärischen Engagement in Syrien, um Verhütung von ungewollter Berührung in Zonen, wo Kampfschiffe und –flugzeuge Russlands und der Nato einander gefährlich nahe kommen – und um Rüstungskontrolle. Hauptproblem bei der Konfrontation Russland – NATO, schreiben gleich mehrere Blätter, seien die Differenzen zwischen Moskau und der Führungsmacht des westlichen Militärbündnisses. Die Wiederaufnahme der Abrüstungsverhandlungen hätte daher de-eskalierenden Signaleffekt. So wie beim Neustart der Beziehungen Russland – USA, den Obama 2009 mit seinem damaligen russischen Amtskollegen Dmitri Medwedew vereinbarte. Gemeinsam brachten beide dem Start-3-Vertrag zur Begrenzung strategischer Offensivwaffen auf den Weg. In rekordverdächtigem Tempo wurde er 2010 unterzeichnet, 2011 ratifiziert und damit rechtskräftig.

Auslaufende Abkommen verlängern

Doch das war vor dem Rückfall in die Eiszeit des Kalten Krieges. Moskau, so Vizeaußenminister Sergei Rjabkow schon im Februar 2015, werde Start-3 nicht verlängern. Der Chef des Sicherheitsausschusses im Senat, Viktor Oserow, drohte gar mit vorfristiger Kündigung. Die Kollegen in der Duma hätten sich das bei der Ratifizierung per Fußnote ausdrücklich vorbehalten. Für den Fall, dass die USA mit ihren Raketenabwehrplänen für Europa Ernst machen. Die USA dagegen wollen Medienberichten zufolge das 2021 auslaufende Abkommen verlängern und die Obergrenzen – derzeit sind pro Seite jeweils 1550 Kernsprengköpfe und 700 Trägerraketen erlaubt – weiter absenken. Davon, glauben Wissenschaftler vom Moskauer USA/Kanada-Institut, würde vor allem Russland profitieren: Washington müsse real abrüsten, Moskau nur alte durch moderne Sprengköpfe ersetzen.

Rationaler Politikstil

Auch der mühsam ausgehandelte Kontrollmechanismus müsste nicht neu erfunden werden. Der Kreml, so Wladimir Putins Sprecher, habe bisher kein schriftliches Angebot bekommen. Dass Kerry es mitbringt, ist angesichts der langen Laufzeit unwahrscheinlich. Ihr Ende würde indes mit dem der ersten Amtszeit von Hillary Clinton zusammenfallen, so sie denn gewählt wird. In Moskau ist sie eher unpopulär. Kerry, glauben Beobachter daher, wolle in Moskau auch für sie und ihren rationalen Politikstil werben. Von politischer Kontinuität werde auch Russland profitieren. Rüstungsexperten warnen jedoch davor, das Start-Potenzial zu überschätzen: Es hinke dem technischen Fortschritt hinterher. Wer ein neues strategisches Gleichgewicht wolle, so Ruslan Puchow, müsse auch zu Raketenabwehr, Weltraumwaffen oder Prompt Global Strike. (PGS) verhandeln. Das englische Kürzel steht für „umgehenden, weltweiten Schlag“ und damit für die Möglichkeit, beliebige Ziele innerhalb einer Stunde zu treffen. Die USA arbeiten daran bereits seit den Nullerjahren, Russland, China und Indien zogen inzwischen nach.