Football ist ein hartes Geschäft Foto: gamma-sigma / scorpions

Tom Schneider spielt bei Football-Erstligist Stuttgart Scorpions als Quarterback und ist zudem Offensiv-Coach – das führt zu bizarren Auswirkungen.

Stuttgart - Es war eine schlimme Zeit in Stuttgart. Tom Schneider lag in seinem Zimmer und starrte an die Decke. Und starrte an die Decke. Und starrte an die Decke. „Es war niederschmetternd“, erzählt der Football-Spieler, „ich lag mit meinem Kreuzbandriss da und wartete nur auf den nächsten Physio-Termin. Jeder Schritt in der Wohnung war eine Qual.“

Die Familie war weit weg in Big Rapids in Michigan, und von den Scorpions war auch keiner rund um die Uhr verfügbar, der sich um den US-Import kümmern konnte. Die achtmonatige Leidenszeit ist gut zwei Jahre her, im Frühjahr 2015 hat sich Tom Schneider von den körperlichen sowie von den seelischen Leiden längst erholt.

Mehr noch: Er will es wieder wissen. „Ich hätte meine Karriere auf diese Weise nicht beenden wollen“, sagt der 26 Jahre alte Footballer, „sie wäre unvollendet. Ich würde mit einem ganz bitteren Nachgeschmack durchs Leben gehen.“

„Es wird verdammt schwer gegen Hall“

Deshalb hat sich der Quarterback wieder das Trikot mit der Nummer 9 gegriffen, schindet sich auf dem Platz und im Kraftraum, denkt über Spielzüge nach, lernt sie auswendig und übt sie mit seinen Kollegen der Angriffslinie ein – an diesem Samstag (18 Uhr) im Gazistadion läuft er im ersten Heimspiel der Scorpions aufs Feld. Gegner sind die Schwäbisch Hall Unicorns, und mit denen hat der Club aus der Südstaffel der German Football League (GFL) noch eine Rechnung offen.

Die Einhörner waren der einzige Kontrahent, der die Scorpions in der Runde im vergangenen Jahr zur Strecke brachte und ihnen die einzige Niederlage vor den Play-offs beibrachte. „Es wird verdammt schwer gegen Hall“, sagt Tom Schneider, „da werden wir gefordert.“

Vom Saisonauftakt am vergangenen Samstag bei den Cowboys in München kehrten die Stuttgarter mit einem 26:14-Sieg im Gepäck zurück. „Unsere Angriffsformation ist sehr jung im Vergleich zum Vorjahr“, sagt der Spielmacher, „da habe ich im Training und im Spiel viel zu tun.“

Denn

Sein viertes Jahr in good old Germany: eine große Herausforderung

dar. Tom Schneider ist nicht nur Quarterback, er ist auch Angriffs-Coach, der Offense-Coordinator – er muss im Huddle auf dem Platz die Spielzüge ansagen, und er muss gleichzeitig taktisch planen und die nächsten zwei, drei Angriffszüge im Kopf durchspielen.

Dafür wäre es besser, er stünde an der Seitenlinie, von dort könnte er das Geschehen ungestörter analysieren, als wenn er jederzeit mit einem Sack, einem harten Check durch einen gegnerischen Verteidiger, rechnen muss. Eigentlich müsste sich Tom Schneider zweiteilen. „In den Testspielen fühlte ich mich, wenn ich auf dem Feld stand, wie in einem Traum“, erzählt er, „als sähe ich mich von außerhalb. Das war schon komisch, aber langsam gewöhne ich mich daran.“

Im vergangenen Jahr spielte Luke Barthelmess auf der Quarterback-Position; weil der US-Boy in den Staaten die besseren Karrierechancen sah, verabschiedete er sich – und Tom Schneider, der 2014 während der Reha als Offense Coordinator die Scorpions auf die Gegner einstellte, kehrte glücklich ins Team und mitten ins Getümmel auf dem Feld zurück.

Seine Rolle hat sich deutlich verändert

Nicht nur seine Rolle beim Football-Erstligisten von der Waldau hat sich deutlich verändert, auch der Privatmann ist ein anderer als vor vier Jahren, als er zum ersten Mal deutschen Boden betrat. „In den ersten beiden Jahren war ich ein Stück weit auch Tourist“, erzählt der US-Legionär, „ich bin viel rumgereist, allerdings habe ich es immer noch nicht nach Berlin und Hamburg geschafft – das möchte ich dieses Jahr nachholen.“

In seinem dritten Jahr kämpfte er physisch und psychisch mit den Nachwirkungen seines Kreuzbandrisses, und nun in Jahr Nummer vier fühlt sich Tom Schneider schon ein wenig heimisch auf Degerlochs Höhen. „Es fühlte sich bei meiner Rückkehr aus den Staaten vieles gleich so heimisch an, so vertraut“, sagt er, „ein schönes Gefühl.“

Heimatlich fühlt er sich noch nicht

Allerdings, so ganz heimatlich fühlt sich Mister Schneider noch nicht, noch wohnt er in einem Hotel in Möhringen – und das birgt ein großes Problem: Es gibt im Zimmer nur eine Mikrowelle, keinen Herd. Er kann sich nichts kochen – kein Schnitzel, keine Kartoffeln, keine Nudeln. „Das ist schwierig, ich muss schließlich körperlich fit bleiben, und dazu ist eine gute Ernährung unabdingbar“, sagt der Quarterback, „und jeden Tag essen gehen, das ist dann doch zu teuer.“

Sparsamkeit, damit hat Schneider eine (den Schwaben zugeschriebene) Eigenschaft schon aufgesogen, wenngleich er mit Schwäbisch noch ziemlich auf dem Kriegsfuß steht. Das ist für ihn wie Chinesisch oder Japanisch oder Finnisch.

„Wenn einer Dialekt redet, komme ich kaum mit“, sagt der Mann, der Deutsch paukt und die wichtigsten Redewendungen beherrscht. Eine deutsche Freundin wäre als Lehrerin eine feine Sache, und wenn sie gerne kocht, wäre sie ein Geschenk. Dann könnte es passieren, dass Tom Schneider aus Stuttgart gar nicht mehr weg will.