Im Mittelalter war Kämpfen Männersache. Das galt auch für die Reconquista, die christliche Rückeroberung Spaniens von den Mauren. Doch stimmt das wirklich? Forscher haben jetzt auf dem Friedhof einer spanischen Burg die Überreste einer Frau gefunden, die an der Seite von Ordensrittern als kriegerische Amazone in die Schlacht zog.
Ritter im Mittelalter? Da denkt jeder sofort an tollkühne Helden in eiserner Rüstung, mit langer Lanze, breitem Schwert und hohem Schild. Und natürlich an Männer. Denn der ritterliche Zweikampf und das Schlachtengetümmel waren ausschießlich Männern vorbehalten. Oder etwa doch nicht? Eine Frau als Ritter? Gab es so etwas wirklich? Ja!
Amazone unter spanischen Rittern
Unter den im Kampf gefallenen Streitern des mittelalterlichen Ritterordens von Calatrava in Spanien war auch eine Frau, wie Knochenanalysen enthüllt haben. Die Tote trägt die für mittelalterliche Gefechte typischen Kampfverletzungen. Ihre Knochen weisen zudem die Merkmale eines jahrelangen, harten Kampftrainings auf.
Es kann kein Zweifel bestehen: Diese Amazone war eine echte Kriegerin, die zusammen mit den männlichen Mitgliedern eines Kriegerordens in die Schlacht zog, wie Archäologen jetzt berichten. Ob sie ihr wahres Geschlecht verbarg - also incognito auftrat - oder offen als Frau kämpfte, ist nicht klar.
Zur Info: Calatrava La Vieja ist heute eine verlassene mittelalterliche Festungsstadt in der Gemeinde Carrión de Calatrava in der Provinz Ciudad Real in der autonomen Region Kastilien-La Mancha. Die Burg liegt etwa 100 Kilometer südlich von Toledo. Der Orden von Calatrava wurde als erster der großen spanischen Ritterorden im Jahr 1158 von dem Zisterzienserabt Raimundo Serrat gegründet. Er war ursprünglich mit der Aufgabe betreut, die Burg Calatrava vor den Mauren zu schützen.
„Reconquista“: Christen gegen Mauren
Spanien im 8. Jahrhundert: Die Iberische Halbinsel war im Mittelalter ein heiß umkämpftes Pflaster. Im Süden herrschten seit dem 8. Jahrhundert die muslimischen Mauren, im Norden bemühten sich die Könige der christlichen Königreiche Kastilien, Aragaon, Leon und Navarra mit ihren Heeren, die maurisch kontrollierten Gebiete zurückzuerobern.
Nachdem im Laufe dieser Reconquista große Teile Kastiliens besetzt worden waren, ließen die neuen Herrscher eine Vielzahl von Burgen errichten, um die zurückgewonnenen Gebiete vor muslimischen Gegenangriffen zu schützen.
Ritterorden verteidigte christliche Königreiche gegen Mauren
Eine dieser mächtigen Bastionen war die Burg von Zorita de los Canes in Guadalajara. Sie lag strategisch günstig auf einem hochaufragenden Hügel oberhalb des Flusses Tejo. Tempelritter hatten die von den Mauren errichtete Festung im Jahr 1124 erobert und verteidigt. 50 Jahre später übergab der kastilische König Alphonso VIII. die Burg an den Ritterorden von Calatrava.
„Der Ritterorden bestand sowohl aus klerikalen Mitgliedern wie aus Laien“, schreiben Patxi Pérez-Ramallo vom Max-Planck-Institut für Geoanthropologie in Jena und seine Kollegen. „Die militärische Macht des Ordens beruhte auf einem Spektrum angefangen von adeligen Rittermönchen als schwerer Kavallerie mit eigenen Pferden und Ausrüstung, über ebenfalls berittene Sergeanten bis zu vorübergehend dem Orden angehörenden Ritter, Söldnern und Vasallen.“
Ritter starben an schweren Verletzungen
Pérez-Ramallo und sein Team haben die Gebeine von 25 toten Rittern untersucht, die vom 12. bis 15. Jahrhundert auf dem Friedhof der Ordensburg Zorita de los Canes beerdigt wurden. Ihre Studie ist im Fachjournal „Scientific Reports“ erschienen.
Die Analysen zeigten, dass 23 der 25 Toten schwere Verletzungen durch Stiche und Schwerthiebe aufwiesen. „Wir fanden viele Schäden im oberen Teil des Schädels, den Wangen und dem inneren Teil der Hüfte, Was zu der Annahme passt, dass wir es hier mit Kriegern zu tun haben“, erklärt Koautorin Carme Rissech von der Universitat Rovira I Virgily in Tarragona. Wahrscheinlich waren die Ordensritter auch an diesen Verletzungen gestorben.
Eine Frau hatte dieselben Wunden wie die Männer
Unter den Toten war auch das Skelett einer etwa 40-jährigen Frau mittlerer Größe, die dieselben Kampfverletzungen aufwies wie die männlichen Toten. Auch ihre Knochen zeigten keinerlei Hinweise auf eine Heilung der schweren Wunden auf. „Sie könnte demnach auf ähnliche Weise im Kampf gestorben sein wie die männlichen Ritter“, erläutert Rissech. „Es ist wahrscheinlich, dass auch sie eine Art Rüstung oder Kettenhemd trug.“
Die Knochen zeugen zudem von langem und hartem Kampftraining. Sie zeigen ähnliche Verdickungen und Abnutzungserscheinungen durch regelmäßiges, bewaffnetes Kämpfen wie bei den männlichen Ordensrittern. „Ich glaube daher, dass diese Überreste von einer weiblichen Kriegerin stammen“, so Rissech. Die Kämpferin könnte nach Ansicht der Archäologin ebenso erfahren im Umgang mit dem Schwert gewesen sein wie ihre männlichen Mitstreiter.
Weibliche Kämpferin hatte niedrigeren sozialen Status
Indes bleibt die Frage unbeantwortet, wie eine Frau in der streng hierarchischen ritterlichen Männerdomäne leben und kämpfen konnte. War sie offiziell Teil der kämpfenden Truppe? Oder hatte sie sich als Mann verkleidet?
Die Analysen ergaben, dass die Streiterin im Ritterorden von Calatrava einen niedrigeren sozialen Rang bekleidet haben musste als ihre Mitkämpfer. „Wir stellten einen geringeren Anteil von Proteinen in der Nahrung fest“, berichtet Pérez-Ramallo. „Das könnte einen niedrigeren sozialen Status innerhalb der Gruppe anzeigen.“ Fleischreiche Speisen waren damals adeligen Rittern höherer Ränge vorbehalten.