Brasilianische Soldaten sind bei Löscharbeiten in der Region Nova Fronteira in Brasilien im Einsatz. Tausende Soldaten unterstützen mittlerweile die Löscharbeiten im Amazonasgebiet und verfolgen Brandstifter. Foto: dpa

Wie kann die Zerstörung des Amazonas-Regenwaldes gestoppt werden? Darum soll es am Freitag auf dem Amazonas-Gipfel im kolumbianischen Leticia gehen.

Bogotá - Was ist zu tun, damit der Amazonas-Regenwald auch in Zukunft als grüne Lunge der Welt erhalten bleibt? Wie sind die vor allem menschgemachten Zerstörungen zu stoppen, wie Ausbeutung und Schutz dieser einmaligen Biosphäre in Einklang zu bringen? Um all das soll es am Freitag auf dem Amazonas-Gipfel im kolumbianischen Leticia gehen. Kein Ort wäre besser geeignet dafür als die Amazonas-Metropole im Dreiländereck Kolumbien, Brasilien und Peru. Leticia zeigt symbolisch, dass die Vernichtung des Regenwaldes keine nationale Angelegenheit ist, wie Brasiliens Präsident Jair Bolsonaro behauptet. Amazonien geht mindestens ganz Südamerika etwas an. Zwar liegen 58 Prozent seiner Wälder in Brasilien, aber auch Peru (13 Prozent), Kolumbien (zehn Prozent), Bolivien (acht Prozent), Venezuela mit sechs Prozent sowie Ecuador, Surinam, Französisch-Guayana und Guyana mit kleineren Teilen haben ein riesiges Interesse daran, dass die galoppierende Zerstörung des Urwaldes gestoppt wird.

Nach Brasilien ist Kolumbien das Land mit der größten Biodiversität auf der Welt

Dementsprechend hat Kolumbiens Präsident Iván Duque die Präsidenten der Anrainer-Staaten zu dem Gipfeltreffen geladen, nur Venezuelas Machthaber Nicolas Maduro bleibt außen vor. Wie wichtig zum Beispiel für den Gastgeber schnelle Schutz-Maßnahmen sind, hat Duque verdeutlicht: 35 Prozent des Landes sind Amazonas-Tropen. Und nach Brasilien ist Kolumbien das Land mit der größten Biodiversität auf der Welt. „Jedermann ist klar, dass die Welt die Herausforderungen des Klimawandels annehmen muss, der unsere Wasserquellen, Flüsse und auch unsere Ökosysteme gefährdet.“

An diesem Punkt steht Duque in klarem Widerspruch zum irrlichternden brasilianischen Staatschef, dem er sonst politisch sehr nahe ist. Bolsonaro, der diesen Gipfel auf dem Höhepunkt der Kritik an ihm in den vergangenen Wochen selbst anregte, bleibt ihm aus medizinischen Gründen nun aber fern. Eine weitere Operation sei unaufschiebbar, behauptet er. Denn noch heute leidet der Präsident unter einem Messerattacke auf ihn im Wahlkampf. Er wolle sich aber per Videokonferenz zuschalten, kündigte Bolsonaro an. Es klang wie eine Drohung.

Schwere Auswirkungen auf das Weltklima

Man kann davon ausgehen, dass seine Kollegen die Abwesenheit des Brasilianers gut verschmerzen. Zu absurd, zu abwegig, chauvinistisch und von Nichtwissen geprägt sind seine Einlassungen in der Amazonasdebatte. Erst verneinte er die ungewöhnlich hohe Zahl der Brände in seinem Land, dann behauptete er, regierungsunabhängige Organisationen hätten sie gelegt, um ihm zu schaden, und zuletzt verhängte er ein zweimonatiges Verbot der Brandrodungen, das er dann umgehend wieder aufweichte. Ohne Bolsonaro gibt es tatsächlich Chancen auf das, was Kolumbiens Außenminister Carlos Holmes Trujillo eine „convocatoria global“ nennt. Eine Art „globale Ausschreibung“, die von Leticia aus in die Welt gehen soll, um Amazonien zu retten.

Denn die mehr als einhunderttausend großen und kleinen Feuer, die sich in diesem Jahr im Amazonas-Becken entzündet haben, können schwere Auswirkungen auf das Weltklima haben. Allein im August verbrannten 29.944 Quadratkilometer, die einer Fläche von 4,2 Millionen Fußballfeldern entsprechen. Experten zufolge nähert sich der Amazonas-Regenwald bedenklich schnell dem so genannten Tipping-Point von 20 Prozent Abholzung an. Das ist die Schwelle, über welcher sich der Regenwald nicht mehr selbst regenerieren kann und sich für „zwei bis drei Generationen in eine Savannen-Landschaft“ verwandelt, wie Oliver Salge, Amazonas-Experte von Greenpeace Brasilien sagt.

„Vor unseren Augen wird der Amazonas weggebrannt und abgeholzt“

In allen neun Amazonas-Anrainer-Staaten seien bisher 15 bis 17 Prozent des Waldes verschwunden, aber gerade Brasilien steht ganz kurz vor dem Tipping-Point. „Vor unseren Augen wird der Amazonas weggebrannt und abgeholzt“, warnt Salge. Und Präsident Bolsonaro ziehe die unbequemen Wahrheiten ins Lächerliche.

Tatsächlich fühlen Goldsucher, Sojabauern, Viehzüchter, Holzfäller und Kraftwerksbetreiber, all diejenigen, denen die wirtschaftliche Nutzung des Regenwaldes wichtiger ist als die Verhinderung des Klimawandels, politische Rückendeckung für ihr Tun. Das gilt für den Ultrarechten Brasilianer Bolsonaro ebenso wie für den linken Präsidenten Evo Morales in Bolivien. In Lateinamerika mögen die Präsidenten rückwärtsgewandt oder fortschrittlich sein, aber grün sind sie eigentlich nie. Umweltpolitische Notwendigkeiten werden wirtschaftliche Erwägungen stets untergeordnet. Brasilien und Bolivien sind die beiden Staaten Lateinamerikas, in denen in den vergangenen Jahren der größte Raubbau am Amazonas betrieben wurde.

Daher muss von Leticia ein Aufruf ausgehen. Ein Zeichen, dass der Umwelt künftig der Vorrang vor der wirtschaftlichen Ausbeutung in der grünen Lunge der Welt einzuräumen ist. Es muss ein länderübergreifender Verhaltenskodex erarbeitet werden, an den sich alle Staaten zu halten haben. Wer ihn verletzt, muss bestraft werden – und wer ihn einhält, sollte zusätzlich belohnt werden. Das wäre ein erster Schritt.