Vor der Polizeidirektion wurde im November 2013 der Schriftzug Maria aus Kerzen gebildet Foto: dpa

Im Fall der mehr als fünf Jahre lang verschwundenen Maria aus Freiburg prüft das zuständige Landgericht für den langjährigen Begleiter des Mädchens Sicherungsverwahrung. Der 58- Jährige muss sich von 8. Mai an wegen Freiheitsentzugs und sexuellen Missbrauch des Mädchens vor Gericht verantworten.

Freiburg - Erneut erregt ein Strafprozess in Freiburg überregionale Aufmerksamkeit: Am kommenden Mittwoch, 8. Mai, beginnt vor einer Großen Strafkammer des Landgerichts der Prozess gegen einen 58-jährigen deutschen Staatsangehörigen, dem die Staatsanwaltschaft schwere Entziehung einer Minderjährigen, deren sexuellen Missbrauch in drei Fällen, schweren sexuellen Missbrauch in 105 Fällen, davon in 98 Fällen in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch einer Schutzbefohlenen zur Last legt.

Hinter den juristischen Formeln verbirgt sich ein Vermisstendrama, das vor sechs Jahren bundesweit Schlagzeilen machte: Ein 13 Jahre altes Mädchen aus Freiburg kehrte im Mai 2013 nicht nach Hause zurück, es verschwand mit einem 40 Jahre älteren Mann und wurde weder durch europaweite Polizeifahndung noch durch private Ermittlungen der Kindesmutter mithilfe von Aufrufen „Findet Maria“ in Internetplattformen aufgefunden. Außer wilden Gerüchten und ein paar Hinweisen, dass das ungleiche Paar in Polen gesehen worden sei, kam dabei nichts heraus. Auch nach einer Sendung in der ZDF-Reihe „Aktenzeichen XY“ blieb der Fall ungelöst. Unklar blieb, ob ein pubertierendes Mädchen mit einer Art Ersatzvaterfigur durchgebrannt war oder aber entführt und missbraucht wurde. Der Elektriker aus Nordrhein-Westfalen soll im April 2011 in einem Chatforum im Internet Kontakt zu der damals elfjährigen aufgenommen haben, zwei Jahre später sei es zu mehreren heimlichen Treffen in Freiburg gekommen, bevor beide spurlos verschwanden.

Auf Sizilien sollen die beiden gewohnt haben

Erst nach fünfeinhalb Jahren, Ende August vergangenen Jahres, tauchte die mittlerweile 18 Jahre alte Maria H. wieder in Freiburg auf und erklärte, sie habe die gemeinsame Wohnung mit Bernhard H. auf der italienischen Insel Sizilien verlassen, in der sie zuletzt gemeinsam gelebt hätten. Zuvor seien die beiden zunächst mit dem Auto und dann per Fahrrad und mit Campingausrüstung durch mehrere osteuropäische Länder gereist.

In Italien habe man sich mit Gelegenheitsarbeiten durchgeschlagen, Probleme mit fehlenden Ausweisen habe man nie gehabt. In ersten Stellungnahmen behauptete die Rückkehrerin, sie wisse nicht, wo ihr Begleiter nun sei. Doch wenige Tage nach der polizeilichen Vernehmung des Mädchens in Freiburg wurde Bernhard H. von der italienischen Polizei auf Sizilien festgenommen und später nach Deutschland ausgeliefert, wo er bis heute in Untersuchungshaft sitzt. Ob sie freiwillig oder gezwungen mit dem älteren Mann unterwegs war und ob es zu sexuellen Kontakten gekommen war, ließ Maria H. öffentlich weiterhin im Unklaren.

In der Verhandlung sollen 15 Zeugen aussagen

Im einzigen Interview nach ihrer Rückkehr mit einem privaten Fernsehsender sagte sie: „Er wusste, was zu tun ist, ich brauchte nicht viel nachzudenken. Er hat immer eine Lösung für alles gewusst, auch wenn es nicht die richtige war im Nachhinein.“ Dass die Staatsanwaltschaft sowohl einfachen und schweren sexuellen Missbrauch in zahlenmäßig benannten Dimensionen zur Anklage bringt, lässt aber vermuten, dass die mutmaßlich Geschädigte sich zu dieser Frage geäußert hat. Als das Mädchen 15 war, soll es nicht mehr zu sexuellen Kontakten gekommen sein, heißt es in der Anklage.

In der Gerichtsverhandlung sollen 15 Zeugen aussagen, darunter fünf Polizeibeamte und ein Mitarbeiter des Jugendamtes. Maria H. und ihre Mutter treten jeweils als Nebenkläger auf, ein psychiatrischer Sachverständiger soll sich zu den Voraussetzungen der möglichen Unterbringung des Angeklagten in der Sicherungsverwahrung ein Bild machen. Bei Kindesentzug drohen laut Strafgesetzbuch bis zu fünf Jahre Haft, in schweren Fällen bis zu zehn Jahre. Nach bisher geplanten sieben Sitzungstagen könnte das Urteil am 28. Juni gefällt werden.