Das Stuttgarter Weindorf dauert dieses Jahr 17 Tage. Eine Premiere und womöglich zukunftweisend. Beim Aufbau bewährt sich dies schon. Was gibt es sonst Neues?
Andreas Zaiß kommt im Blaumann. Eine Kluft, die man im Rathaus selten sieht. Aber was will man machen, wenn man die weinselige Vierfaltigkeit leben muss? Der Mann ist Wengerter, Wirt, gerade Handwerker und auch noch Vorstand beim Bürgerverein Pro Stuttgart, dem Veranstalter des 49. Stuttgarter Weindorfs. Und als solcher bei der Pressekonferenz im Rathaus gefragt. Also lässt er halt mal kurz den Hammer fallen und setzt sich aufs Podium.
Die Familie Zaiß ist seit der ersten Auflage des Weindorfs im Jahre 1978 mit dabei. Andreas’ Vater Dieter war eines der Unikate dieser Stadt und lange eines der Aushängeschilder des Weindorfs. Von Alt-OB Manfred Rommel als „Cannstatter Nachtigall“ gerühmt, unterhielt er seine Gäste mit Liedgut und Reimen wie „Hast du Riesling in der Blutbahn, bist du sexy wie ein Truthahn“. Kein schlechtes Verkaufsargument.
Andreas Zaiß ist also durchaus ein guter Kronzeuge, wie sich das Verlegen und Verlängern des Weindorfs auswirkt. Zur Erinnerung: Nach Corona hatte man den Wirten 2022 ein Weindorf XXL mit einer extra langen Laufzeit von 19 Tagen gestattet. Die fanden es so gut, dass sie auf Wiederholung drangen. Was wiederum den Beschickern des Wochenmarkts gar nicht gefiel: Drei Wochen vom Marktplatz auf die Königstraße auszuweichen, mundet ihnen wie ein saurer Wein.
Also goss man für beide Seiten etwas Wasser in den Wein und schloss einen Kompromiss. Statt wie üblich an einem Mittwoch beginnt das Weindorf diesmal an einem Donnerstag, dem 21. August, und endet statt sonntags an einem Samstag, dem 6. September. Das bedeutet ein zusätzliches Wochenende und eine Verlängerung auf 17 Tage. Ein Weindorf XL sozusagen. Dass man nun einen Tag mehr Zeit hat zum Aufbauen, zahle sich aus, sagt Zaiß. Weniger Hektik auf dem belebten Platz, keine Staus. „Früher standen die Laster mit dem Material Schlange“, sagt er, „das hatten wir bisher kein einziges Mal.“
Die 32 Lauben der Wirte werden also pünktlich zum Auftakt am Donnerstag fertig. Sie öffnen um 11.30 Uhr. Damit die Amtsträger den Tag auch bei der Arbeit verbringen und nicht mit Viertele und Maultaschen verplempern, wird die offizielle Weindorf-Eröffnungszeremonie aber erst nach Feierabend begangen. Geschäft gibt es schließlich genug. Um 19 Uhr sind Stuttgarts OB Frank Nopper und Innenminister Thomas Strobl dann auf der Bühne im Alten Schloss gefordert, gute Laune zu verbreiten.
Wenn sich die Wirte dann ebenfalls auf der Bühne präsentieren, werden etliche Neue dabei sein. Enis und Sezer Masalci vom Vaihinger Wirtshaus kommen mit ihrem Zum Rädle auf den Schillerplatz. Reinhard Lieb war bisher vor allem in der kalten Jahreszeit mit seiner Winterhütte auf dem Karlsplatz in Stuttgart. Nun kommt er mit seiner Laube Lieblingsplatz vors Alte Schloss. Ingo Hampf und Leone Paul haben es nicht weit, von ihrer Easy-Street-Wine-Bar im Leonhardsviertel ist es nur ein Katzensprung bis zum Marktplatz. Sie glauben eine Marktlücke ausgemacht zu haben, der begeisterte Jäger Hampf bietet Wild aller Art an. Christian und Markus Escher aus Schwaikheim verstärken die im Schwinden begriffene Riege der Weingärtner. Sie schenken selbstverständlich ihren eigenen Wein aus. Und ja, auch Trollinger, bekunden sie. Bei aller Liebe zum Neuen, etwas Tradition darf es dann auch sein.
Eine sinnvolle Änderung ist in jedem Falle das Einführen einheitlicher Pfandmarken. Man kann also überall die Gläser zurückgeben. Gut 100 000 Jetons ersetzen die bisher unterschiedlichen Pfandchips der einzelnen Lauben. Jetons? Genau! Die Spielbank wird für zwei Jahre Sponsor des Weindorfs, auf einer Seite der Jetons ist das Weindorf-Logo, auf der anderen das der Spielbank zu sehen.
Das günstigste Viertele gibt es für 5 Euro
Ansonsten ist Vielfalt Trumpf. Nicht nur bei den mittlerweile schon traditionellen Stunden der Vielfalt am Montag, dem 25. August, in der Kulturlaube gegenüber vom Alten Schloss. Auch im Glas, auf dem Teller und beim Bezahlen. Angebot und Preise gestalten die Wirte selbst. Beim ersten Blick über die Getränkekarten habe man erkannt, sagt Veranstalter Pro Stuttgart, dass es das günstigste Viertele zumeist für 5 Euro gebe. Bezahlen kann man dies beim Städtischen Weingut nur mit Karte, denn in der Kämmerei der Stadt will man kein Bargeld zählen. Andere Wirte wiederum vertrauen der Devise: Nur Bares ist Wahres. Doch vor dem Ausschenken und Kassieren muss man zunächst mal bohren und schrauben. Vor dem Wengerterkittel wird der Blaumann gebraucht.
Das 49. Stuttgarter Weindorf
Öffnungszeiten
Das Weindorf in der Stuttgarter Innenstadt beginnt am Donnerstag, 21. Augst um 11.30 Uhr und endet am Samstag, 6. September, um Mitternacht. Geöffnet ist von Sonntag bis Mittwoch von 11.30 bis 23 Uhr. Und von Donnerstag bis Samstag von 11.30 Uhr bis Mitternacht.