Am Tag nach dem Rücktritt des allmächtigen Club-Patrons Clemens Tönnies entschuldigt sich der Vorstand bei den Fans und ruft den Neuanfang aus. Trainer David Wagner darf jedoch weitermachen.
Stuttgart/Gelsenkirchen - Als am Mittwoch die Nachricht kam, dass sich der Beginn der großen Pressekonferenz des FC Schalke 04 verzögere, weil die meisten Teilnehmer noch im Stau stünden, überraschte das den geneigten Betrachter der Königsblauen kaum noch. Denn festgefahren ist die Situation schon lange rund um den FC Schalke. Es stockt an allen Ecken und Enden, es scheint keine Auswege mehr zu geben – und vom kollektiven Durchstarten war Königsblau zuletzt so weit entfernt wie ein defekter alter Käfer auf dem Standstreifen.
Später, als dann alle Protagonisten angekommen waren im Presseraum der Schalker Arena und zumindest die Gesprächsrunde Fahrt aufnahm, da kam auch der Sportvorstand Jochen Schneider ins Rollen – und sagte einen Satz, nach dem ihm niemand widersprechen wollte: „Schalke ist ein Verein, wie es ihn kein zweites Mal in der Liga gibt.“
Für diesen Eindruck tat der Club in den vergangenen Monaten ohne jede Übertreibung alles, weshalb der ehemalige VfB-Sportdirektor Schneider auf dem Podium kleinlaut auch noch solche Dinge zum Besten gab: „Wir müssen wieder miteinander arbeiten, nicht gegeneinander.“ Und: „Und wir müssen wieder miteinander sprechen und nicht übereinander.“
Wagner genießt Vertrauen
Bevor es dann allzu philosophisch wurde an Tag eins nach Stunde Null und dem Rücktritt des allmächtigen Club-Patrons Clemens Tönnies, gab es beim Blick in die Zukunft auch Handfestes. Die wichtigste Nachricht: Trainer David Wagner, der mit seiner Mannschaft in der abgelaufenen Bundesliga-Rückrunde auf dem besten Weg war, sämtliche Negativ-Rekorde von Tasmania Berlin zu übertrumpfen, darf weitermachen.
So mancher Beobachter der Knappenszene ertappte sich bei der Suche nach Gründen fürs Festhalten am Coach an dem Punkt, dass sich der Club finanziell nicht mehr viel leisten kann – auch keine Abfindung für den Angestellten Wagner.
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Einmal Wagner, immer noch Wagner, so heißt es also auf Schalke. Ansonsten war neben Trainertreue vor allem Demut angesagt bei den Äußerungen der Vereinschefs. Fast flehentlich bat der Vorstand die riesige Fangemeinde um Vergebung. „In den vergangenen Monaten hat Schalke ein miserables Bild abgegeben. Wir wissen, dass wir sehr viel Vertrauen und Glaubwürdigkeit verspielt haben“, sagte Marketingvorstand Alexander Jobst und meinte damit neben dem sportlichen Absturz in der Rückserie mit 16 sieglosen Spielen in Folge auch die Fehler im Umgang mit den Fans und so manchem Angestellten.
„Wir möchten uns entschuldigen“
So bekamen Anhänger bei verkauften Karten für Geisterspiele in der Corona-Krise vom Club keine Rückerstattung, später wurde die Angabe von „Härtefällen“ zur Begründung dafür eingefordert. Zudem kündigte der FC Schalke einigen geringfügig beschäftigten, langjährigen Fahrern von Jugendspielern. „Wir haben Fehler gemacht, für die wir uns entschuldigen möchten“, sagte Jobst dazu nun kleinlaut.
Fehler, nun ja, unterliefen den Verantwortlichen auch auf anderer Ebene. Immer wieder hatte es zuletzt Berichte darüber gegeben, dass Schalke 04 zukünftige TV-Gelder bereits für Investitionen und teure Gehälter vorab eingesetzt habe. Als in der Corona-Pause der Bundesliga plötzlich die fest eingeplanten TV-Zahlungen auf der Kippe standen, ging es dem Club finanziell fast an den Kragen. Jobst sprach von einer „existenzbedrohenden Situation“, nachdem das Minus vor der Corona-Krise schon auf knapp 200 Millionen Euro angewachsen war. Dank der zu Ende gespielten Saison entspannte sich die Lage etwas. Mit riskanten Finanzdeals soll nun allerdings Schluss sein. „Wir müssen jetzt die Stopp-Taste drücken, um Schalke 04 durch Corona zu steuern“, sagte Jobst.
Gehälter runter, Ansprüche runter
Die angepeilte Schalker Neuausrichtung kann man nun vielleicht auf diese Formel bringen: Gehälter runter, Etat runter, sportliche Ansprüche runter – notgedrungen. „Das hat die Konsequenz, dass wir unsere sportlichen Ziele für die nächsten ein, zwei, vielleicht auch drei Saisons anpassen müssen“, sagte Jobst weiter.
Ob es die Gehaltsobergrenze für Spieler von 2,5 Millionen Euro, über die die „Süddeutsche Zeitung“ berichtet hatte, künftig gibt, blieb offen. „Das Lizenzspieler-Budget ist der größte Hebel“, sagte Jochen Schneider, meinte aber auch: „Da verfolgen wir keinen dogmatischen Ansatz.“ Auch zur angeblichen Bürgschaft des Landes Nordrhein-Westfalen, die der Club für einen Kredit in der Höhe von bis zu 40 Millionen Euro beantragt haben soll, gab es nur Andeutungen. „Das werden wir kommunizieren, wenn wir Fakten geschaffen haben“, sagte Jobst.
Wie auch immer – die Gemengelage auf Schalke bleibt brisant. Und die Vorstände Schneider und Jobst werden nach ihren Worten nun an Taten gemessen.