Gerhard Schröder (77) ist seit seinem Ausscheiden aus der Politik für die Kreml-nahe russische Energiewirtschaft im Einsatz. Foto: dpa/Kay Nietfeld

Nach der SPD-Spitze verlangt jetzt auch der Regierungschef, dass sein Amtsvorgänger mit dem Putin-Regime bricht.

Berlin - Es kommt eher selten vor, dass Regierungschefs öffentlich auf Distanz zu alten Weggefährten gehen. Aber in Europa herrscht Krieg, vermeintliche Gewissheiten sind keine mehr. Und als Kanzler muss man in diesen Zeiten stark sein – nach außen wie nach innen. Also redet auch Olaf Scholz (SPD) nicht um den heißen Brei herum, wenn in diesen Tagen das Gespräch auf seinen Amtsvorgänger und Parteigenossen Gerhard Schröder kommt. Der ist bekanntlich ein enger persönlicher Freund des russischen Präsidenten Wladimir Putin und bekleidet überdies seit seinem Ausscheiden aus der Politik Führungspositionen in der Kreml-nahen russischen Energiewirtschaft.

„Mein Rat an Gerhard Schröder ist doch, sich aus diesen Ämtern zurückzuziehen“, sagte Scholz nun im ZDF. Dies sei keine Privatsache. Einem öffentlichen Amt sei man auch nach dem Ende der Amtszeit verpflichtet. „Diese Verpflichtung endet nicht, wenn man die Ämter nicht mehr ausübt, sondern sie geht auch weiter.“ Scholz plädierte dafür, die Finanzierung des Altkanzler-Büros aus Steuergeld zu überprüfen.

Ein Brief mit Ultimatum

Damit übt die SPD nun maximalen Druck auf den einstigen Bundeskanzler und Parteivorsitzenden aus. Zuvor hatten bereits die beiden amtierenden SPD-Chefs Lars Klingbeil und Saskia Esken den 77-jährigen Schröder schriftlich aufgefordert, seinen Posten bei russischen Staatskonzernen niederzulegen und damit faktisch mit dem Kriegsherrn Putin zu brechen. Klingbeil und Esken versahen ihren Brief an Schröder mit einem Ultimatum. Man erwarte eine „zeitnahe“ Antwort, sagte Klingbeil, ohne ein konkretes Datum zu nennen. Schröder sei „komplett isoliert“ in der Sozialdemokratie. Der Brief an den Altkanzler datiert vom vergangenen Samstag, seine Existenz wurde aber erst kürzlich bekannt.

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Gerhard Schröder war von 1998 bis 2005 Bundeskanzler und von 1999 bis 2004 auch SPD-Vorsitzender. Einer seiner Generalsekretäre war damals Olaf Scholz, der Schröders umstrittene Sozialreformen nach Kräften unterstützte. Schröder arbeitet heute für die Pipeline-Unternehmen Nord Stream 1 und 2, ist Aufsichtsratsvorsitzender beim Mineralölkonzern Rosneft und soll überdies in den Aufsichtsrat des Gasriesen Gazprom einziehen.

Die Fußballwelt wendet sich ab

Auch außerhalb der SPD gilt Schröder inzwischen als Paria: Der Fußball-Bundesligist Borussia Dortmund entzog ihm die Ehrenmitgliedschaft. Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) droht damit, Fußball-Zweitligist Hannover 96 prüft einen Vereinsausschluss.

Bislang distanzierte sich Schröder allenfalls halbherzig von Putins Angriffskrieg gegen die Ukraine: „Der Krieg und das damit verbundene Leid für die Menschen in der Ukraine muss schnellstmöglich beendet werden. Das ist die Verantwortung der russischen Regierung“, schrieb Schröder vor einer Woche im sozialen Netzwerk Linked-In. In den vergangenen Jahren sei viel über Fehler oder Versäumnisse im Verhältnis des Westens zu Russland gesprochen worden. „Und es gab viele Fehler – auf beiden Seiten.“