Auf der Bühne ein Paar – und im echten Leben: Die Schauspieler HellenaBüttner und Peter Bause. Foto: Jürgen Frahm

Als Ehepaar Otto und Anna Quangel widerstehen sie derzeit im Alten Schauspielhaus dem Regime der Nationalsozialisten. Volkmar Kamms Inszenierung von Hans Falladas Roman „Jeder stirbt für sich allein“ lebt vom Spiel Peter Bauses und Hellena Büttners. Eine Begegnung.

Stuttgart - Die Gegensätze zwischen Bühne und Leben könnten kaum größer sein. Anders als der wortkarge, kantige Otto Quangel spricht Peter Bause heiter, zugleich gelassen über seine Erfahrungen. Der in diesem Dezember 73 Jahre zählende Schauspieler blickt auf Engagements am Münchner Volkstheater und am Staatsschauspiel Dresden zurück. Einst avancierte er zu einem der meistbeschäftigten Mimen der DDR. Hellena Büttners Laufbahn erscheint beinahe logisch: Seit fünf Generationen entspringen ihrer Familie Menschen, die ihren Platz im Theaterbetrieb finden.

Dem fiktiven Ehepaar Quangel liegt das reale Schicksal des Berliner Ehepaars Hampel zugrunde. „Bei der Bearbeitung von ‚Jeder stirbt für sich allein‘ ging es für uns darum, tapferen Leuten wie den Hampels ein Denkmal zu setzen“, sagt Bause.

Für Büttner galt es, „den Widerstand des einzelnen kleinen Menschen, der so aufrecht wie möglich durch die Gegend zu gehen versucht“, widerzuspiegeln. Mit diesem Anspruch haben sich beide dem Thema geöffnet und an der Produktion im Alten Schauspielhaus mitgewirkt. Folglich stehen sie hinter der entstandenen, gelichteten Fassung der in der ungekürzten Neuausgabe 700 Seiten starken Vorlage von Fallada. „Ansonsten hätten wir Änderungen beanstandet – da sind wir Mann und Frau genug“, versichert Bause.

Doch nicht nur auf der Bühne geben beide ein zusammengeschweißtes Ehepaar ab. Auch jenseits der weltbedeutenden Bretter sind die beiden verheiratet. Recherche, Einfühlungsvermögen und Inspiration ersetzt die Beziehung im echten Leben freilich nicht. Hilfreich kann sie trotzdem sein. „Der Verständigungsprozess verläuft natürlich schneller. Wenn man zusammen etwas erarbeitet und der Kollege fremd ist, gibt es viele Inseln, die man erst mal anfahren muss, bis man weiß, welche ihm am besten gefällt. Und dann kann man sagen: ‚Schau, diese Palme passt da gar nicht drauf!‘“, erklärt die 63-Jährige.

Ihren Erfolgen zum Trotz spüren beide noch Erde unterm Absatz. „Du darfst in diesem Beruf nie die Demut vergessen! Dem Dichter gegenüber, dem Tun gegenüber!“, betont Peter Bause. „Nicht hier großfressig rechts und links – nein! Auch immer untersuchen, warum und wieso die Dinge sind, wie sie sind. Das ist unser Grundsatz.“ Die Bedeutung eines Theaterensembles haben sie nicht vergessen. Schade sei, dass es eine langjährig kooperierende Besetzung heute kaum noch gebe. Viel schneller komme man in einem eingespielten Team zu Ergebnissen, zum Konkreten. Zudem könne man dem einzelnen Ensemblemitglied so eine Entfaltung gewähren. „Wenn man als junger Mensch in solch ein Ensemble stößt, kann man sich durch die Kollegen weiterentwickeln“, erklärt Büttner.

„Wir sind geprägt vom Ensemblegeist“, fasst Bause zusammen. Diesen wolle man auch in jede Arbeit hineintragen. Es dürfe keinen Star geben, vor dem die anderen zurücktreten. „Jeder ist wichtig, jeder hat seine Rolle, jeder muss die Bedeutung seiner Arbeit erkennen!“, sagt Bause. Dünkel und Allüren sucht man vergebens.

Ab und an ergreift einen das Gefühl, die beiden kämpften auf ihre Weise wie ihre derzeitigen Bühnenpendants. Freilich nicht gegen ein Regime, sondern für das Fortbestehen der Faszination des Theaters, gewissermaßen auch für die Zukunft ihrer jüngeren Kollegen. Als der Fotograf beim Fototermin als Setting die Bühne vorschlägt, lehnen sie ab. Zu groß ist der Respekt. „Wir sind doch jetzt privat hier!“, sagt Büttner. Sie bräuchte man nach ihrer Konzentration, nach der ihrer Arbeit entgegengebrachten Ernsthaftigkeit gar nicht zu fragen. Man spürt es, hört es, sieht es ihr an, wenn sie über die Zukunft des Theaters spricht, das sich als seriöse Reflexion der Gegenwart verstehen müsse, um am Atmen zu bleiben.

Peter Bause hofft indes, wenn auch nicht mit überschwänglichem Optimismus, die Masse folgender Generationen werde „die unmittelbare Wirkung des Theaters begreifen, dass man etwas an diesem Abend Einmaliges erleben darf“. Den beiden zumindest ist das Glücksgefühl der Auftritte geblieben: „Es ist schon ein großes Plus im Leben, etwas zu betreiben, das einem Freude macht.“

Noch bis einschließlich 6. Dezember ist „Jeder stirbt für sich allein“ im Alten Schauspielhaus zu sehen – täglich 20 Uhr. Tickets unter 07 11 / 2 26 55 05 (Mo bis Sa 10 bis 19 Uhr). Oder online hier.