Ernst Wilhelm Lenik als Einstein und Andreas Klaue als Vagabund (v. li.) Foto: Haymann

Stephan Bruckmeier, der frühere Co-Intendant des Theaters Rampe, inszeniert „Einsteins Verrat“ von Eric-Emmanuel Schmitt am Alten Schauspielhaus.

Stuttgart - Im Jahre 1934 scheint zumindest in Amerika die Welt noch in Ordnung zu sein. Ein Paar tummelt sich verliebt an einem Seeufer, Albert Einstein kommt von einer wagemutigen Segelfahrt entspannt am Ufer an, und ein Obdachloser hat einige launige Bemerkungen für den Nobelpreisträger parat.

21 Jahre lang verfolgt Eric-Emmanuel Schmitt in seinem Stück „Einsteins Verrat“ diese Personen, und es wird schnell klar, dass es an diesem Seeufer in Princeton, USA, um ganz große Themen geht: Um den Zweiten Weltkrieg, um die Atombombe und später um die Wasserstoffbombe.

Nichts wird verfremdet oder überhöht

Stephan Bruckmeier, der frühere Co-Intendant des Theaters Rampe, greift diese Entspannungshaltung in seiner ersten Inszenierung für das Alte Schauspielhaus wohltuend auf. Überhaupt verfremdet oder überhöht er hier nichts: Sein Einstein sieht optisch so aus, wie er von vielen Fotos bekannt ist und er hat die gelassene Haltung eines Mittfünfzigers, der schon viel erreicht hat. Und der Obdachlose, vom Autor als Vagabund bezeichnet, ist einer, der auf der Straße lebt und viel Alkohol konsumiert, der aber sonst keine Ausfallerscheinungen hat.

Nur einer fällt hier raus: Der FBI-Agent O’Neill. Sobald Einstein von der Bühne verschwunden ist, tritt dieser hektisch und unterkühlt auf, um von dem Vagabunden Informationen über die Gespräche mit Einstein abzufragen. Denn diese Behörde sieht in Einstein einen kommunistischen Verschwörer, ist auf der Suche nach Beweisen.

Die Sachlage ist kompliziert: Grundsätzlich ist Einstein gegen jeglichen Krieg, doch angesichts dessen Verlauf in den 1940er Jahren setzt er sich beim amerikanischen Präsidenten Roosevelt für den Bau der Atombombe als Abschreckungswaffe ein. Und als diese über japanischen Städten abgeworfen wird, begrüßt er – Zynismus oder nicht? – den Bau der Wasserstoffbombe als definitive Vernichtungswaffe der Menschheit.

Viel Gelassenheit in großzügig geschnittener Leinenwäsche

Ernst Wilhelm Lenik spielt diesen Einstein mit viel Gelassenheit in großzügig geschnittener Leinenwäsche und mit viel knitzem Humor. Seine Schrullen sind ihm bekannt, die nimmt er großzügig in Kauf, die Radikalität seiner Gedanken, die Konsequenzen daraus, das macht ihm aber immer wieder zu schaffen. So wird er auch sehr emotional, wenn es um seine zentralen Themen wie „Revolution des Geistes“ oder um „den Tag, an dem es keinen Krieg mehr gibt“ geht.

Andreas Klaue ist weit mehr als ein Stichwortgeber, in seinen zuweilen sehr trockenen Analysen befindet er sich auf Augenhöhe mit Einstein. Mit zunehmender Unlust setzt er sich mit dem FBI-Agenten auseinander. So macht er erst richtig deutlich, welch riesiger Unterschied zwischen den Mechanismen eines Regierungsapparats und den Gedanken eines freilich genialen Wissenschaftlers liegt, wie aber auch letzterer mit den Konsequenzen seines Denkens leben muss, die er eigentlich ablehnt. Stefan Roschy übernimmt die undankbare Rolle des Agenten. In dem ebenso von Bruckmeier entworfenen zurückhaltenden Einheitsbühnenbild wird ungehemmt ein Feuerwerk an Ideen und Gedanken entzündet.

Weitere Aufführungen bis zum 7. Juni; Karten unter 07 11 / 226 55 05