Zu den Aufgaben eines Wagners gehörte der Bau von Wagenrädern. Dafür mussten auch Naben gedrechselt werden. Foto: factum/Granville

Der Münchinger Fritz Ulrich gehört zu den letzten Männern, die nach dem Zweiten Weltkrieg noch den Beruf des Wagners gelernt haben. Eine Wagnerei ist im Heimatmuseum Münchingen ausgestellt.

Korntal-Münchingen - Holz mochte Fritz Ulrich aus Münchingen schon immer gern. Der heute 86-Jährige spielte als Kind oft im Wald. Und er war früh mit Produkten aus Holz vertraut: In seiner Familie waren viele Bauern – und ohne die Arbeitsgeräte aus Holz wäre die Landwirtschaft damals nicht möglich gewesen. Außerdem war es vor mehr als 70 Jahren noch selbstverständlich, dass Kinder den Handwerkern bei ihrer Arbeit in der Werkstatt mindestens über die Schulter schauten.

Schnell stand für Fritz Ulrich fest, dass er Wagner werden will, ein Handwerker, der jene hölzernen Geräte und Werkzeuge und vor allem Räder und Wagen aller Art fertigte. Bei der Berufswahl dachte er auch pragmatisch: Mit seinen Kenntnissen konnte er helfen, wenn die landwirtschaftlichen Geräte seiner Verwandten zu Bruch gingen. „Der Beruf des Wagners war ausgesprochen vielseitig und die Produktpalette entsprechend lang“, sagt Fritz Ulrich. Sein Blick schweift dabei durch das Heimatmuseum Münchingen, das er einmal im Jahr besucht.

Hauptsächlich Reparaturarbeiten gemacht

Im Obergeschoss zeigt das Museum die Wagnerei Gottlob Schmalzriedt, die von dessen Töchtern Hilde Deeg und Ursula Schatz als Leihgabe zur Verfügung gestellt wurde. Bis Mitte des vergangenen Jahrhunderts waren Wagner hoch angesehene Leute im Dorf. Inzwischen ist das alte Handwerk ausgestorben, die Industrialisierung und Fließbandfertigung haben die Wagnereien verdrängt – ungeachtet dessen, dass Wagner mit der Erfindung der Eisenbahn und des Autos auch als Waggon- und Karosseriebauern arbeiteten. „Beim Kutschenbau waren Wagner auch für die Karosserie zuständig“, sagt Fritz Ulrich.

Er selbst habe in seiner Lehre von 1946 bis 1949 in dem Vier-Mann-Betrieb Här hauptsächlich Reparaturarbeiten gemacht und Leitern, Stühle oder Stiele für Werkzeuge hergestellt. „Wagen wurden immer öfter industriell gefertigt und waren mehr aus Stahl als aus Holz“, sagt Fritz Ulrich. Aber auch die anderen Geräte wurden nun verstärkt aus Metall oder Aluminium gefertigt. Als er nach dem Zweiten Weltkrieg in der neben Schmalzriedt zweiten noch in Münchingen verbliebenen Wagnerei lernte, dachte er nicht im Traum daran, dass sein Beruf bald aussterben könnte. Schon gar nicht hat er damit gerechnet, dass er nach seiner Gesellenprüfung gerade einmal ein halbes Jahr als Wagner arbeiten würde. Trotzdem bereut Fritz Ulrich seine Entscheidung nicht. „Es war ein guter und schöner Job, der mir Spaß bereitet hat.“

Das Holz für die Aufträge hat Fritz Ulrich selbst besorgt. Aus dem Wald ist er dann immer erst abends zurückgekehrt. „Ich habe viel mit Buche gearbeitet“, sagt Fritz Ulrich. Dazu hat er viel an der Werkbank gestanden und mit Werkzeugen das Holz entsprechend bearbeitet, es gehobelt und geschliffen. Die groben Arbeiten übernahmen Maschinen, die Feinarbeiten die Hände. „Die Kreissäge durften Azubis erst am Ende ihrer Lehre benutzen, und an der Drehbank arbeitete meist der Chef“, erinnert sich Fritz Ulrich. Chefsache sei in der Regel auch der Bau von Rädern aus massivem Eichenholz gewesen. „Das war die Kür eines Wagners. Der Bau erforderte viel Präzision und mehrere Tage Arbeit“, sagt Fritz Ulrich, der als Lehrling dem Chef aber zur Hand gehen durfte.

Gerne dem Schmied zugesehen

Langsam entstand aus einem eckigen Stück Holz ein Kreis, in das der Wagner die Speichen mit der Hand einsetzte. „Das fertige Rad haben wir zum Schmied gebracht, der Reifen aus Metall draufsetzte“, sagt Fritz Ulrich. Wenn er Zeit hatte, hat er dem Schmied bei dieser Arbeit zugesehen.

Ende der 1950er Jahre, so schätzt Fritz Ulrich, hat Här geschlossen. Gottlob Schmalzriedt hingegen stellte bis ins hohe Alter noch Schubkarren her, fertigte Stiele und reparierte Werkzeuge für Feld und Garten. Er starb 1989. Zu dem Zeitpunkt hatte Fritz Ulrich längst sein Faible für andere Berufe entdeckt. Erst montierte er zwei Jahre Rollläden zusammen, bis zur Rente arbeitete er in einer Glashandlung. Mit Holz hat Fritz Ulrich nur noch privat zu schaffen. Dann aber pflege er seine Bäume oder repariere seinen Gartenzaun mit derselben Hingabe, mit der er sich einst um die Wagen und Werkzeuge gekümmert habe.