Ein sorgloses Leben im Alter ist nach Meinung vieler Experten ohne private Vorsorge nicht möglich. Foto: dpa

Eine neue Studie zeigt die Folgen der Lebensarbeitszeit für die Höhe der Bezüge auf. Der Autor will den Bürgern nach eigenen Angaben die Vor- und Nachteile eine späten oder frühen Renteneintritts verdeutlichen. Seine Rechenbeispiele wirken allerdings abschreckend.

Frankfurt - Schon die Rente mit 67 verärgert viele Arbeitnehmer – und nun das: „Arbeiten bis 70 schützt nicht vor der Rentenlücke“, verkündet der Fondsanbieter Fidelity International. Die Studie, auf die das Unternehmen mit dieser Pressemitteilung hinwies, spricht allerdings durchaus für eine Verlängerung der Lebensarbeitszeit. Sie könne den Aufbau einer Zusatzvorsorge zur gesetzlichen Rentenversicherung erleichtern, sagte Autor Martin Werding unserer Zeitung. „Wenn man nicht früh mit dem Sparen begonnen hat, kann man eine Sicherung des bisherigen Lebensstandards durch längeres Arbeiten trotzdem noch erreichen.“ Mit seiner Studie wolle er die Gestaltungsmöglichkeiten der Bürger aufzeigen, sagte der Bochumer Wirtschaftsprofessor.

Allerdings setzt Werding den Bedarf für die Aufrechterhaltung des Lebensstandards im Alter so hoch an, dass die errechneten Rentenlücken auf viele Menschen eher abschreckend wirken dürften. Die Modellrechnungen beruhen auf der Annahme, dass im Alter Bezüge in Höhe von 85 Prozent des letzten Nettoeinkommens anzustreben seien. „Das ist ein sehr strenger Maßstab“, räumte Werding ein. Nach seinen Kalkulationen müsste ein 42-jähriger Elektriker mit einem Nettogehalt von 1877 Euro versuchen, auf Altersbezüge von 2032 Euro netto zu kommen. Das wären 85 Prozent des Nettogehalts, das Werding dem Elektriker in 25 Jahren prognostiziert.

Andere Studien kommen auf kleinere Rentenlücken

Zum Vergleich: Der „Vorsorgeatlas Deutschland“ der Fondsgesellschaft Union Investment setzt den Schwellenwert für eine ausreichende Versorgung im Alter bei 60 Prozent des letzten Bruttoeinkommens an. Dies entspreche dem Niveau der gesetzlichen Rente in den 80er Jahren, erläutert der Freiburger Professor Bernd Raffelhüschen, dessen Institut den Vorsorgeatlas erstellt. Nach Abzug der Krankenkassenbeiträge habe ein Durchschnittsrentner damals zwischen 70 und 74 Prozent seines letzten Nettolohns erhalten. „85 Prozent hat es mit der gesetzlichen Rente nie gegeben“, sagt Raffelhüschen.

Gleichwohl zeigt auch der zuletzt 2017 veröffentlichte Vorsorgeatlas, dass die gesetzliche Rente für die heute unter 50-Jährigen nicht mehr ausreichen wird. Sie sollten daher zusätzlich vorsorgen, gegebenenfalls mit Unterstützung des Staates (Riester) oder des Arbeitgebers (Betriebsrente).

Die neue Studie ergänzt diese Botschaft um eine weitere: Eine freiwillige Verlängerung der Lebensarbeitszeit könne Menschen nützen, die erst spät mit dem Sparen beginnen. Am Beispiel des Elektrikers: Der 1975 geborene Mann wird bei Erreichen der Regelaltersgrenze von 67 Jahren nach Werdings Berechnungen eine gesetzliche Rente von 1328 Euro netto erhalten. Um den veranschlagten Bedarf von 2032 Euro zu decken, fehlen also 704 Euro monatlich. Beginnt der Mann erst jetzt, dafür zu sparen, so muss er laut Werding monatlich 309 Euro in die Altersvorsorge stecken. Bei einer freiwilligen Verschiebung des Renteneintritts auf das 70. Lebensjahr käme der Elektriker schon mit Sparraten von 180 Euro auf das gewünschte Ergebnis.

Forscher fordern höhere Regelaltersgrenze

Für die Generation des fiktiven Elektrikers wäre eine Verzögerung des Ruhestands wahrscheinlich vertretbar, meint Werding: „Wir haben ein falsches Bild vom Alter, weil wir dabei an unsere Eltern und Großeltern denken.“ Langfristig sei eine Anhebung auch des gesetzlichen Renteneintrittsalters ohnehin unausweichlich: „Angesichts der demografischen Entwicklung führt daran kein Weg vorbei.“ So sieht es auch der Freiburger Finanzwissenschaftler Raffelhüschen. „Unter Wissenschaftlern ist Konsens, dass die Regelaltersgrenze nach 2030 in einem Zeitraum von 20 bis 30 Jahren auf 70 Jahre steigen muss.“

Die Alternative wäre laut Werding ein kräftiger Anstieg der Beitragszahlungen. Die Rente mit 67 wurde zwar mit dem Ziel eingeführt, den Beitragssatz bis 2030 auf maximal 22 Prozent zu begrenzen. „Aber danach schlägt der demografische Wandel in Deutschland voll zu.“ Neben den Ausgaben der Rentenversicherung würden dann auch die der Krankenkassen steigen. Damit drohe eine Verteuerung der Lohnnebenkosten, „die Arbeitsplätze und Investitionen kosten könnte“.