Das Rentenniveau ist bisher stabil. Ab 2020 droht dann ein Absturz. Foto:  

Noch profitieren Beitragszahler und Ruheständler vom Aufschwung. Das ändert sich ab 2020. Die Politik hat bei der Alterssicherung noch kein Zukunftskonzept.

Berlin - Selten zuvor ist die Lage der gesetzlichen Rentenversicherung so entspannt gewesen. Der Aufschwung in Deutschland geht ins neunte Jahr, die Löhne steigen und die Beschäftigung nimmt zu. Das spiegelt sich in der Rentenversicherung wider. Sachverständige sind sich aber einig, dass sich das Bild im nächsten Jahrzehnt verändert. Dann gehen die geburtenstarken Jahrgänge aus den 50-er und 60-er Jahren in den Ruhestand. Ist die Politik darauf vorbereitet? Ein Überblick.

Wie steht es aktuell um die Rente?
Die Beitragseinnahmen und die Finanzreserve der Deutschen Rentenversicherung Bund liegen im bisherigen Jahresverlauf über den Erwartungen. Das ist nicht selbstverständlich, schließlich hat die Politik im Jahr 2014 die Frührente mit 63 eingeführt und die Mütterrente erhöht, was auf Kosten der Beitragszahler geht. Außerdem ist der Beitragssatz zum 1. Januar 2018 leicht auf 18,6 Prozent gesunken. Dennoch erweist sich die Finanzlage der Rentenversicherung als erstaunlich robust. Dies zeigt sich beim Rentenniveau. Vor einigen Jahren wurde noch heiß diskutiert, wie der Sinkflug beim Rentenniveau aufgehalten werden kann. Der Rückgang wurde dank guter Konjunktur vorerst gestoppt. Die Rentenversicherung erwartet, dass das Rentenniveau in diesem Jahr mit 48,1 Prozent des Durchschnittsverdienstes stabil bleibt. Im Vorjahr lag der Wert bei 48,2 Prozent.
Heißt das, es gibt Entwarnung?
Nein. Im langfristigen Vergleich hat sich das Rentenniveau spürbar verringert. Im Jahr 2000 lag es noch bei 53 Prozent des Durchschnittverdienstes. Es muss auch berücksichtigt werden, dass das Rentenniveau nichts darüber aussagt, mit welcher Rente der Einzelne rechnen kann. Es bezieht sich auf die Standardrente, die davon ausgeht, dass jemand 45 Jahren einbezahlt und durchschnittlich verdient hat. Nach den Prognosen bleibe das Rentenniveau bis 2021 unverändert, sagte der Unions-Rentenpolitiker Peter Weiß. Danach dürfte es sinken. Bis 2030 könnte der Wert auf ungefähr 44 Prozent zurückgehen. Klar ist, dass die gesetzliche Rente als wichtigste Säule der Alterssicherung an Bedeutung verliert.
Kann die Politik dies verhindern?
Mit der Rentenreform 2000 entschied die Politik, dass sich die Bürger nicht mehr allein auf die gesetzliche Rente verlassen können. Notwendig ist private und betriebliche Altersvorsorge. Das wird oft vergessen. Die Politik führte aber Leitplanken ein, die verhindern sollen, dass der Beitrag zu stark steigt und das Rentenniveau ins Bodenlose fällt. Bisher gilt die Maßgabe, dass das Rentenniveau bis 2020 nicht unter 46 Prozent sinkt und der Beitrag maximal 20 Prozent beträgt. Union und SPD nehmen im Koalitionsvertrag eine neue Weichenstellung vor. Noch vor der Sommerpause will Bundessozialminister Hubertus Heil (SPD) ein Gesetz einbringen, dass neue Haltelinien vorgibt. Die große Koalition gibt eine Rentengarantie ab: Bis 2025 soll das Rentenniveau bei 48 Prozent gehalten werden. Der Beitragssatz darf dann höchstens 20 Prozent betragen. Das soll sicherstellen, dass Ruheständler und Beitragszahler nicht überfordert werden.
Ist die Garantie solide finanziert?
Es ist völlig offen, wie die Zusage finanziert wird. Wissenschaftler erwarten, dass damit Milliardenkosten auf den Bundeshaushalt zukämen. Die große Koalition kann leicht Erklärungen abgeben, denn die finanziellen Folgen dürften erst in der nächsten Wahlperiode spürbar werden. Fraglich ist, ob im Haushalt Spielraum vorhanden ist, Schon jetzt steigen die Leistungen des Bundes für die Rentenversicherung von Jahr zu Jahr: 2018 liegen sie bei 94 Milliarden Euro, bis 2022 steigen sie auf 109 Milliarden Euro. Die Kosten der Haltelinie sind darin noch nicht eingerechnet.
Wie soll es nach 2025 weitergehen?
Die Bundesregierung hat eine Rentenkommission eingesetzt, die Vorschläge für einen „verlässlichen Generationenvertrag“ nach 2025 machen soll. Die Ergebnisse dafür sollen 2020 vorliegen.
Was plant die Politik als nächsten Schritt?
Ebenfalls noch vor der Sommerpause will die Regierung die Gesetzentwürfe zur Verbesserung der Mütterrente und der Erwerbsminderungsrente vorlegen. Im nächsten Jahr will die Regierung dann die Grundrente für Geringverdiener und die Versicherungspflicht für Selbstständige umsetzen.
Warum gibt es noch Debatten zur Mütterrente?
Die Koalition will Müttern, deren Kinder vor 1992 geboren wurden, einen weiteren Rentenpunkt pro Kind gutschreiben. Allerdings soll das nur für Mütter gelten, die mindestens drei Kinder großgezogen haben. In der Koalition wird über die Umsetzung noch debattiert. Der Unions-Abgeordnete Weiß berichtet, dass die Abgeordneten viel Post von älteren Müttern erhalten, die empört sind, dass nur Mütter mit mindestens drei Kindern von der Aufstockung profitieren sollen. In der Koalition wachsen die Zweifel. Es wird auch ein Modell geprüft, dass allen Müttern, deren Kinder vor 1992 geboren sind, gleichermaßen Verbesserungen bietet. Der Aufschlag fiele dann aber geringer aus. Er soll nicht bei einem Rentenpunkt liegen, sondern nur bei einem halben Punkt. Doch die CSU ist strikt dagegen. Ungeklärt ist in jeder Variante die Finanzierung. Die Mütterrente kostet jährlich 3,4 Milliarden Euro. Die Kosten sollen die Beitragszahler aufbringen. Dies hätte zur Folge, dass die Rücklagen der Rentenversicherung schnell abschmelzen. Das widerspricht wiederum dem Ziel, die Renten stabil zu halten. Bisher fehlt der Politik noch ein belastbares Zukunftskonzept.