Wie lange sind Lehrer belastbar? Grün-Rot rüttelt an der Altersermäßigung. Foto: dpa

Grün-Rot muss sparen. Nur wo? Bei den Personalkosten, sagt der Ministerpräsident. Aber die Idee, Lehrerstellen zu streichen und die Altersermäßigung für Lehrer abzubauen, ist heikel.

Stuttgart - Es war im November vergangenen Jahres: Da tüftelten die Bildungsexperten von Grün-Rot einen brisanten Entwurf aus. Zwar mag der Titel des Papiers – „Verordnung der Landesregierung über die Arbeitszeit der beamteten Lehrkräfte an öffentlichen Schulen in Baden-Württemberg“ – etwas hölzern klingen. Der Inhalt hat es aber in sich. Unter Paragraf 5 geht es dabei um die Altersermäßigung – jenes Instrument also, mit dem ältere Lehrer ihre Arbeitszeit reduzieren dürfen. Die bisherige Regel: ab dem 58. Lebensjahr wöchentlich um eine Stunde, ab dem 60. Lebensjahr gar um zwei Stunden. Nach dem Willen von Grün-Rot soll es das so aber nicht mehr geben. Künftig soll es, so stand es im Entwurf, erst ab dem 61. Lebensjahr die Ermäßigung um zwei Wochenstunden geben.

Der Beamtenbund reagierte seinerzeit verärgert auf die Pläne. Mit Blick auf die zunehmende Arbeitsbelastung der Lehrer und die Fürsorgepflicht des Landes in Sachen Gesundheitsmanagement müsse Grün-Rot genau das Gegenteil tun – nämlich die erste Stunde Altersermäßigung bereits mit 55 Jahren gewähren und die zwei Wochenstunden weiterhin ab 60 Jahren zulassen. Beamtenbund-Landeschef Volker Stich begründete die Forderung in einem mehrseitigen Papier und bot der Landesregierung an, „für ein Gespräch gerne zur Verfügung“ zu stehen, wie es in dem Schreiben heißt.

Allein, es geschah nichts. „Man hat mit uns keinen Kontakt aufgenommen“, sagte Stich am Donnerstag unserer Zeitung und reagierte verärgert auf die Tatsache, dass die grün-rote Haushaltsstrukturkommission unter Vorsitz von Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) an diesem Freitag über Einschnitte beraten will – ohne die Betroffenen vorher gehört zu haben. „Ich bin entsetzt über die Pläne der Landesregierung und kann sie nur warnen, die Altersermäßigung zu kürzen oder ganz zu streichen. Dagegen werden wir uns wie vor zwei Jahren mit großer Vehemenz wehren.“

Kollaps des Schulsystems

Damals hatte Ministerpräsident Stefan Mappus (CDU) die Idee geboren, die Wochenarbeitszeit von jungen Beamten um eine Stunde anzuheben, um damit Stellen zu sparen. Als der Protestchor immer lauter wurde, stampfte Schwarz-Gelb die Pläne ein. Sollte Grün-Rot nun an der Arbeitszeit für Lehrer rütteln, wäre das aus Sicht von Stich „sehr fahrlässig“. Zum einen gebe es unter den 100 000 verbeamteten Lehrern im Land mit einem Altersschnitt von 50 Jahren „viele Kollegen, die eine Bugwelle von freiwillig geleisteten Überstunden vor sich herschieben und diese bisher nicht abgebaut haben“. Zum anderen werde eine Aufweichung der Altersermäßigung „gerade bei den Kollegen über 60“ das ohnehin angekratzte Vertrauen in die Landesregierung erschüttern. Beide Aspekte, so Stichs Prognose, würden gravierende Konsequenzen haben. „Wir werden unseren Mitgliedern dann raten, die geleistete Mehrarbeit als Ausgleich einzufordern. Darauf haben die Kollegen einen Rechtsanspruch.“ In der Folge „würde das Schulsystem kollabieren“, weil plötzlich Hunderte von Lehrern für Wochen oder Monate nicht mehr in der Schule erscheinen. „Die Landesregierung müsste dann zusätzliche Lehrer einstellen, um den Unterricht aufrechterhalten zu können“, sagt Stich.

Aber das kann sich Grün-Rot angesichts der Sparzwänge nicht leisten. Im Gegenteil: Man will bekanntlich Lehrerstellen in großem Stil abbauen, allein 1000 in diesem Jahr. Was also tun? Am Donnerstag hieß es aus Koalitionskreisen, der Spargipfel an diesem Freitag müsse Klarheit bringen. „Das wird ein heißes Eisen“, prophezeit ein Insider. Denn die Zeit drängt. In diesem Monat müssen die Lehrer landesweit ihre Deputatswünsche für das neue Schuljahr 2013/2014 abgeben. Das aber kann nur geschehen, wenn die Rahmenbedingungen geklärt sind. Fakt ist: Während man bei den Grünen die Altersermäßigung kritisch sieht, wird sie von der SPD bisher (noch) verteidigt.

Fluglotsen würden mit 55 in Rente gehen

Unklar ist, ob der Entwurf der grün-roten Koalition vom November noch gilt oder mittlerweile ent- oder verschärft wurde. Darüber hüllt sich die Regierung vor dem Spargipfel in Schweigen. Eines scheint schon festzustehen. In dem Entwurf, der unserer Zeitung vorliegt, ist als Datum für das Inkrafttreten der 1. August 2013 eingetragen.

Die Gewerkschaften jedenfalls reagierten am Donnerstag mit Kritik auf die Überlegungen der Landesregierung. „Nicht nur Tausende von Lehrerstellen werden von Grün-Rot gestrichen, jetzt will man auch der Altersermäßigung den Garaus machen“, schimpfte Gerhard Brand, Landesvorsitzender des Verbands Bildung und Erziehung. Fluglotsen würden mit 55 in Rente gehen, Feuerwehrleute mit 60, Lehrer müssten bis 67 arbeiten. „Arbeitsmediziner haben die Stresssituationen für Pädagogen an der Schulfront mit der eines Rennfahrers verglichen. Da waren die ein oder zwei Stunden Altersermäßigung ein Zeichen der Wertschätzung und eine in beinahe homöopathischer Dosierung verabreichte Entlastung“, so Brand. Wer „die Schullandschaft von Grund auf umpflügen will, benötigt dazu motivierte Akteure und keine Mitarbeiter, die sich nicht mehr wertgeschätzt fühlen“, warnte Brand die Regierung.

Ähnlich äußerte sich Margarete Schaefer vom Verband der Lehrer an beruflichen Schulen. Die Altersermäßigung sei keine Besserstellung von Lehrkräften, sondern als Umsetzung einer Arbeitszeitreduzierung eingeführt worden. „Eine Streichung oder weitere Kürzung der Altersermäßigung wäre ein weiteres Sonderopfer für die Lehrer. Das ist mit uns nicht zu machen.“