Porträt des österreichischen Anthroposophen Rudolf Steiner. Der 1861 in Kroatien geborene Philosoph begründete 1913 die Anthroposophische Gesellschaft. Foto: dpa

Alternative Heilmethoden liegen im Trend. Viele Patienten vertrauen auf die Kraft sanfter Medizin. In unserer Serie stellen wir Heilmethoden und Therapien der Welt vor.

Stuttgart - Waldorfpädagogik und biodynamischer Landbau (Demeter) sind den meisten geläufiger als die anthroposophische Medizin. Das Gedankengebäude der Anthroposophie (griechisch für Menschenweisheit) ist eine komplexe Mischung aus Philosophie, Mystik, Religion, Pädagogik und Medizin. Begründet wurde diese spirituelle Weltanschauung von dem Philosophen Rudolf Steiner (1861-1925). Ziel ist es, dem Einzelnen einen systematischen Zugang zu Phänomenen der metaphysischen Welt zu ermöglichen.

Formen des Leibes

Nach Steiner besteht der Mensch aus vier Wesensgliedern: physischer Leib (sichtbarer Körper), Ätherleib (Lebenskräfte), Astralleib (Bewusstsein und Empfindungen) und Ich (Persönlichkeit). Dieses Viergestirn ist eng miteinander verwoben. Wenn die Harmonie gestört ist und ein Element dominiert, wird man krank.

Krankheitstypen

Die Anthroposophie kennt vier Krankheitstypen, die mit den Wesensgliedern in Verbindung stehen: skleroseartige Krankheiten (physischer Leib), geschwulstartige Krankheiten (Ätherleib), entzündungsartige Krankheiten (Astralleib), lähmungsbedingte Krankheiten (Ich).

Die medizinische Behandlung soll die Wesensglieder wieder in Balance bringen. Dies geschieht vor allem durch Heilmittel, die – ähnlich wie in Homöopathie - aus Pflanzen, Mineralien und Metallen gewonnen werden. Diese Mittel werden besonders aufbereitet, um die jeweiligen Gestaltkräfte anzuregen. So werden etwa Pflanzen mit Metallen gedüngt und später kompostiert. Die Wirkung der Metalle soll den Lebensvorgängen der Pflanzen angeglichen werden (vegetabilisiertes Metall).

Heilmittel und Heileurythmie

Anthroposophische Heilmittel werden in Form von Ölen, Tropfen, Tabletten, Pulvern und Salben verabreicht. Anders als Phytopharmaka – also Arzneimittel, die aus Pflanzen gewonnen werden – wirken sie nicht durch ihre Inhaltsstoffe, sondern durch ihre Wesensart. Ein bekanntes Mittel ist die Mistel, die in der Krebstherapie Verwendung findet: Sie wurzelt nicht in der Erde und blüht im Winter, so dass sie Anthroposophen besonders geeignet zur Krebstherapie erscheint.

Bei der biodynamische Ernährung werden vegetarische Kost sowie Milch- und Eiprodukte bevorzugt. Daneben sollen künstlerische Betätigungen wie Malen, Musizieren und Heileurythmie zur Gesundung des Patienten beitragen. Eurythmie ist eine Kunstform, bei der Melodien, Worte und Laute in Bewegungen umgesetzt werden.

Fazit: Mystizistisch und spekulativ

Für Schulmediziner ist hier die Grenze zum Mystizimus überschritten. Das philosophische Gerüst ist ihnen zu spekulativ, unwissenschaftlich und wolkig. Die Indikation anthroposophischer Präparate und Inhaltsstoffe sei naturwissenschaftlich nicht belegt und rational nicht nachvollziehbar, kritisiert die Deutsche Gesellschaft für Pharmakologie und Toxikologie. Zudem fehle oft der Wirksamkeitsnachweis.