Nina Janich, Sprecherin der Jury und Professorin für Sprachwissenschaft an der TU Darmstadt, präsentiert das Unwort des Jahres 2017. Foto: dpa

„Alternative Fakten“ haben den Titel Unwort 2017 verdient. Sie haben das Zeug, großen Schaden anzurichten. Wer regelmäßig in Tageszeitungen und auf deren News-Portalen oder -Apps liest, wappnet sich besonders wirkungsvoll dagegen. Warum? – Das beschreibt StN-Chefredakteur Christoph Reisinger.

Stuttgart - Wie dringend die Welt die Kür eines Unworts des Jahres braucht – darüber lässt sich streiten. Dass der Begriff „Alternative Fakten“ perfekt zum Unwort des Jahres taugt, ist hingegen kaum zu bestreiten.

Lügen verharmlost

Geht es hier doch um eine bewusst verharmlosende Umschreibung von Lügen, die in der Absicht in die Welt gesetzt werden, möglichst weite Verbreitung zu finden. Es geht um einen Schlüsselbegriff öffentlicher Kommunikation in einem Zeitalter, in dem das Internet jeden in die Lage versetzt, mit jedem zu kommunizieren. Was wiederum die Voraussetzung dafür ist, das Schadenspotenzial sogenannter alternativer Fakten schier unendlich zu machen, weil ihrer Verbreitung kaum Grenzen gesetzt sind.

Das Tröstliche daran: Wo Meinungs- und Pressefreiheit herrschen, bestehen wiederum schier unbegrenzte Möglichkeiten, Behauptungen darauf abzuklopfen, ob es sich um Tatsachen handelt oder eben um alternative Fakten, also absichtsvoll erfundenes dummes Zeug.

Anfällig für alternative Fakten

Nur, das ist aufwendig und erfordert Kenntnisse über Recherche und Verifikation. Das ist die Stelle, an der die klassischen Medienmarken ins Spiel kommen, voran die Qualitäts-Tageszeitungen. Übrigens fast weltweit. Andere Medien mögen schneller und bunter sein. Aber nachweislich sie sind auch viel anfälliger, alternative Fakten als Wahres zu verkaufen.

Genau da liegt die Zukunftschance der nur vermeintlich alten Medien: Wo angesichts so vieler alternativer Fakten die Quellen von Information so wichtig werden wie die Nachricht selber, gewinnt genau die journalistische Arbeit an Wert und Bedeutung, die der Wahrheit, der Recherche und dem Grundsatz verpflichtet ist, immer beide Seiten anzuhören.

christoph.reisinger@stuttgarter-nachrichten.de