Historische Aufnahme: Steffen Kauderer, Dieter Zaiß, Hans-Peter Fischer, Wulf Wager beim Rohrtrunk in Bad Cannstatt. Foto: Archiv

Der Kübelesmarkt feiert dieses Jahr seinen 100. Geburtstag und hält bis heute einen wichtigen Brauch zur Fasnet in Bad Cannstatt aufrecht, den es seit 1289 hier gibt.

Vor 100 Jahren schon wurde in Bad Cannstatt von den Küblern die Fasnet gefeiert mit viel Brauchtum, welches sogar viel älter ist, wie sich zeigt. Für Oberkübler Steffen Kauderer bedeutet das 100-jährige Jubiläum „eine Bestätigung unserer Arbeit über Generationen, das Brauchtum in Bad Cannstatt zu wahren und in die Zukunft zu führen.“ Denn der Kübelesmarkt sei weit mehr als ein reiner Fasnetsverein. Schon Steffen Kauderers Vater Robert, inzwischen 90 Jahre alt, ist nicht nur seit 2004 Träger des Bundesverdienstkreuzes am Bande, sondern auch Ehrenoberkübler und hat als Oberkübler den Brauchtumsverein weiterentwickelt. Beim Kübler-Schwädds am 13. Februar wird er im Küblerhaus berichten.

 

Rohrtrunk schon im Jahr 1289 in Cannstatt

Das 75 Jahre alte Ehrenmitglied der Kübler, Eberhard Köngeter, unterstreicht die „tolle Entwicklung und Vielfalt des Vereins“, bei dem sich insbesondere ab den 60er Jahren viele Gruppen gebildet haben. Der Kübelesmarkt führt einen Brauch fort, der spannende Wurzeln hat und einzigartig hierzulande ist: den Rohrtrunk. Im Jahr 1289 gab es das Ereignis schon in Cannstatt, hat Köngeter herausgefunden. Damals habe das Bistum Konstanz die Cannstatter Kirche gekauft. Sie hatte die Patronatsrechte mit erheblichem Grundbesitz und sogar Leibeigenen. Die zwei Brüder Berthold und Heinrich von Fellbach haben die Güter verwaltet. Im Lehensvertrag vom 20. Oktober 1289 wurde der Rohrtrunk vereinbart. Dass die Brüder den Cannstatter Bürgern, dazu gehörten auch Fellbach, Hofen und andere Orte, jährlich zu Michaelis am 29. September eine Urne Wein reichen sollten. Die Bürger durften aus Rohren und Bütten und zehn Fässern Wein trinken. „Das war das Geschenk vom Bistum an die Bürger“, so Köngeter. Im vergangenen Oktober war der Rohrtrunk 735 Jahre alt.

1566 wurde Pro-Kopf-Weinmenge festgelegt

Es ist der älteste, eigentümlichste und bis in die Gegenwart hinein reichende Brauch in Bad Cannstatt. 1566 wurde der Brauch geändert. Nach dem beklagt wurde, dass zu viel getrunken worden sei, habe der Herzog befohlen, dass wer in Weinbergen und der Kelter gearbeitet habe, mehr trinken dürfe. Später legte die Stadt Cannstatt eine Pro-Kopf-Weinmenge fest von eineinhalb Maß Wein – was 2,75 Litern Höchstmenge entspricht. Dazu gab es einen Laib Brot.

Ab 1850 nur noch Wein für älteste Bürger und Witwen

1850 gab es einen nächsten Einschnitt: Da wurde der Wein nur noch an die ältesten Bürger und Witwen ausgegeben, und zwar anderthalb Liter, dazu 500 Gramm Brot. Der Brauch wurde so bis 1885 begangen. Dann war Schluss. Zum Fasnetsbrauch ist er dann von Weinvogt Dieter Zaiß um 1975 erhoben worden, weiß Köngeter. In seiner Funktion als Cannstatter Weinverwalter habe er sich um die Tradition des Weins gekümmert. So habe er auch beim jährlichen Erbsenbrunnenfest Wein aus seiner Weinstube in den Brunnen befördert. Mit dem Rohrtrunk habe Zaiß auf die Bedeutung und die Tradition hinweisen wollen.

Kübler leben heute die Geschichte weiter

Und wer muss beim Rohrtrunk dabei sein: der Bezirksvorsteher als Vertreter der Obrigkeit und der Weinvogt. Nachfolger des verstorbenen Weinvogts Dieter Zaiß ist sein Sohn Andreas. Der Oberkübler ist dabei und der Zeremonienmeister des Kübelesmarkts. Anfangs war es Hans-Otto Stroheker, jetzt ist es Büttel Wolfgang Pfeffer. Und ein Küblerrat kann dabeisein. „Damit zeigt der Kübelesmarkt, dass er alte Cannstatter geschichtliche Ereignisse pflegt.“ Dazu gehört auch das Fischerstechen, welches bis 1717 zurückreicht. Der Rohrtrunk wird immer nach dem Rathaussturm vollzogen, zur Versöhnung. Auch dieses Jahr wieder am 27. Februar, wenn die Narren abends das Bezirksrathaus erobert haben. Übrigens zelebrieren auch die Weingärtner von Weinfactum den Rohrtrunk – etwa auf dem Wagen beim Volksfestumzug.

Kübler-Schwädds im Küblerhaus

Mehr Hintergründe gibt es in der Broschüre: Cannstatt im Mittelalter: Der Cannstatter Rohrtrunk von 1289 von Eberhard Köngeter. Sie kann kostenlos angefordert werden per E-Mail unter info@maibaumverein-badcannstatt.de. Der Kübler-Schwädds beginnt am 13. Februar, um 19.30 Uhr im Küblerhaus, Küblergasse 10. Eintritt frei. Infos unter www.kuebelesmarkt.de.