Medizin-Wissen gehört zur Altenpflege-Ausbildung. Fast wichtiger findet Schulleiterin Martina Erbe (links) aber soziale Kompetenz und praktische Erfahrung. Foto: Patricia Sigerist

Camphill-Seminar verlegt Stuttgarter Einrichtung in die Nähe des Fellbacher Bahnhofs. Medizin-Wissen gehört zur Altenpflege-Ausbildung.

Fellbach - Auszubildende in der Altenpflege werden künftig auch in Fellbach die Schulbank drücken. Im Waldorf-Campus in der Siemensstraße 5 hat am Dienstag eine anthroposophisch orientierte Berufsfachschule mit dem Schwerpunkt Seniorenbetreuung ihre neuen Räume bezogen. Die vor zwei Jahren vom Camphill-Seminar gegründete Einrichtung, bisher im Nikolaus-Cusanus-Haus in Stuttgart-Birkach untergebracht, verlagert ihren Sitz dauerhaft an den Ortsrand von Schmiden.

Der Standort in Stuttgart wurde zu eng

„Der Standort in Stuttgart wurde uns zu eng. Wir hatten nur einen provisorischen Schulungsraum, in der Sakristei war das Büro untergebracht. Außerdem ist der Waldorf-Campus in Fellbach nicht nur wegen seiner verkehrsgünstigen Lage unweit des S-Bahnhofs, sondern auch wegen der Nähe zur Helmut-von-Kügelgen-Schule ideal“, begründet Martina Erbe den Wechsel. Die Leiterin der Einrichtung hat bisher 39 Pflegeschüler unter ihren Fittichen. Sie stammen aus 27 verschiedenen Nationen. Der Anteil männlicher Nachwuchskräfte ist mit einem Drittel bemerkenswert hoch. Die jüngste Auszubildende ist 18 Jahre alt, auch eine 44-Jährige sattelt in Fellbach derzeit auf den Altenpflegebereich um.

Für die Pflegeschüler gibt’s Blockunterricht

Die Pflegeschüler werden im Blockunterricht mit der Theorie von Krankheitsbildern bis zur Rechtskunde versorgt. Von vergleichbaren Einrichtungen hebt sich die Berufsfachschule aus eigener Sicht allerdings durchs anthroposophisch orientierte Menschenbild und den hohen Anteil an Praxisunterricht ab. „Unsere Ausbildung erschöpft sich nicht im reinen Fachwissen, sondern lebt von der Vermittlung von sozialer Kompetenz im Umgang mit alten Menschen. Das kann man nicht unterrichten, das muss erfahren werden“, sagt Martina Erbe. 2100 Stunden sind in der dreijährigen Lehrzeit für die Theorie eingeplant, 2500 sind es für die praktische Ausbildung. Erbe: „Wer diesen Beruf ergreifen will, muss das Herz am rechten Fleck haben.“

Getragen wird die Berufsfachschule vom gemeinnützigen Camphill-Seminar aus Frickingen

Getragen wird die Berufsfachschule vom gemeinnützigen Camphill-Seminar aus Frickingen am Bodensee. Der Name geht auf den im Nationalsozialismus aus Wien ins schottische Aberdeen geflüchteten Kinderarzt Karl König zurück. Seit 1996 ist der Abschluss zum Heilerziehungspfleger als gleichwertig anerkannt.

Inzwischen werden junge Menschen auch zu Heilpädagogen und Altenpflegehelfern ausgebildet. Außerdem macht der Träger gehandicapte Menschen für Jobs im Gastgewerbe fit. Den schulischen Ableger in der Region Stuttgart sehen die zwei Geschäftsführer Inge Schnell und Reinhard Wein als Versuch, als Ausbildungsträger auch landesweit Fuß zu fassen. Insgesamt werden bei Camphill derzeit rund 350 Menschen an einen Sozialberuf herangeführt. Kennzeichen der Ausbildung ist neben dem Praxisbezug auch der hohe Stellenwert künstlerischer Arbeit – vom Tanz über Malerei bis zum Plastizieren mit Ton.