Der Bedarf an Pflegeplätzen wächst, die anforderung an die heime auch. Foto: dpa

Seit Jahren versucht Stuttgart mit stationären Pflegeplätzen aufzuholen – vergeblich. Problematisch ist selbst der Neubau von Pflegeplätzen auf angestammten Grundstücken. Ein aktuelles Beispiel aus dem Stuttgarter Norden zeigt das.

Stuttgart - Seit 1905 steht das Mutterhaus der Rot-Kreuz-Schwestern in der Relenbergstraße 90. Eine asphaltierte Auffahrt führt unter mächtigen Linden den Hang hinauf. Das Gebäude ist fast in die hinterste Ecke gebaut worden, das 6500 Quadratmeter große Grundstück endet hinterm Haus an der Gäubahntrasse. Diese Traumlage erweist sich für die Württembergische Schwesternschaft vom Roten Kreuz nun als Handicap: Hanglagen sind besonders geschützt, die alten Linden, Platanen und Buchen dürfen nicht gefällt werden. „Bebauen dürfen wir deshalb nur das hintere Grundstück“, sagt Oberin Susanne Scheck. Das sei zunächst das erste Ergebnis der Verhandlungen mit der Stadt gewesen.

Seither seien Entwürfe und Änderungswünsche für das Alten- und Pflegeheim mit 45 Plätzen hin und her gegangen, „einmal hat man uns vorgeschlagen, das ganze Gelände neu zu beplanen“, sagt Susanne Scheck. Das gewünschte Artenschutzgutachten wegen der Eidechsen sei in Auftrag gegeben worden, und man verschließe sich auch nicht gegen das Bauen mit Holz, gegen begrünte Dächer und gegen Quartiersbelebung. „Wir können uns auch die Eröffnung eines Cafés auf unserer Terrasse vorstellen“, sagt die Oberin. Aber dass im Juli das Bauvorhaben von der Stadt abgelehnt worden sei, „nach rund 30 Änderungen“, das hat die bauwilligen Rot-Kreuz-Schwestern nun doch in große Aufregung versetzt.

Stadt versuche Klagen abzuwenden

Eine vorhabenbezogene Änderung des Bebauungsplans hält die Fachverwaltung nur für durchsetzbar, wenn das neue Gebäude kleiner wird. Die Landesheimbauverordnung allerdings gebietet Pflegeheimbetreibern ein Minimum an Fläche pro Zimmer (14 bis 16 Quadratmeter) und ein Maximum an Wohngruppengröße (zwölf bis 15 Bewohner). „Aus der beschriebenen und von uns nicht beeinflussbaren Situation ergibt sich ein dreigeschossiger Baukörper mit 45 Plätzen mit einer Gebäudehöhe von zehn Metern“, schreibt die Oberin in einem Brief ans Städtebaureferat und den Baubürgermeister Peter Pätzold. Ein Bau für weniger Bewohner wäre nur dann realisierbar, „wenn wir die Zusage hätten, dass unser Defizit dauerhaft gedeckt würde zum Beispiel durch einen jährlichen Zuschuss der Stadt in entsprechender Höhe“, heißt es weiter.

Es sieht allerdings nicht danach aus, als wolle sich die Stadt auf diesen Handel einlassen. Vielmehr sollen die Rot-Kreuz-Schwestern einen Architektenwettbewerb ausloben, was für Oberin Susanne Scheck gleichbedeutend ist mit höheren Kosten und Bauverzögerungen. Sozialbürgermeister Werner Wölfle beschreibt die Zwickmühle so: „Die Heimträger wollen alle deutlich mehr neu bauen, als sie bisher hatten. Das beißt sich oft mit dem Baurecht. Die Verwaltung will keine Heimplätze verlieren, deshalb versucht man es mit maximalem Entgegenkommen und maximaler Sensibilität hinzukriegen.“ Die Baubehörden hätten im geschilderten Fall „Fürsorge walten lassen“ und den Bauherrinnen „die Möglichkeiten gegeben, potenzielle Schwierigkeiten abzuarbeiten“. Wie zum Beispiel juristische Klagen der Nachbarn wegen zu geringen Abstands. Dass die Gemeinderatsgremien bei Bauvorhaben dieses Volumens einen Architektenwettbewerb einforderten, sei inzwischen „fast Standard“, die Schwesternschaft sollte sich deshalb darauf vorbereiten.

Notfalls will Schwesternschaft außerhalb der Stadt bauen

Zuletzt sah es dann doch noch nach einer Einigung aus. Detlef Kron, Leiter des Amtes für Stadtplanung und Stadterneuerung, wolle im Ausschuss für Umwelt und Technik sowie im Bezirksbeirat die Variante E der Architekten (Wulf Architekten) empfehlen und außerdem anregen, die Änderung des Bebauungsplans an ein externes Büro zu übergeben. „Die Verwaltung selbst hat zu wenig Kapazitäten“, sagt Werner Wölfle.

Kommt es zu keiner Einigung, will die Schwesternschaft „schweren Herzens“ in der Region bauen und das renovierte Mutterhaus als Bürofläche vermieten. „Die rund 6000 Quadratmeter würden dann für die Versorgung der Bevölkerung ungenutzt bleiben“, schreibt die Oberin an Pätzold.