Seit einem Jahr lernen Schüler an der Altenburgschule erfolgreich im Leseband. Foto: Zweygarth

Die Altenburgschule will Gemeinschaftsschule werden. Schon heute wird jahrgangsübergreifend gelernt.

Altenburg - Im ersten Moment wirkt es wie eine Pause. Schülerinnen und Schüler laufen über den Flur, sitzen in Zweiergruppen an kleinen Tischen oder haben sich einen Platz auf der Treppe gesucht. Die Türen der Klassenzimmer stehen offen. Es wäre jedoch eine sehr leise Pause. Auf den zweiten Blick wird klar: Hier wird gearbeitet.

Jahrgangsübergreifender Unterricht heißt das Konzept, bei dem an der Altenburgschule seit einem Jahr freitags immer zwei Klassenstufen gemeinsam lernen. Nach einer kurzen Einführung lösen sich die Klassenverbände auf; die Lehrerinnen und Lehrer werden zu Beratern, Coaches und Impulsgebern. Das sogenannte Leseband ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg der Grund-, Haupt- und Werkrealschule zur Gemeinschaftsschule.

„Wir haben uns für ein Leseband entschieden, weil die meisten unserer Schüler Defizite in der Lesekompetenz haben, obwohl gerade Lesen Grundvoraussetzung für alle anderen Fächer ist“, sagt die Schulleiterin Katrin Steinhülb-Joos. Die Siebt- und Achtklässler lernen zurzeit Methoden, um Texte zu verstehen. Die Schüler sollen schon vor dem Lesen überlegen, was sie über das Thema wissen. So lautet der erste Lernjob des 15-Jährigen Volkan. Danach muss er lesen, den Text in zwei Sätzen zusammenfassen, ihn dann in Abschnitte einteilen, denen er danach Überschriften gibt. „Die Checkliste steigert nach und nach den Schwierigkeitsgrad“, erklärt die Lehrerin Marwa Gobji. Bevor sie eine Checkliste abarbeiten, schätzen sich die Schüler selbst ein und entscheiden, wo sie einsteigen.

„Eine Gemeinschaftsschule ist eine eigene Schulart“

Davon profitierten nicht nur die schwachen Schüler, sagt Steinhülb-Joos: „Es ist auf diese Weise möglich, einem starken Schüler eine so schwierige Aufgabe zu stellen, wie sie im Klassenverbund nie bearbeitet hätte werden können.“ Das schlage sich in den Noten nieder: „Seit der Einführung des Lesebands sind die Atmosphäre und die Zensuren besser geworden“, sagt die Schuleiterin. „Weil ich mir aussuchen kann, was ich mache, macht mir das Lernen mehr Spaß“, sagt die 14-jährige Iro. Sie hat zuletzt ein Lesetagebuch erstellt: Dabei lesen die Schüler ein Buch und lösen verschiedene Aufgaben, schreiben etwa eine Zusammenfassung und eine Kritik. Ihre Fortschritte und Schwierigkeiten notieren sie jede Woche in einem Lerntagebuch. Von Zeit zu Zeit wirft die Lehrerin einen Blick dort hinein: „Pro Woche führe ich mit zwei bis drei Schülern ein Coaching-Gespräch unter vier Augen“, sagt die Lehrerin Sina Chaker. Darin fragt sie nach Schwerpunkten, Problemen und Zielen und legt mit den Schülern die nächsten Lernschritte fest. „Das bringt mehr als kollektive Kontrolle.“

Notwendig ist allerdings eine Umgestaltung der Räume: „Auch wenn die Schüler leise arbeiten, wird es manchmal laut“, sagt die Lehrerin Verena Baumgarten. Weitere Stillarbeitsräume können nach den Worten von Steinhülb-Joos durch Glastüren geschaffen werden. Auf diese Weise werden Bereiche des Flurs abgetrennt. Außerdem sind neue Möbel nötig: Schränke für Schulranzen, Wellentische statt Einzelpults und ein höhenverstellbarer Lehrertisch, der von den Schülern für Präsentationen genutzt werden kann.

Schon heute übernehmen nach den Worten von Steinhülb-Joos viele Lehrer die Methoden des individuellen Lernens in anderen Fächern. Vom kommenden Schuljahr an wird die Arbeitsweise auf die Fächer Mathe, Deutsch und Englisch ausgedehnt; auch in den Fächerverbünden soll projektorientiert gearbeitet werden. Im Oktober wird die Stadt den Antrag stellen, die Altenburgschule als Gemeinschaftsschule auszuweisen. Schulamt und Regierungspräsidium prüfen dann, ob alle Voraussetzungen erfüllt sind. „Im Januar oder Februar wird die Zu- oder Absage erteilt“, erläutert Matthias Kaiser vom Schulamt den Ablauf. Bei einem positiven Bescheid wäre die Altenburgschule vom Schuljahr 2014/15 an Gemeinschaftsschule.

Wenn das passiert, kommen auch neue Kollegen auf den Hallschlag. „Eine Gemeinschaftsschule ist eine eigene Schulart, an der theoretisch drei Schulabschlüsse erworben werden können“, sagt Kaiser. Deshalb würden auch Realschul- und Gymnasiallehrer gebraucht.